Den Tagessieg am Sonntag sicherte sich nach 198 Kilometern in Seraing Tour-Debütant Peter Sagan aus der Slowakei. Cancellara bleibt Führender.

Seraing. Als Tony Martin mit bandagiertem Ellbogen und schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Mannschaftsbus stieg, hatte sich für den deutschen Weltmeister das Auftakt-Wochenende der 99. Tour de France endgültig zum Albtraum entwickelt. Der mit so großen Ambitionen an den Start gegangene Martin fand sich nach den ersten beiden Tagen nicht wie erhofft im Gelben Trikot, sondern im Krankenhaus wieder. War der Prolog bereits mit einem technischen Defekt alles andere als wunschgemäß verlaufen, wurde der 27-Jährige auf der ersten Etappe über 198 km von Lüttich nach Seraing auch noch in einen Sturz verwickelt. Dabei war Martin auf das Handgelenk und die Schulter gefallen.

„Ich hatte bei jedem Schlagloch Schmerzen. Ich hoffe, dass es nur eine Prellung und nach Möglichkeit kein Bruch ist. Ich wollte die Etappe auf jeden Fall zu Ende fahren“, sagte Martin nach seinem Malheur, das sich bereits nach elf Kilometern ereignete. Trotzdem kämpfte sich der Zeitfahrspezialist auf dem Teilstück durch die Ardennen, das der Slowake Peter Sagan vor Prologsieger Fabian Cancellara gewann, ohne Zeitverlust ins Ziel.

Teamarzt Helge Riepenhof äußerte sich vor den Untersuchungen im Krankenhaus äußerst verhalten. Auf der Frage, ob sich Martin womöglich Brüche zugezogen hat, sagte der Arzt: „Ich bin eigentlich immer optimistisch, aber es sieht nicht so gut aus.“ Auch Teamchef Patrick Lefevere konnte zunächst nur Mutmaßungen anstellen: „So schlimm kann es eigentlich nicht sein. Im Finale ist er stark gefahren.“ Brüche im Schulterbereich wurden am Sonntagabend ausgeschlossen. Eine genaue Diagnose über die Handverletzung ist aufgrund der starken Schwellung erst am Montagmorgen möglich, teilte Teamsprecher Alessandro Tegner mit.

Auf der Schlussrampe war aber dann Sagan der strahlende Sieger. Der frühere Junioren-Weltmeister verwies am Ende des knackigen Schlussanstiegs über 2,4 km mit durchschnittlich fünf Prozent Steigung Cancellara und den Norweger Edvald Boasson Hagen auf die Plätze. Für den Youngster war es der erste Tour-Erfolg seiner Karriere. Cancellara verteidigte aber sein am Vortag erobertes Gelbes Trikot erfolgreich. Der Schweizer hatte mit einem Vorsprung von sieben Sekunden auf den Briten Bradley Wiggins zum fünften Mal den Auftakt der Tour gewonnen, womit er zum fünfmaligen Gesamtsieger Bernard Hinault aufschloss.

„Ich bin sehr glücklich. Unser Plan ist aufgegangen. Es war eine schwere Etappe, zum Schluss ging es sehr konfus zu. Ich musste alles geben, um am Hinterrad von Cancellara zu bleiben“, sagte Etappensieger Sagan, der bereits seinen 13. Saisonerfolg einfuhr. Bester Deutscher der Gesamtwertung ist Andreas Klöden als Elfter mit 19 Sekunden Rückstand. Wie so oft in der ersten Tourwoche war es zuvor hektisch zugegangen. Immer wieder war es zu kleineren Stürzen gekommen. Davon war auch Martin nicht verschont geblieben. Nach elf Kilometern stürzte er zusammen mit drei weiteren Fahrern. Martin schloss wieder schnell zum Hauptfeld auf, konsultierte dann allerdings mehrfach den Rennarzt.

Für die deutsche Hoffnung hatte das erste Wochenende der Tour ohnehin unter keinem guten Stern gestanden. Im Prolog schlitzte eine Glasscherbe seinen Hinterreifen auf und ließ den Traum vom Gelben Trikot zerplatzen. Auf Tagessieger Cancellara verlor der Zeitfahr-Weltmeister am Ende 23 Sekunden.

+++Tour-Start wird von Armstrong-Schlagzeilen dominiert+++

Für Martin war der Auftakt der 99. Tour einer der bittersten Tage seiner Karriere, Jens Voigt schrieb dagegen Geschichte. Zum 15. Mal begab sich der 40-Jährige am Samstag auf die Große Schleife und ließ damit Erik Zabel (14 Teilnahmen) als deutschen Rekordteilnehmer hinter sich. Mehr Tour-Teilnahmen als Voigt haben nur der Niederländer Joop Zoetemelk, der Australier Stuart O’Grady (beide 16) und der Amerikaner George Hincapie, der in Lüttich in seine 17. Tour startete.

Am Montag nimmt das Peloton zum Ende des Belgien-Gastspiels die zweite Etappe in Angriff. Auf dem flachen Teilstück über 207,5 Kilometer von Vise nach Tournai dürfte erstmals die Stunde der Sprinter schlagen. Das Finale ist abschüssig, die Zielgerade gut 500 Meter lang.

(dapd/abendblatt.de)