Zum 99. Mal kämpfen die besten Radprofis um den Sieg bei der Tour de France. Dabei begleitet das Dauerthema Doping erneut den Tour-Tross.
Lüttich. Das nervenaufreibende Tour-de-France-Vorgeplänkel hat ein Ende. Wenn am Samstagmittag der erste von 198 Radprofis den Prolog zum wichtigsten Rennen der Welt in Angriff nimmt, sollen Favoriten-Raten, Spekulationen um deutsche Hoffnungen und die alljährliche Doping-Debatte vorerst in den Hintergrund treten. „Ich freue mich“, verkündete André Greipel, der neben Tony Martin und Marcel Kittel für schwarz-rot-goldenen Jubel sorgen will. Im Kampf um das Gelbe Trikot läuft alles auf einen Zweikampf zwischen Vorjahressieger Cadel Evans und Bradley Wiggins hinaus. Oder kann das kriselnde RadioShack-Team um Klöden, Schleck und Co. überraschen?
Die 3479 Kilometer von Belgien über Nordfrankreich, die Alpen, die Mittelmeerküste und die Pyrenäen nach Paris spielen Wiggins und Evans in die Karten. Die ganz schwierigen Berge fehlen, dafür sind 101,4 Kilometer gegen die Uhr zu bewältigen – eine Spezialdisziplin des Duos. „Auf den Moment warte ich schon so lange. Ich werde alles tun, um diese Tour zu gewinnen“, versprach Wiggins, der mit seinen Sky-Mannschaftskollegen das vermutlich stärkste Team aufbieten kann.
Im Gegensatz zu Evans, der erst im Laufe des Frühjahrs langsam in Form kam, stellte das britische Leichtgewicht seine Klasse in diesem Jahr schon unter Beweis, etwa beim famosen Dauphiné-Erfolg vor zwei Wochen. Aber Achtung: „Das kann eigentlich gar nicht bis zum Ende der Tour reichen“, warnte Jan Ullrich bei „eurosport.yahoo.de“. Der Tour-Champion von 1997 glaubt nicht an einen Wiggins-Durchmarsch, denn „irgendwann muss der doch auch mal eine Schwäche haben“.
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Darauf dürfte auch Martin hoffen, der sich im Prolog in Lüttich und im Einzelzeitfahren der 9. Etappe Siege und sogar die Eroberung des Gelben Trikots vorgenommen hat. Ex-Profi Erik Zabel traut Martin den Sprung an die Spitze des Klassements zu – und das schon am ersten Wochenende. „Wenn ich Teamleiter von Quickstep wäre, würde ich ruhig schlafen“, sagte der frühere Sprinter der Nachrichtenagentur dpa. „Prolog und danach eine schwere Etappe, die nichts für reine Sprinter ist: Eine gute Konstellation für Tony, Gelb zu holen.“
Für Greipel und Kittel geht es um die Bestätigung ihrer starken Resultate in diesem Jahr. Zabel glaubt an das Duo. Greipel sei „der kompletteste aller deutschen Sprinter“ und Youngster Kittel müsse nur die ersten Eindrücke seines Tour-Debüts verarbeiten, um Chancen auf Tagessiege zu haben. „Das gibt sehr spannende Sprinter-Duelle“, sagte Zabel. Die beiden dürften es vor allem mit Mark Cavendish, dem Spurtkönig der vergangenen Jahre, und dem formstarken Peter Sagan zu tun bekommen. Greipel vertraut seinen Teamkollegen, darunter Marcel Sieberg, und „dem weltbesten Zug für die letzten drei Kilometer“.
Apropos Bestmarke: Der Amerikaner George Hincapie steigt mit seiner 17. Tour-Teilnahme zum alleinigen Rekordhalter auf. Und auch ein Berliner hat Grund zum Feiern, auch wenn ihm eigentlich nicht danach ist. Jens Voigt löst mit seiner 15. „Grande Boucle“ Zabel als deutschen Rekordfahrer ab. Lieber als der Bestwert (Voigt: „Quatsch“) wäre ihm natürlich ein erfolgreiches Rennen im Team RadioShack, bei dem Routinier Andreas Klöden klammheimlich zum Kapitän aufsteigen kann.
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Von optimaler Vorbereitung konnte im Rennstall aber keine Rede sein. Erst überwarf sich Frank Schleck mit der Mannschaftsleitung, dann musste sein Bruder Andy verletzt absagen. Schließlich geriet noch Teamchef Johan Bruyneel in der Causa Armstrong unter massiven Doping-Verdacht, so dass der Belgier auf den Tour-Trip verzichtet.
Tour und Doping – auch die 99. Frankreich-Rundfahrt wird schon vor dem Start vom Dauerthema flankiert. Der gesperrte Spanier Alberto Contador fehlt zwar, dafür kehrt dessen Landsmann Alejandro Valverde mit Podiumsambitionen nach seinem Zwei-Jahres-Bann zurück. Während Michele Scarponi durch Frankreich fährt, interessiert sich in Italien das olympische Komitee für sein Wissen über den mutmaßlichen Doping-Arzt Michele Ferrari. „Von Sport kann man ja wohl kaum noch sprechen“, meint Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel.
Ähnlich dürften das auch ARD und ZDF gesehen haben, als sie sich entschlossen, die Tour nicht mehr live zu übertragen. Damit ist der Spartenkanal Eurosport dieses Jahr als einziger deutscher TV-Sender vom kommenden Samstag an bis zum 22. Juli live in Frankreich dabei.