Hamburg. Nach dem 0:2 gegen Bremen beklagen Trainer und Spieler fehlende „geistige Frische“. Was dennoch Hoffnung für Spiel in Stuttgart macht.
Die Worte von Ole Werner nach dem 2:0 (1:0)-Sieg seiner Bremer Mannschaft beim FC St. Pauli brachten den Unterschied beider Teams an diesem Abend so treffend auf den Punkt, dass es den Gastgebern schon wehtat. „Wir waren heute sehr wach und klar. Grundsätzlich sind diese Spiele sehr eng und entscheiden sich über Effektivität“, sagte der Bundesliga-Trainer des SV Werder.
FC St. Pauli schwächer als in Leverkusen
„In der Summe waren wir 60 Minuten geistig nicht frisch genug, um mithalten zu können. Da war Bremen eine Klasse besser“, musste denn auch sein St.-Pauli-Kollege Alexander Blessin eingestehen. Zuvor hatte auch schon St. Paulis wie immer fleißiger, aber diesmal nur in einer Szene torgefährliche Mittelstürmer Johannes Eggestein von eben dieser mangelnden „geistigen Frische“ gesprochen. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie uns ausgespielt haben. Aber in den Punkten waren sie uns definitiv überlegen“, sagte der in Bremen zum Profi entwickelte Eggestein weiter.
Gut zwei Wochen nach dem verdienten 3:1-Sieg gegen Mitaufsteiger und Klassenerhaltskonkurrent Holstein Kiel und eine Woche nach einer achtbaren Leistung beim 1:2 beim Deutschen Meister Bayer Leverkusen hatte das St.-Pauli-Team diesmal im Nordduell gegen Werder Bremen nahezu kollektiv eine deutlich schwächere Leistung an den Tag gelegt.
St. Pauli in drei Statistiken besser als Werder
Diese äußerte sich allerdings nicht etwa darin, dass man von den gut organisierten, eingespielten und stabil auftretenden Bremern vorgeführt oder gar überrollt worden war. Über weite Strecken wirkte die Partie vielmehr ausgeglichen, solange sie sich in den ungefährlichen Räumen abspielte.
Dass die St. Paulianer sogar mehr Ballbesitz (55:45 Prozent) hatten, mehr Torschüsse (15:9) abgaben und gar 5,7 Kilometer mehr liefen, war am Ende nur ein hübsches statistisches Beiwerk, das in diesem Fall praktisch keinen Einfluss auf das Ergebnis hatte. Bei den Gegentoren durch Derrick Köhn (24.) und Marvin Ducksch (54.) ließen sich gleich mehrere St. Paulianer von der Bremer Angriffsaktion düpieren, liefen nur hinterher und gewährten ihren Gegnern entscheidend zu viel Platz.
Jetzt schon acht Spiele ohne eigenes Tor
„Beim ersten Gegentor kann Eric Smith den Gegner blocken, beim zweiten sind wir nicht richtig dran und wach. Wir werden überspielt vom Torwart, zwei Pässe, und dann laufen wir in einen schönen Konter rein. Da müssen wir die Tiefe absichern“, analysierte St. Paulis Trainer Blessin. „Wir waren in den ersten 60 Minuten nicht so gallig auf die zweiten Bälle. Da waren wir spät in unseren Handlungsentscheidungen.“
Und offensiv? Von den besagten 15 Torschüssen wären elf auch kein Treffer gewesen, wenn sich Werder-Torwart Michael Zetterer eine Kaffeepause gegönnt hätte, denn die Bälle flogen an seinem Kasten vorbei, teilweise meilenweit sogar. Richtig strecken musste sich der Keeper nur bei Eggesteins frühem Versuch (14.). Werders Treffer entsprangen derweil dem jeweils ersten Torschuss der beiden Halbzeiten. Da war sie also, die von Ole Werner beschriebene Effizienz, die St. Pauli nicht erst an diesem Sonnabend fehlte.
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Mit elf Toren in 14 Spielen weist St. Pauli zusammen mit dem VfL Bochum weiter den schwächsten Wert der gesamten Liga auf. In jetzt schon acht Matches, davon fünf im Millerntor-Stadion, gelang gar kein Treffer. Dies lag gegen Bremen auch daran, dass in Morgan Guilavogui genau der Angreifer fehlte, der in den beiden jüngsten Spielen zuvor seine ersten Saisontore erzielt hatte.
„Das Fehlen von Morgan tut in seiner aktuellen Verfassung richtig weh. Im Eins-gegen-Eins ist es mit ihm etwas anderes. Das ist von der Statik her ein anderes Spiel, wenn er nicht dabei ist“, sagte Blessin. Im Gegensatz zu den verletzten Akteuren wie Elias Saad, Karol Mets oder auch Scott Banks, die erst im neuen Jahr wieder zu einer Startelf-Option werden sollen, wird Leihgabe Guilavogui im letzten Spiel vor der kurzen Winterpause am kommenden Sonnabend (15.30 Uhr) beim VfB Stuttgart wieder zur Verfügung stehen. Das dann sogar, ohne das Werder-Spiel in den Beinen und den damit verbundenen Frust im Kopf zu haben.
St. Pauli gibt Parole für das Spiel in Stuttgart aus
„Wir haben noch ein Spiel. Dafür müssen wir uns sammeln und was Zählbares aus Stuttgart holen. Wir müssen gucken, dass wir die Jungs bis dahin frisch kriegen. Es ist klar, dass wir ein paar Spieler haben, die das wirklich brauchen“, sagte Blessin mit Blick vor allem auf die mentale Müdigkeit, mit der sich sein Team gegen Bremen in den entscheidenden Szenen zu einem großen Anteil selbst besiegt hatte. „Wir müssen wirklich in jedem Spiel an unser Maximum gehen. Davon waren wir heute weit entfernt“, gab er zu.
„Wir wollen das Jahr mit einem guten Gefühl und in einer guten Position beenden“, gab schließlich St. Paulis Kapitän Jackson Irvine die Parole für das Spiel beim VfB Stuttgart aus. „Dafür müssen wir unsere beste Leistung zeigen.“ Und so wach sein wie Werder Bremen es am Millerntor war.