Hamburg. Der Innenverteidiger der Kiezkicker wählte nach dem 1:2 in Dortmund klare Worte. Was trotz des schwachen Punkteschnitts Mut macht.
Es waren extrem gemischte Gefühle, die die Protagonisten des FC St. Pauli am späten Freitagabend in sich spürten und mit denen sie versuchten, aus der 1:2 (0:1)-Niederlage bei Borussia Dortmund doch etwas Positives mit in die nächsten Aufgaben in der Bundesliga und im DFB-Pokal mitzunehmen.
Die nackten Zahlen geben dazu ja eher keinen Anlass. Wer nach sieben Spielen erst vier Punkte auf seinem Konto hat, scheint normalerweise dem Abstieg geweiht, hochgerechnet wären das am Saisonende weniger als 20 Zähler.
FC St. Pauli: Reicht der Punkteschnitt zum Klassenerhalt?
Zum Vergleich: In der vergangenen Saison hatten zum selben Zeitpunkt die drei Tabellenletzten Bochum (4 Punkte), Mainz (2) und Köln (1), allesamt noch kein Spiel gewonnen. Am Ende wurde Darmstadt mit ganzen 17 Punkten Letzter, hatte davon sieben aber in den ersten sieben Spielen ergattert. Köln (27) stieg auch direkt ab, Bochum (33) rettete sich in der Relegation, Mainz reichten 35 Punkte, um 13. zu werden.
Also was ist schon normal in der Drei- oder Vierklassen-Gesellschaft Fußball-Bundesliga, in der die Punktzahlen zwischen der Spitzengruppe und der Abstiegszone über die Jahre immer weiter auseinandergedriftet sind, was nicht allein, aber doch entscheidend, mit den gigantisch unterschiedlichen, finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Clubs zusammenhängt.
St. Pauli machte in Dortmund auch viel richtig
Insofern ist es nur allzu verständlich, wenn die Spieler des Aufsteigers FC St. Pauli, dessen Profi-Etat in der Bundesliga nur von Mitaufsteiger Holstein Kiel unterboten wird, herausstellen, was ihnen in den 97 Minuten gelungen ist. Nach einer knappen und in mancher Hinsicht auch unglücklichen Niederlage bei einem der Hochkaräter der Liga sind sie nicht etwa niedergeschlagen und verzweifelt.
„Es war eine Leistung, auf die wir aufbauen können“, sagte Hauke Wahl und fasste damit die allgemeine Einschätzung auch seiner Teamkollegen ganz gut zusammen. „Wir haben gezeigt, dass wir im tiefen Block auch gegen so eine Mannschaft nicht viel zulassen, es schaffen, fußballerische Momente zu haben, dass wir Nadelstiche setzen und auch Tore aus dem Nichts schießen können. Das gehört in dieser Liga dazu und das ist gegen uns ja auch schon öfter passiert“, sagte der Innenverteidiger weiter.
Hauke Wahl wählte mahnende Worte
Und doch ist der Führungsspieler weit davon entfernt, in eine in der aktuellen Situation unangebrachte Euphorie zu verfallen. Es gebe keinen Grund, auf die gebotene Leistung stolz zu sein. Nur weil man dem Starensemble des Champions-League-Finalisten im ausverkauften, größten deutschen Stadion (81.365 Zuschauer) lange das Leben schwer gemacht und fast sogar dank des traumhaften 1:1-Ausgleichs durch den 28-Meter-Dropkickschuss von Eric Smith den Abend verdorben hätte.
„Das wäre über den Punkt“, sagte Wahl. „Am Ende geht es auch in dieser Liga um Punkte. Wenn es immer gerade eben nicht reicht, ist das nicht gut“, sagte er mahnend und traf damit den Punkt. Denn auch in den Spielen gegen die weitaus weniger prominent besetzten Teams von Heidenheim (0:2), Union Berlin (0:1), Augsburg (1:3) und Mainz (0:3) hatte es eben gerade nicht gereicht, wenigstens einen Punkt einzufahren.
Ist St. Pauli offensiv zu harmlos?
„Wenn wir hier Punkte holen möchten, müssen wir mit dem Ball den Gegner stressen, sodass sie ein bisschen mehr verteidigen müssen“, hatte Sturmjoker Andreas Albers erkannt, der das Spiel bis zur 88. Minute das Spiel von außen betrachtet hatte und es daher auch ganz gut analysieren konnte.
„Es ist offensichtlich, dass wir mehr Siege brauchen. Wir müssen uns weiter pushen“, befand Außenstürmer Oladapo Afolayan. Der Engländer hatte im Abseits gestanden, als Smith den Ball zum 1:1 ins BVB-Tor schmetterte. Absolut vertretbar war, hier auf passives Abseits zu entscheiden. „Ich hätte auch auf der Bank sitzen können. Der Ball war unhaltbar“, widersprach er den Dortmunder Beschwerden.
Wahl wünscht sich mehr, aber weniger schöne Smith-Tore
„Ich hatte einen schönen Blickwinkel, der war satt. Wenn Eric Tore schießt, sind die meisten schön. Viele habe ich aber noch nicht erlebt. Besser wären mehr Tore und die dafür weniger schön“, stichelte Wahl ein wenig gegen seinen Abwehr-Nebenmann. Tatsächlich sind Smith trotz starker Schusstechnik erst sechs Treffer in 90 Pflichtspielen für St. Pauli gelungen.
- Doppelmoral? Vorwürfe gegen FC St. Pauli wegen Charterflugs
- Nach 1:2 beim BVB: Warum beide Trainer über den VAR wettern
- Wahl die braun-weiße Wand, Smith überzeugt nicht nur als Torjäger
In Dortmund hatte er per Freistoß auch das vermeintliche 1:0-Führungstor durch Morgan Guilavogui (30.) vorbereitet, das wegen einer hauchdünnen und kaum durch die TV-Bilder belegten Abseitsposition des Schützen nach Videoüberprüfung aberkannt wurde. Auch mit solchen Rückschlägen wird St. Pauli umgehen müssen, um in der Liga zu bestehen.
Schließlich befand St. Paulis Trainer Alexander Blessin: „Es steht eine gute Performance mit leider null Punkten.“ Da waren sie dann wieder, die gemischten Gefühle.