Hamburg. Gegen Hansa Rostock will der Tabellenführer “mit offenem Visier spielen“. Aus der Zuschauerzahl macht der Club ein Geheimnis.
Für einen der wichtigsten Sponsoren des FC St. Pauli steht schon so gut wie fest, wer am Sonntag (13.30/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) beim Spiel gegen Hansa Rostock als Sieger den Rasen des Millerntor-Stadions verlassen wird. Dabei sind die maßgeblichen Mitarbeitenden dieser Firma keine Fans, sondern sie beschäftigen sich hauptberuflich damit, Favoriten und Außenseiter zu identifizieren.
Konkret: Wettanbieter Bwin, bei St. Pauli Sponsor der zweithöchsten Kategorie „Herz von St. Pauli“, hat für einen Heimsieg gegen Rostock eine Quote von gerade einmal 1,53:1 ausgelobt. Es ist die niedrigste Quote des gesamten Zweitligaspieltags. Zum Vergleich: für einen Rostocker Sieg gäbe es 5,75 Euro bei einem Euro Einsatz, für ein Unentschieden 4,33 Euro.
FC St. Pauli: „Werden mit offenem Visier spielen“
Für St. Paulis Trainer Timo Schultz spielen allerdings diese Einschätzungen und Erwartungen keine große Rolle, wie er am Freitag versicherte. „Spiele gegen Rostock sind immer etwas Besonderes. Da muss man vorher nicht unbedingt auf den Tabellenstand gucken“, sagte er. „Ich gehe davon aus, dass beide Mannschaften mit offenem Visier spielen werden.“ Auch wenn Rostock als Tabellen-13. in den elften Spieltag geht, weist Schultz darauf hin, dass der Aufsteiger mit seinen beiden Auswärtssiegen bei Hannover 96 (3:0) und Holstein Kiel (2:0) schon zwei Duftmarken gesetzt hat.
Dabei spielte auch ein am Millerntor gut bekannter Stürmer eine Hauptrolle: John Verhoek. Der inzwischen 32 Jahre alte Niederländer befindet sich offenbar gerade in der Form seines Lebens und hat mit sechs Saisontoren mehr als die Hälfte der Rostocker Treffer erzielt. In seinen drei Jahren bei St. Pauli war er eher als „Chancentod“ bekannt und durfte in 74 Spielen nur elfmal über einen eigenen Treffer jubeln. „John hatte keine einfache Zeit bei uns, weil wir damals relativ viele Trainerwechsel hatten und er auch nicht wirklich Stammspieler war“, sagte Schultz am Freitag. „Er ist ein sehr wuchtiger Stürmer und hat seine Stärken im direkten Abschluss.“
Bei allem Respekt vor dem Gegner können die St. Paulianer dennoch voller Selbstvertrauen in ihr sechstes Heimspiel dieser Saison gehen. Die vorherigen fünf Partien im eigenen Stadion wurden bereits gewonnen – zum Teil deutlich –, was einen neuen Startrekord für den Kiezclub darstellt. Jetzt soll Heimsieg Nummer sechs folgen, es wäre zudem nach der 0:1-Niederlage vor sechs Wochen in Hannover der fünfte Erfolg in Serie, mit dem die Tabellenführung auf jeden Fall verteidigt würde.
FC St. Pauli: Kann Leart Paqarada gegen Rostock mitmischen?
„Wir wissen, dass wir in der Lage sind, eine Mannschaft immer wieder unter Druck zu setzen und uns Chancen herauszuspielen. Wenn wir das schaffen und wieder unsere eigene Leistung auf den Platz bringen, bin ich ganz guter Dinge, dass wir auch gewinnen werden“, sagte Schultz. Tatsächlich hat sein Team in dieser Saison schon mehrmals bewiesen, dass es einen Gegner dominieren kann.
Ob beim Versuch, die aktuellen Erfolgsserien auszubauen, auch Linksverteidiger Leart Paqarada mitmischen kann, war am Freitag noch offen. Zwei Tage zuvor hatte der 27-Jährige mit Kniebeschwerden das Training vorzeitig abgebrochen. „Zum Glück konnten wir nichts wirklich Schwerwiegendes feststellen. Trotzdem ist dort wohl etwas gezerrt oder gereizt. Wir werden schauen, ob es geht, aber wir werden nichts riskieren“, sagte Schultz dazu.
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Im Übrigen kann Timo Schultz ganz persönlich eine bisher fast makellose Bilanz gegen Rostock aufweisen. Alle drei Spiele, an denen er mit St. Pauli als Spieler aktiv gegen den FC Hansa beteiligt war, wurden gewonnen – im November 2009 und im März 2010 jeweils mit 2:0 sowie im März 2009 mit 3:2. Dieses Spiel ist dem Coach besonders im Gedächtnis geblieben. „Da hat unser Trainer gut gewechselt“, sagte Schultz süffisant lächelnd. Mit 0:2 lag St. Pauli am Millerntor zur Pause zurück, der damalige Coach Holger Stanislawski war so unzufrieden, dass er gleich sein gesamtes Wechselkontingent ausschöpfte und drei neue Profis brachte. Zu den Ausgewechselten gehörte Timo Schultz.
FC St. Pauli macht Geheimnis aus Zuschauerzahl
Der Trainer weiß inzwischen auch, wie man den Sieg zur zweiten Halbzeit einwechselt. Gerade vor einer Woche hatte er in Heidenheim beim Stand von 0:1 Christopher Buchtmann durch Maximilian Dittgen ersetzt, der prompt mit zwei Treffern am 4:2-Sieg beteiligt war.
Ein Geheimnis macht der FC St. Pauli unterdessen bis zum Schluss daraus, wie viele Karten er tatsächlich für dieses dritte Heimspiel unter 2G-Bedingungen zur Verfügung stellt. Fakt ist, dass durch die Rückgabe des gesamten Kontingents an Gästetickets durch die Rostocker zusätzliche Plätze auf der Nordtribüne für die Heimfans freigeschaltet werden konnten.
Theoretisch dürfte der Millerntor-Club alle 29.546 Plätze besetzen, doch die eigene Vorgabe, sich erst langsam wieder an eine Vollauslastung heranzutasten, gilt weiterhin. Zuletzt waren beim 3:0-Erfolg gegen Dynamo Dresden schon 14.773 Zuschauende im Stadion. Jetzt dürften sich noch einige mehr einfinden. Am Freitagnachmittag waren online jedenfalls keine Karten mehr zu bekommen.