Hamburg. Innenverteidiger James Lawrence nimmt die erfahrenen Spieler in die Pflicht, den Weg aus der Krise zu ebnen.
Das Trainingsspiel des FC St. Pauli neigte sich am Dienstagmorgen dem Ende entgegen, als James Lawrence (28) seinen Gegenspieler Kevin Lankford (22) unsanft mit einer Grätsche von den Beinen holte. Der Waliser schnappte sich den Ball, passte ihn nach vorne und widmete sich anschließend wieder seinem „Opfer“. Ein Handschlag, eine innige Umarmung, und die Entschuldigung wurde von Lankford angenommen. Unmittelbar danach ging Daniel Buballa (30) nach einem rüden Einsteigen von Sebastian Ohlsson (27) mit einem lauten Schrei zu Boden.
So körperbetont ging es schon lange nicht mehr zur Sache. Es scheint, als hätten die Profis vor dem Spiel gegen Eintracht Braunschweig am Sonnabend verstanden, dass der Weg aus dem Tabellenkeller erst mal nur über Arbeit, Kampf und Mentalität führt.
Timo Schultz (43) nahm die harte Zweikampfführung im Training mit Wohlwollen zur Kenntnis. Zuletzt hatte der Coach immer wieder moniert, dass die Mannschaft zu brav und vor allem auch zu leise auf dem Platz agiert.
St.-Pauli-Profi Lawrence: „Wir müssen uns aggressiver coachen“
„Wenn Dinge gut laufen, geht jeder mehr aus sich raus. Wenn die Situation schwieriger ist und jeder mit sich selbst zu tun hat, ist man eher etwas zurückhaltender. Wir müssen uns gegenseitig auf dem Platz aggressiver coachen. Da müssen wir definitiv besser werden“, sagte Lawrence.
Die Ursachenforschung, warum St. Pauli auf Platz 17 liegt und mal wieder in der Zweiten Liga im Krisenmodus ist, läuft auf Hochtouren. Dabei drängt sich vor allem die Frage auf, ob der Kiezclub genügend Führungsspieler hat, die den jungen Spielern helfen, die sportlich schwierige Phase zu meistern.
Wer hat das Zeug zum Führungsspieler?
Kapitän Christopher Avevor fällt nach einer Sprunggelenk-Operation auf unbestimmte Zeit aus; seine Stellvertreter Philipp Ziereis und Marvin Knoll sind alles andere als unumstrittene Stammspieler – mal aus fußballerischen Gründen, mal verletzungsbedingt. Bleiben noch Torhüter Robin Himmelmann und Linksverteidiger Daniel Buballa als einzige Spieler, die konstant auf dem Platz stehen und dabei auch verbal aktiv sind.
St. Paulis Trainer Schultz macht kein Geheimnis daraus, dass er sich eine flache Hierarchie wünscht, in der auch die jungen Spieler früh lernen, was es bedeutet, Verantwortung innerhalb der Gruppe zu übernehmen. Doch gerade die vergangenen Wochen zeigen deutlich, dass Spieler wie Daniel-Kofi Kyereh (24), Maximilian Dittgen (25), Rodrigo Zalazar (21) und Finn Ole Becker (20) noch lange nicht so weit sind, eine solche Rolle in Anspruch zu nehmen.
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Deshalb nimmt Lawrence vor allem die Routiniers in die Pflicht. „Auch wenn es nach außen womöglich nicht so wirkt, bin ich ganz sicher, dass wir genug Führungsspieler im Kader haben“, sagt Lawrence, der an sich selbst den Anspruch stellt, eine der Säulen auf dem Platz und in der Kabine zu sein. „Ich bin jemand, der versucht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Es ist nicht meine Art, öffentlichkeitswirksam jemanden anzuschreien. Ich suche eher in einer ruhigen Minute das Gespräch mit meinen Kollegen“, erklärte der Nationalspieler, der ohnehin nichts von belanglosem Herumbrüllen auf dem Platz hält.
Burgstaller erstmals wieder auf dem Platz
Am Ende des Tages, so beschrieb es der Abwehrspieler, gebe es viele Arten, als Führungsspieler aufzutreten. „Einer hat eher eine starke Persönlichkeit, die er nach außen trägt, ein anderer Charakter führt auf eine ruhige Art und Weise, und wiederum ein anderer Profi ist ein Leader, weil er auf dem Platz anpackt“, sagte Lawrence.
Gute Nachrichten kamen am Dienstag von Guido Burgstaller: Der Stürmer war nach seiner Bauchoperation erstmals wieder mit dem Ball auf dem Trainingsplatz. „Er ist auf einem guten Weg und fühlt sich richtig gut“, sagt Trainer Timo Schultz. Wann der Österreicher wieder ins Mannschaftstraining einsteigen kann, ist unklar.