Wer gedacht hätte, die Schnitzeljagd der Kindergeburtstage wäre out, kennt Geocaching nicht. Durch Internet und GPS ist diese Aktivität auf dem neuesten Stand.
Hamburg. Es geht dem Wochenende zu, und ich liege bei meiner Physiotherapeutin auf der Liege, bin bereit mich zu entspannen und den Stress der letzten Tage hinter mir zu lassen. Schon nach kurzer Zeit setzt die erwartete Entspannung ein, und ich höre nur aus der Ferne, wie sie etwas von sich gibt, was sich wie eine Suche, Dose und einem schweren Versteck anhört.
Die Woche darauf bin ich wieder bei einer Behandlung, und diesmal kommt sie gerade rechtzeitig zur Tür hinein und entschuldigt sich mit den Worten: „Ich hatte gerade Mittagspause und war schnell noch mal in der Stadt, um nach einem Cache zu suchen, den ich letzte Woche nicht heben konnte, weil einfach zu viele Muggels unterwegs waren. Das hat mir einfach keine Ruhe gelassen, und da wollte ich eben schnell noch einmal nachschauen.“ Heben, Cache, Muggels? Also die kenne ich nur aus Harry Potter, aber im realen Leben spielen die doch keine Rolle, oder? Ich lasse mir nichts anmerken und nicke nur eifrig mit dem Kopf.
Zu Hause gehen mir diese Worte nicht aus dem Kopf, und ich erzähle sofort meiner Mutter davon, die nur müde aufblickt und sagt: „Ja, hat sie dir noch nicht davon erzählt? Geocaching, ihr neustes Hobby. Letztes Wochenende war sie mit ihren Hunden unterwegs, und ihr GPS fiel aus. Das muss sie sich jetzt schnell reparieren lassen, da sie bald nach Portugal will und sich schon einige Koordinaten rausgesucht hat.“
Geocaching, GPS, Koordinaten? Es kann doch nicht angehen, dass meine Mutter mit so neumodischen Wörtern um sich wirft, die mir nicht wirklich etwas sagen. Also gleich mal das Internet angeworfen - und siehe da, auch das spielt beim Geocaching eine große Rolle. Beim Geocaching handelt es sich nämlich um das, was man allgemein als Schatzsuche beschreibt oder aber auch aus Kindergartenzeiten unter dem Wort Schnitzeljagd kennt.
Ich bin wohl ein Muggel
Schatzsuche, Schnitzeljagd? Ha, jeder Geocacher würde nach diesem Absatz laut auflachen und nach einem kurzen Schmunzeln mich mit den abfälligen Worten: „Ja, ja, Muggels, kann man halt nichts machen“ abtun. Aber auch hier bin ich schlauer geworden. Bei einem Muggel handelt es sich, wie bei Harry Potter auch, um einen Menschen, wie mich, der keine Ahnung hat vom Geocaching, der den Geocachern bei ihrer Suche nur im Weg steht und womöglich noch den Cache danach findet und behält.
Wo wir schon beim springenden Punkt angekommen wären, dem Cache. Der Cache ist ein kleiner Behälter, beispielsweise eine Dose, die irgendwo versteckt wird und dann von anderen Geocachern gesucht werden kann. In diesen Behältern befinden sich neben dem Logbuch viele kleine nette Dinge. Findet man so ein Döschen, darf man sich etwas herausnehmen, sich in das Logbuch eintragen, etwas kleines wieder hinein legen und den Cache wieder an seinem Ursprungsplatz verstecken.
Wo steckt denn nun der Reiz, sich auf die Suche nach kleinen Döschen, Entschuldigung, dem Cache zu begeben? Und wie finde ich denn überhaupt welche? An dieser Stelle kommen das Internet und GPS-System ins Spiel. Das GPS steht für Global Positioning System oder aber, für alle nicht Technik-Freaks: ein von den US-Amerikanern entwickeltes Navigationssystem, das mit Hilfe von Satelliten in der Lage ist, Orte zu lokalisieren und zu finden.
So weit, so gut. Eine Woche später habe ich erneut einen Termin bei meiner Physiotherapeutin und muss jetzt mal genauer nachfragen, wie das so abläuft mit dem Geocaching. „Ganz einfach“, sagt sie „du suchst dir im Internet auf einer Seite für Geocacher die Koordinaten eines Caches raus und gibst sie in dein GPS-Gerät ein. Das zeigt dir dann an, wo du suchen musst.“ Und das soll Spaß bringen? Hinfahren, heben (man merkt schon, ich habe mich der Fachsprache angepasst), ins Logbuch eintragen - und das war es dann? „Nein, ganz so einfach ist es nicht unbedingt“, antwortet meine Physio. „Es gibt natürlich welche, wo man am Ende einfach einen schönen Platz erreicht, oder durch eine Stadt von einer Sehenswürdigkeit zur anderen läuft. Oftmals muss man erst noch ein Rätsel lösen, bevor man die Koordinaten raus bekommt. Außerdem gibt es welche, die erreicht man erst, wenn man durch unwegsames Gelände wandert oder auf Berge geklettert ist.“
So langsam beginne ich den ganzen Spaß zu begreifen. Man ist draußen, man bewegt sich, es gibt für jede Geschmacksrichtung etwas, man lernt spannende Dinge und neue Plätze kennen und kann sich über seine Erfolge im Internet mit anderen Begeisterten austauschen.
Staunend verlasse ich die Praxis, um mich zu Hause erneut durch die einschlägigen Seiten zu kämpfen. Und wer weiß, vielleicht findet ja mittlerweile jemand meinen Namen im Logbuch mit den folgenden Koordinaten: N 53° 34.096' E 009° 58.479 , denn den werde ich jetzt mal suchen gehen.