Schon jetzt steht fest: Erstmals schlägt ein Serbe im Endspiel in Hamburg auf. Die Turnierbotschafterin über die Halbfinalisten.

Als Turnierbotschafterin sollte Andrea Petkovic für die Hamburg European Open werben, doch am Freitag war klar, dass die 33 Jahre alte Darmstädterin auch als Glücksbringerin eine wichtige Rolle spielt. Die in Bosnien geborene Weltranglisten-130. freute sich jedenfalls sehr, dass mit Laslo Djere und Filip Krajinovic zwei Landsmänner ihres serbischen Vaters Zoran das Halbfinale erreichten.

Niemals in der Geschichte des Herrentennis am Rothenbaum hat es das gegeben. Und weil sich beide im Halbfinale duellieren, wird im Finale am Sonntag (13.30 Uhr/ServusTV) erstmals in Hamburg auch Serbisch gesprochen. Letzter Finalteilnehmer aus dem ehemaligen Jugoslawien war 1995 der Kroate Goran Ivanisevic, der das Endspiel gegen den Ukrainer Andrej Medwedew verlor.

Serbe gegen Serbe: Laslo Djere spielt gegen Filip Krajinovic

Laslo Djere freute sich nach seinem ersten Halbfinaleinzug am Rothenbaum vor allem darüber, dass er Kraft für das Finalwochenende sparen konnte. Lediglich 63 Minuten benötigte der 26 Jahre alte Weltranglisten-59., um den an Position drei gesetzten Nikolos Bassilaschwili (29/Nr. 29) mit 6:2 und 6:2 vom Platz zu schießen. Bassilaschwili ist am Rothenbaum wahrlich kein Unbekannter, 2018 und 2019 konnte der in Deutschland trainierende Georgier an der Hallerstraße den Siegerpokal in die Luft stemmen. „Ich war vom ersten bis zum letzten Ball total fokussiert“, sagte Djere, „jetzt werde ich gut regenerieren und mit viel Energie ins Halbfinale gehen.“

Die wird er auch brauchen, denn seine Aufgabe im ersten Teil der Vorschlussrunde am Sonnabend (13.30 Uhr/ServusTV) ist eine besondere. Mit Filip Krajinovic (29/Nr. 44) wartet nicht nur ein befreundeter Landsmann, sondern auch der Bezwinger des Topgesetzten. 1:59 Stunden brauchte Krajinovic am Freitagnachmittag, um den griechischen French-Open-Finalisten Stefanos Tsitsipas (22/Nr. 4) mit 3:6, 6:1, 6:3 aus dem Titelrennen zu befördern. „Für mich ist das einer der größten Siege meiner Karriere“, sagte der glückliche Sieger.

Wer gewinnt das serbische Duell? Petkovic will sich nicht festlegen

Andrea Petkovic wollte sich auf einen Sieger des serbischen Duells nicht festlegen. „Es kann ein Supermatch werden, aber auch die totale Katastrophe“, sagte sie in ihrer Exklusivanalyse für das Abendblatt. „Laslo ist ein absoluter Sandplatzspezialist, der eine sehr solide Rückhand spielt und den Court mit seinem sehr starken Kick-Aufschlag gut öffnet. Was mir bei ihm imponiert, ist seine Fähigkeit, sein Niveau über das gesamte Match zu halten. Er ist ein sehr ruhiger, geradliniger Mensch, und genauso spielt er auch Tennis.“

Lesen Sie auch:

Laslo Djere, der es in der Juniorenweltrangliste einst bis auf Position drei geschafft hatte, konnte auf der ATP-Tour bislang zwei Titel gewinnen, beide auf Sand, den letzten 2020 auf Sardinien. Den ersten im Jahr 2019 in Rio de Janeiro widmete der Rechtshänder, der mit seinem geduldigen Grundlinienspiel bisweilen wie eine fleischgewordene Ballmaschine wirkt, seinen Eltern Caba und Hajnalka, die beide an Dickdarmkrebs verstarben. Mutter Hajnalka im Sommer 2012, Vater Caba im Dezember 2018.

Petkovic bescheinigt Krajinovic "Top-20-Potenzial"

Gegen Krajinovic hat Djere die bisherigen beiden Duelle auf der ATP-Tour verloren, dabei 2019 bei seinem ersten Auftritt am Rothenbaum in der Auftaktrunde. „Wir kennen einander sehr gut, haben unzählige Male zusammen trainiert. Es wird ein extrem hartes Match werden“, sagte Djere. Krajinovic, der zum dritten Mal in Hamburg aufschlägt, aber noch nicht über das Viertelfinale hinausgekommen war, wartet noch auf seinen ersten Titel auf der ATP-Tour. Langwierige Verletzungen an der Schulter und am Handgelenk warfen ihn mehrfach in seiner Entwicklung zurück.

„Für mich ist es eine große Überraschung, dass er noch ohne Titel ist, denn er hat zweifellos Top-20-Potenzial“, sagte Andrea Petkovic. „Sein großes Manko ist, dass er Probleme mit dem Reisen hat und deshalb oft in Europa bleibt und außerhalb kaum Punkte erspielt. Filip ist ein wahnsinnig ausdauernder Athlet, ihm fehlt gegen die Topleute aber manchmal die Explosivität, was daran liegen könnte, dass er erst in diesem Jahr damit begonnen hat, ernsthaft Krafttraining zu machen.“

Warum der Schatten von Novak Djokovics auch Vorteile hat

Dass die beiden Hamburg-Halbfinaldebütanten in ihrer Heimat im Schatten Novak Djokovics stehen, ist nicht immer leicht, bringe aber, so Djere, vorrangig Vorteile. Der 34 Jahre alte Weltranglistenerste, der mit seinem Wimbledon-Triumph am vergangenen Sonntag zu den Grand-Slam-Rekordsiegern Rafael Nadal und Roger Federer aufgeschlossen hatte, sei ein wertvoller Ratgeber und habe dem Tennis in Serbien zu Weltruhm verholfen.

„Leider interessiert sich für unsere Erfolge kaum jemand in Serbien“, sagte Krajinovic, „aber wir alle gönnen Novak den Erfolg, wir lieben ihn wie einen Bruder und pushen uns gegenseitig über unsere Limits, weil wir durch ihn sehen, was möglich ist.“

Auf welchen Turniersieger Andrea Petkovic setzt

Dass in Hamburg der Titel möglich ist für einen von ihnen, glaubt Andrea Petkovic nicht. Ihr Favorit ist der Spanier Pablo Carreno Busta (30), der im Viertelfinale den dritten Serben Dusan Lajovic (31/Nr. 43) nach 1:35 Stunden Spielzeit mit 7:6 (7:4), 6:3 bezwang. Der an Position zwei gesetzte Weltranglisten-13. steht bei seinem vierten Hamburg-Besuch zum zweiten Mal nach 2019 im Halbfinale. „Er ist ein außergewöhnlicher Spanier, weil er nicht Sand-, sondern Hartplatz als seinen Lieblingsbelag angibt und das mit dem zweimaligen Halbfinaleinzug bei den US Open auch bewiesen hat. Seine beidhändige Rückhand ist sein bester Schlag, er nimmt sie sehr früh und spielt sie gern longline. Ich sehe ihn gern spielen“, sagte Petkovic.

Ein Triumph in Hamburg wäre der sechste Karrieretitel für den Rechtshänder, der am Freitag vor allem glücklich war, nach einem 0:4-Rückstand im ersten Satz hartnäckig geblieben zu sein. „Ich habe danach mit mehr Spin gespielt und alles gegeben“, sagte er. Nächster Gegner ist der Argentinier Federico Delbonis (30/Nr. 48), der 2013 am Rothenbaum das Finale gegen den Italiener Fabio Fognini verlor und am Freitagabend den Franzosen Benoit Paire (32/Nr. 51) nach 2:19 Stunden und der Abwehr von vier Matchbällen 4:6, 7:6 (11:9), 6:4 niederrang.

„Delbonis spielt im positiven Sinn langweilig, er ist unglaublich solide, macht nie etwas Dummes“, sagte Petkovic. „Das Spektakulärste ist seine Aufschlagbewegung, die er wie eine Maschine immer gleich abspult. So hoch, wie er den Ball wirft, würde ich gern sehen, was er bei Wind macht.“ Für Sonnabend ist windstilles Sommerwetter angesagt.