Olympiasieger Brink zieht den Hut vor HSV-Duo: Auf der Tribüne fieberten Dietmar Beiersdorfer und Innensenator Andy Grote mit.
Rio de Janeiro. Als es vollbracht war, standen Laura Ludwig (30) und Kira Walkenhorst (25) eine halbe Minute lang eng umschlungen auf dem Court, ehe sie die Tränen der Freude übermannten. Mit 21:18, 21:14 hatten die Europameisterinnen aus Hamburg im olympischen Finale Brasiliens Weltmeisterduo Agatha Bednarczuk Rippel (33) und Barbara Seixas de Freitas (29) in 42 Spielminuten in den Sand der weltberühmten Copacabana gezwungen.
„Das ist so unwirklich. Ich kann es gar nicht fassen. Das ist genial, das i-Tüpfelchen, einfach unglaublich“, sagte eine völlig aufgelöste Ludwig und Walkenhorst fügte hinzu: „Wir haben uns so gut gefühlt. Wir waren überrascht, dass es windig ist, aber wir haben uns so fokussiert.“
Party bis zum Morgengrauen
Die Beach-Königinnen der Copacabana begossen ihren Triumph stilecht. In einer goldenen Party-Nacht, die einfach kein Ende nehmen wollte, stießen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst in Rio immer wieder überglücklich mit dem brasilianischen Nationalgetränk Caipirinha an – und bewiesen ihre Textsicherheit bei deutscher Schlagermusik.
Doch selbst als die Sonne über der Millionen-Stadt schon wieder aufging, konnte das Erfolgsduo sein Glück noch nicht fassen. "Ey, Olympiasieger! Das ist unwirklich, unglaublich – einfach unbeschreiblich", sagte Ludwig und dachte mit leuchtenden Augen zurück an die Siegerehrung: "Ich hatte Gänsehaut."
Es war im seit 1996 olympischen Beachvolleyball nicht nur der erste Olympiasieg eines deutschen Frauenduos, sondern sogar die erste Medaille. Bei den Herren hatten Jörg Ahmann/Axel Hager 2000 in Sydney Bronze und Julius Brink/Jonas Reckermann 2012 in London Gold gewonnen – letztere mit Jürgen Wagner als Coach, der nun auch Ludwig/Walkenhorst zum Olympiatriumph führte, dem ersten für Hamburg bei diesen Sommerspielen.
Julius Brink huldigt HSV-Duo
„Ich freue mich sehr, was die Mädchen umgesetzt haben, dass sie diese vier Jahre Arbeit mit immer mehr Elementen so auf den Punkt gebracht haben“, sagte Wagner. Ludwig ergänzte: "Als Julius (Brink) und Jonas (Reckermann) Gold gewonnen haben, saß ich in London auf der Tribüne und war sprachlos. Ich habe aber auch gedacht, die können das, ich will auch."
Brink revanchierte sich umgehend und prophezeit den frisch gekürten Olympiasiegerinnen eine rosige Zukunft. "Sie können das Beachvolleyball über Jahre prägen. An ihrem Spiel werden sich viele Teams ausrichten und orientieren, sie werden das Leitbild sein", sagte der 34-Jährige. "Vor allem die brutale Konstanz hier in Rio hat mich umgehauen. Gerade ab dem Halbfinale, als die großen fetten Spiele kamen, da nochmal so eine Schippe draufzulegen, das war eine Demonstration."
Beiersdorfer und Grote auf der Tribüne
Das Finale vor 12.000 Zuschauern in der ausverkauften Stahlrohrarena am Atlantik – auf dem Schwarzmarkt wurden Tickets für 350 Euro gehandelt – war eine weitere Demonstration der Stärke der für den HSV antretenden Hamburgerinnen. Auf der Tribüne schauten HSV-Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer und Hamburgs Sport- und Innensenator Andy Grote zu. Grote, Sportstaatsrat Christoph Holstein und Olympiastützpunkt-Leiterin Ingrid Unkelbach schwenkten eine Deutschlandfahne. Ludwig/Walkenhorst, die Anfang Juni bereits das Finale des Grand-Slam-Turniers am Rothenbaum gegen Agatha/Barbara gewonnen hatten, machten kaum Fehler. Walkenhorst bestach einmal mehr mit ihrer fast unüberwindbaren Blockabwehr, Ludwig überzeugte in Abwehr und Angriff mit ihrer überragenden Feldübersicht.
Beim Stand von 16:13 hatten sie sich im ersten Satz das erste Dreipunkte-Polster erspielt und brachten den Durchgang dann nach 21 Minuten mit dem zweiten Satzball ins Ziel. Im zweiten Satz führten die Deutschen schnell mit 6:1 und spielten sich in den Rausch, der sie schon durch das gesamte Turnier getragen hatte. Über 13:8 und 19:13 zogen sie davon und nutzten schließlich um 5.41 Ortszeit den zweiten Matchball.
„Umso größer der Druck wurde, desto besser haben wir gespielt“, sagte Walkenhorst zur Turnierleistung. Wagner brachte der schon erfahrenen Ludwig und „Frischling“ Wagenhorst neben Athletik, Technik und Taktik auch Geduld bei: „Am Anfang sind sie auf den Platz gegangen und wollten sofort alles einreißen.“ Wagners Plan ging auf. „Ich habe zu Jürgen gesagt, es ist echt unheimlich, dass du alles so weißt“, verriet Laura Ludwig und jubelte: „Ich dachte nicht, dass wir bei Olympischen Spielen so geil spielen können. Kira hat das erste Mal bei Olympia gespielt, das muss man erst mal so hinkriegen“, bemerkte die Abwehrspielerin.
Im Verlauf der K.-o.-Runde hatten die in Berlin geborene Ludwig und die gebürtige Essenerin Walkenhorst keinen Satz abgegeben, nachdem sie die Vorrunde mit drei Siegen beendet hatten. Für die Weltranglistenersten war es in diesem Jahr bereits der sechste Finaltriumph nach vier Grand-Slam-Titeln und dem EM-Sieg. Die Bronzemedaille sicherte sich die US-Amerikanerin Kerri Walsh Jennings, die mit Misty May-Treanor zuletzt dreimal in Folge Gold geholt hatte, mit ihrer neuen Partnerin April Ross durch ein 17:21, 21:17, 15:9 gegen die Brasilianerinnen Larissa/Talita, die im Halbfinale an Ludwig/Walkenhorst gescheitert waren.
Ludwig ist erfolgreichste Beachvolleyballerin
Die beiden Hamburgerinnen ergänzen sich auch mental perfekt auf dem Platz: Walkenhorst zeichnet vor allem ein brutaler Ehrgeiz aus, Ludwig die positive Energie und Einstellung. Ludwig, die mit ihrer früheren Partnerin Sara Goller schon viermal nationale Meisterin und zweimal Europameisterin war, ist nun mit Abstand die erfolgreichste deutsche Beachvolleyballerin. Mit Walkenhorst kamen zwei nationale Titel und zwei EM-Erfolge und nun als Krönung der Olympiasieg dazu.