Bisher gibt es in Rio kaum Olympia-Begeisterung. Drohen sogar Proteste während der Spiele? Beim Fackellauf muss die Polizei eingreifen.
Rio de Janeiro. Beim olympischen Fackellauf ist es im Bundesstaat Rio de Janeiro zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei setzte Tränengas, Pfefferspray und Gummigeschosse in Duque de Caixas ein, rund 20 Kilometer von der Olympia-Stadt Rio de Janeiro entfernt. Demonstranten hatten mit Steinen geworfen. Ein zehn Jahre altes Mädchen sei durch ein Gummigeschoss verletzt und in ein Krankenhaus gebracht worden, berichtete das Portal „O Globo“.
Laut Polizei waren unter den Demonstranten Studenten und Professoren, die gegen die schlechte Bildungssituation protestierten - wegen ausstehender Gehälter war an einigen Universitäten zuletzt kaum noch ein regulärer Betrieb möglich. Am Donnerstag sollte die Fackel dann zum Endspurt im Zentrum Rios eintreffen und nach Copacabana getragen werden, am Freitag macht sie an der Christus-Statue und am Zuckerhut Station. Bisher kam es nur zu vereinzelten Protesten gegen die rund 10,5 Milliarden Euro teuren Olympischen Spiele. In Angra dos Reis, 170 Kilometer westlich von Rio de Janeiro, erlosch die Flamme dabei kurzzeitig.
Bei dem Protest am Mittwoch seien auch „Temer raus“-Rufe zu hören gewesen - Brasiliens Interimspräsident Michel Temer wird von linken Gruppen vorgeworfen, Bündnisse mit der bisherigen Opposition im Kongress geschmiedet zu haben, um Mehrheiten für die Amtsenthebung der Präsidentin Dilma Rousseff zu erreichen. Rousseff spricht von einem „Putsch“. Sie wurde im Mai suspendiert, damit Vorwürfe gegen sie, wie zum Beispiel Trickserien zur Verschleierung der realen Defizithöhe, juristisch geprüft werden können. Daher wird ihr bisheriger Vize Temer auch die Olympischen Spiele am Freitagabend im Maracanã-Stadion eröffnen. Dort wird er erstmals auch viele andere Staats- und Regierungschefs treffen.
Brasilien ist gespalten
Laut Medienberichten soll direkt nach Temers Ansprache Musik eingespielt werden, um mögliche Pfiffe im Stadion zu übertönen. Schon kurz nach Olympia könnte Rousseff mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit vom Senat endgültig des Amtes enthoben werden, Temer bliebe Präsident.
Brasilien ist durch die politische Krise tief gespalten. Rousseff rechnete kurz vor der Eröffnung mit ihrem langjährigen Vize und wichtigsten Koalitionspartner ab. „Stell dir vor, Du gibst eine Party. Du arbeitest mehrere Jahre dafür, bereitest alles vor, organisierst die Beleuchtung, bestellst die Presse. Und am Tag, an dem Party beginnt, kommt jemand an deiner Stelle und reißt die Party an sich“, sagte sie der Zeitung „El Mundo“. „In der Geschichte dieser Spiele bin ich das Aschenputtel.“ Die Politikerin von der linken Arbeiterpartei bezeichnete Temer als „Verräter und Usurpator“.
Temer hat eine Mitte-Rechts-Übergangsregierung gebildet, die im Falle von Rousseffs Absetzung dann bis Ende 2018 weitermachen könnte. Der 75 Jahre alte Jurist würde dann auch als neuer Präsident des fünftgrößten Landes der Welt Anfang September zum G20-Gipfel nach China reisen.