Hamburg. Die Ex-Meister HSV und Schalke 04 haben einen langen Abstieg hinter sich. Beim Revierclub liegt alles im Argen. Zahlen und Fakten.

Es gibt eine aktuelle Tabelle, in der der HSV und der FC Schalke 04 unter den drei besten Clubs Deutschlands liegen. Mit durchschnittlich 7450 Auswärtsfans liegen die S04-Anhänger laut der Seite fussballmafia.de auf Platz eins. Dahinter folgen der 1. FC Köln (7140) und der HSV (6283). Zum Vergleich: Bundesligist Borussia Dortmund kommt „nur“ auf eine Zahl von 4340. Zur Einordnung muss man erwähnen, dass Schalke und der HSV von ihren Spielen in Hannover profitieren, bei denen die Webseite 17.000 (Schalke) sowie 15.000 Auswärtsfans zählte. Die genaue Zahl kennt keiner, da offiziell nur 4900 Gästefans in Hannover dabei sein dürfen.

Trotzdem verdeutlicht diese Tabelle, dass die Fans der beiden Traditionsclubs ihre Mannschaften durch die schwersten Zeiten begleiten. Mit den drei oberen Plätzen der Bundesliga haben die beiden Ex-Meister aktuell so viel zu tun wie die deutschen Teilnehmer in den vergangenen zehn Jahren beim Euro­vision Song Contest: nichts.

Im Jahr 2024 würde man aber nicht mal dem Stefan Raab der 2000er zutrauen, Schalke oder den HSV zurück in die deutsche Bundesligaspitze zu führen. Es gibt keine Clubs im deutschen Fußball, bei denen Anspruch und Wirklichkeit so stark auseinanderliegen wie bei den Hamburgern und den Gelsenkirchenern, die am Sonnabend (20.30 Uhr) im Volksparkstadion aufeinandertreffen.

Bei Schalke wackelt bereits der zweite Trainer

Im Vergleich zur aktuellen Lage auf Schalke können sich die HSV-Fans sogar noch glücklich schätzen. Beobachter, die am Sonnabend die Schalker Mitgliederversammlung besucht hatten, kamen nur zu einem Fazit: alles kaputt. Der Vizemeister von 2018 kämpft in der Zweiten Liga zum zweiten Mal in Folge gegen den Abstieg. Mit dem Niederländer Kees van Wonderen wackelt bereits der zweite Trainer, obwohl dieser erst im Oktober als Nachfolger seines Landsmanns Karel Geraerts installiert wurde.

Schalke hat zudem eine hausgemachte Führungskrise. Ben Manga wurde im Sommer als Direktor für Kaderplanung von Vorstandschef Matthias Tillmann verpflichtet und mit aller Macht ausgestattet. Manga brachte zehn Scouts und einen neuen Nachwuchschef mit, kaufte zahlreiche Talente, die Schalke künftig durch hohe Erlöse entschulden sollen. Doch von den hoffnungsvollen Einkäufen um Felipe Sanchez (20), Emil Hojlund (19), Martin Wasinski (20) oder Mauro Zalazar (19) spielt keiner. Weil zudem Mangas Außendarstellung kritisiert wird, machte Schalke Aufsichtsrat und Vereinslegende Youri Mulder bis auf Weiteres zum Sportdirektor. Der frühere Stürmer soll sich vor allem um die externe Kommunikation kümmern.

Schalke seit Stevens ohne Holland-Glück

Der vorherige Sportdirektor Marc Wilmots musste nach einem Machtkampf mit Manga gehen. Nur neun Monate nach seinem Amtsantritt. Wilmots (55) und Mulder (55) gehören zu den legendären „Eurofightern“, die 1997 unter Trainer Huub Stevens (70) den Uefa-Pokal gewannen. Doch seit der Zeit von Stevens hat Schalke das Glück mit seinen Holländern verlassen.

Dass Schalke nun in der Zweiten Liga gegen seinen anderen Ex-Club Hamburg spielt, beschäftigt Stevens. „Das macht mich traurig. Auch wenn es super für die Zweite Liga ist, würde ich sie einfach viel lieber in der Bundesliga sehen“, sagte Stevens der „Mopo“. In der „Bild“ ließ sich der „Knurrer von Kerk­rade“ sogar zu der Formulierung „Krisenknaller“ hinreißen.

Eine Zahl des Irrsinns verdeutlicht, was insbesondere auf Schalke seit der Stevens-Zeit schiefgelaufen ist: In den vergangen vier Jahren hat Schalke atemberaubende zehn Trainer verschlissen, Interimslösungen nicht einberechnet. Beim HSV waren es im selben Zeitraum nur drei.

Baumgart beim HSV unter Druck

Verglichen mit dem Chaosclub aus Gelsenkirchen könnte man den HSV aktuell als seriöses Vorzeigeunternehmen bezeichnen. Die Finanzen sind nach dem dritten Millionenplus in Folge so gut geordnet wie seit Jahren nicht. In der Tabelle liegt der HSV nur drei Punkte hinter Tabellenführer Hannover. Und trotzdem hinken die Hamburger nach dem Transferangriff im Sommer ihren eigenen Erwartungen hinterher. Nach dem 1:3-Debakel zuletzt in Braunschweig steht Steffen Baumgart unter Druck. Über die Zukunft des Trainers wurde bereits diskutiert. „Das ärgert mich und macht etwas mit mir“, gab der 52-Jährige unlängst zu.

Gemessen am wirtschaftlichen Aufwand enttäuschen sowohl Schalke als auch der HSV. Der Revierclub gibt trotz Verbindlichkeiten von 160 Millionen Euro rund 20 Millionen Euro für seinen Kader aus. Die Hamburger liegen knapp darüber. Allerdings sind die Investitionen bei Schalke an Bedingungen geknüpft. Der Verein muss bis zum 31. Dezember sein negatives Eigenkapital von 103 Millionen Euro um fünf Prozent senken, um einen Dreipunkte-Abzug in der kommenden Saison zu verhindern. Das entspricht rund fünf Millionen Euro. Durch den Verkauf von Toptalent Assan Ouédraogo (18) im Sommer an RB Leipzig für rund zehn Millionen Euro wird S04 das gelingen.

Schalke plant Modell nach Vorbild des FC St. Pauli

Um sich langfristig aus der Finanzkrise zu befreien, plant Schalke im Januar nach dem Vorbild des FC St. Pauli Anteile in Form eines Genossenschaftsmodells an die Fans zu verkaufen. Dadurch will Schalke 50 Millionen einnehmen.

Dem HSV dagegen ist der wirtschaftliche Turnaround gelungen. Nun gilt es für die Hamburger, auch sportlich endlich mal die Ziele zu erreichen. Damit der Club auch in der sportlichen Tabelle irgendwann wieder ganz oben dabei ist.