Hamburg. „Musik lenkt uns vom Profistress ab“: Was Aaron Opoku, Christian Conteh, Derrick Köhn und Hiswill Awuah ins Tonstudio treibt.
Rund um Weihnachten konnte die Band endlich wieder zusammenkommen. Die Fußball-Proficlubs gaben ihren Spielern ein paar Tage frei, die American-Football-Saison in Europa ist ohnehin bereits beendet. „Dass wir alle zusammen ins Musikstudio gehen, ist zeitlich schwer – außer in der Sommer- oder Winterpause“, sagt Christian Conteh. Der 23 Jahre alte Fußballprofi verdient sein Geld normalerweise in der 3. Liga, wo er zurzeit als Leihspieler von Feyenoord Rotterdam bei Dynamo Dresden unter Vertrag steht.
Wenn es der Trainings- und Spielplan zulässt, macht der frühere Flügelspieler des FC St. Pauli aber mit seinen Freunden Musik. „Broskeez“ heißt die Gruppe, die Conteh mit den Fußball-Zweitligaprofis Aaron Opoku (1. FC Kaiserslautern) und Derrick Köhn (Hannover 96) sowie Football-Spieler Hiswill Awuah (Hamburg Sea Devils) im Herbst gegründet hat. „Bros“ bedeutet übersetzt „Brüder“, der Zusatz „skeez“ ist ein Slang-Begriff.
Broskeez: Opoku und Köhn kennen sich vom HSV
„Zwei gute Kindheitsfreunde von uns arbeiten in der Musikbranche. Wir sind dann im Sommer einfach mal alle zusammen in deren Studio gegangen, weil gerade alle in Hamburg waren“, erzählt Awuah, der neben der Hip-Hop-, RnB- und Afro-Musik am liebsten gegnerische Football-Spieler auf dem Feld zu Boden reißt.
Kennengelernt haben sich die vier Freunde schon in der Kindheit. Awuah und 96-Profi Köhn haben damals nur wenige Meter voneinander entfernt in Jenfeld gewohnt, sich mit acht Jahren angefreundet. 2013 traf Köhn in der U 15 des HSV dann auf Opoku. Auch Conteh, der in der Jugend zwar für den SC Concordia, SC Victoria und FC St. Pauli spielte, aber ebenfalls im Hamburger Osten aufwuchs, gehörte früh zur Freundesgruppe dazu.
Opoku, Köhn und Awuah spielen auch Instrumente
„Wir sind alle in afrikanischen Kirchen groß geworden. Da hat Musik schon immer eine große Rolle gespielt“, sagt Awuah. Der 130 Kilogramm schwere Nose Tackle der Sea Devils lernte als Kind Klavierspielen, Opoku spielte in seiner Jugend Schlagzeug.
„Wir haben schon früher immer aus Spaß zusammen gefreestyled. Unsere Freunde aus dem Studio meinten dann, dass wir es einmal richtig mit professionellen Beats und Mikrofonen versuchen sollten“, sagt Awuah, der wie Köhn („Commando“) zuvor bereits als Solo-Künstler einen Song („Latifa“) herausgebracht hatte.
Broskeez schreiben die Songtexte über WhatsApp
In der Fußball-Länderspielpause im Herbst traf sich die Gruppe im Studio, nahm innerhalb von vier Tagen die ersten Songs auf. Die Texte entstanden zuvor in ihrer WhatsApp-Gruppe.
Die Beats bekommen die Freunde von ihren zwei Produzenten. Einer von ihnen, „Asante Jr.“, produziert unter anderem die Songs des bekannten Deutschrappers „Kalim“, der aus Billstedt stammt. Die Debüt-Single „WeBroskeez“ erschien am 18. November, rund 15 weitere Songs haben die Broskeez bereits vorproduziert. Der erste Song wurde bereits über 20.000 Mal geklickt – ein Wert, der ihre Erwartungen übertroffen hat. „Wir wollen aber nicht auf die Zahlen gucken“, sagt Awuah.
Wie die Vereine auf das Broskeez-Projekt reagieren
Die Sportkarrieren zu beenden und sich auf die Musik zu konzentrieren, sei allerdings keine Option, versichern sie. „Die Musik wird unser Hobby bleiben. Wir haben Spaß daran – das ist, was für uns zählt. Fußball beziehungsweise Football wird die größte Leidenschaft in unserem Leben bleiben“, sagt Opoku, der im August vom HSV nach Kaiserslautern gewechselt war.
„Abseits des Sports haben wir das Privileg, dass wir mehr Freizeit im Vergleich zu Berufstätigen haben. Wir nutzen meistens die Zeit, indem wir Musik produzieren. Das bringt uns einfach Spaß und lenkt uns auch ein bisschen vom Profistress ab“, sagt Awuah. „Viele würden in ihrer Freizeit vielleicht vor der Playstation sitzen. Wir gehen lieber ins Studio und machen Musik.“
Ihre Vereine stören sich nicht an der Freizeitbeschäftigung. Nur bei Neuveröffentlichungen muss die Gruppe ein gutes Gespür für den richtigen Zeitpunkt haben. Mitten im Abstiegskampf ein neues Album zu präsentieren, käme bei den Fans vermutlich nicht besonders gut an.
Hiswill Awuah hat auch einen eigenen Podcast
Die Gründe, wieso es alle vier Freunde in den Profisport geschafft habe, sind laut eigener Aussage vielfältig. „Es war nicht nur Gottes Glück, sondern auch viel harte Arbeit, dass wir es alle bis in den Profisport geschafft haben. Unsere größeren Brüder sagen uns immer, dass unsere Generation echt gesegnet ist und wir das nutzen sollen“, sagt Awuah, der nebenbei noch den Sport-Podcast „Athletes Room“ moderiert.
Neben Köhn, Opoku und Conteh waren dort bereits weitere Profisportler zu Gast, die zu seiner Freundesgruppe zählen. Am bekanntesten sind der Holstein-Kiel-Stürmer Kwasi Okyere Wriedt und der frühere Schalke-Profi Kilian Ludewig (jetzt Aalborg BK/Dänemark). Auch Zweitligaprofi Patric Pfeiffer (Darmstadt 98/ehemals HSV) und der frühere VfL-Wolfsburg-Akteur John Yeboah (jetzt Slask Breslau/Polen) sind mit Awuah befreundet.
Befreundete Fußballer helfen bei der Promo
„Mich fragen oft Leute, warum ich mit so vielen Fußballprofis befreundet bin. Ich sehe das aber gar nicht so, für mich sind das einfach nur meine Jungs“, sagt der 22-Jährige und lacht. Obwohl seine Bandmitglieder ihr Geld in anderen Städten verdienen, versucht Awuah, den Kontakt zu allen zu halten. Bei fast allen Heimspielen von Köhn ist er in Hannover vor Ort, auch als Opoku mit Kaiserslautern Anfang Oktober beim HSV gastierte, war Awuah im Stadion.
Werbung machen die Broskeez vor allem auf Instagram, wo sie die großen Reichweiten ihrer privaten Profile nutzen können. Zusammen kommen sie dort auf mehr als 50.000 Follower. Weitere Verbreitung erfährt die Gruppe durch ihre prominenten Mitspieler, die gelegentlich ebenfalls Song-Ankündigungen posten.
Broskeez-Songs laufen bei Hannover 96
In die Kabinen der Proficlubs hat es ihre Musik bereits geschafft. „Bei den Sea Devils und bei Hannover 96 laufen unsere eigenen Songs vor den Spielen immer in der Kabine. Auch aus Kaiserslautern und Dresden bekommen die Jungs richtig positive Rückmeldungen. Deshalb machen wir auch weiter“, sagt Awuah, der wie Köhn Kabinen-DJ seines Teams ist.
Mit ihrer Leidenschaft für Musik sind die vier Profis derweil nicht alleine. Hansa Rostocks Anderson Lucoqui performte kurz vor Heiligabend beim Weihnachtssingen im Rostocker Ostseestadion vor 12.000 Fans seinen Song „Family“, Kevin-Prince Boateng (Hertha BSC) versuchte sich im Jahr 2018 unter dem Pseudonym „PRIN$$ Boateng“ als Rapper, auch David Alaba (Real Madrid) veröffentlichte im gleichen Jahr den Song „Sag meinen Namen“. Spitzensport und Musik scheinen sich also nicht auszuschließen – nur zeitlich kann es manchmal eng werden.