Hamburg. Terodde trifft beim schmeichelhaften Sieg gegen Sandhausen doppelt – und der HSV wird mit der Tabellenführung belohnt.
Die dritte Halbzeit war gerade abgelaufen, als Daniel Thioune am Dienstagabend im Presseraum des Volksparkstadions Platz nahm. Der 4:0-Sieg seines HSV gegen den SV Sandhausen war gute 45 Minuten zuvor abgepfiffen worden – doch dem HSV-Trainer war die Erleichterung trotz des mutmaßlichen Kantersiegs noch immer anzumerken.
„Ein Sieg, der uns guttut. Aber dass man attraktiver spielen kann, ist klar“, räumte der Fußballlehrer ein, ehe er den Matchplan in nur einem Satz erläuterte: „Heute wollten wir unser Tor sichern, und das haben wir getan.“
HSV: Viel Taktik, wenig Fußball
Wie so oft in dieser Saison hatte sich Trainer Thioune zuvor auch gegen Abstiegskandidat Sandhausen ganz besondere Gedanken gemacht, die allerdings zunächst viel zu selten aufgingen. So ließ der Coach die Ausrichtung seines Teams zu Beginn des Spiels fast im Minutentakt wechseln. Taktikfüchse, die mehr Spaß an abkippenden Sechsern und Flügelzonen als an fußballerischen Leckerbissen haben, konnten sich an einem 3-1-4-2-, einem 5-3-2- oder einem 3-4-3-System ergötzen.
Besonders auffällig: In der (viel zu seltenen) Offensivbewegung übernahmen die gelernten Rechtsverteidiger Josha Vagnoman und Linksverteidiger Tim Leibold überwiegend die Rollen der Außenstürmer an der Seite von Simon Terodde. Besonders auffällig, Teil zwei: Echter Fußball kam durch all diese taktischen Kabinettstückchen allerdings nicht zustande.
HSV:Terodde trifft aus dem Nichts
So waren es zunächst eher die weit gereisten Gäste aus dem Rhein-Neckar-Kreis Sandhausen, die sich zumindest so etwas wie Halbchancen (5./Esswein, 7./Esswein) erspielen konnten. Vom HSV kam eine halbe Stunde lang nichts bis gar nichts, ehe aus diesem „gar nichts“ plötzlich das Tor zum 1:0 folgte. Mit dem nahezu ersten gelungenen Spielzug schüttelte Jeremy Dudziak Gegenspieler Nikolas Nartey wie eine lästige Fliege ab und fand denjenigen, den sie beim HSV in dieser Saison immer finden: Stürmer Simon Terodde (32). Der Torjäger musste aus nur einem Meter einschieben und durfte sich über seinen zwölften Saisontreffer freuen (30.).
Über die Rest-Viertelstunde der ersten Halbzeit darf man aus Hamburger Sicht genauso den Mantel des Schweigens hüllen wie über die erste Viertelstunde der zweiten Hälfte. Kaum erklärbar, wie sich Thiounes Mannschaft gegen den Tabellen-15. teilweise hinten reindrängen ließ und sich schon zu Beginn der zweiten Halbzeit auf eine Abwehrschlacht wie sonst nur in der 90. Minuten einließ. Die Eckenverteilung nach 52 Minuten: 9:3 für den SV Sandhausen.
Bekanntlich ist es aber nicht das Eckenverhältnis, sondern die Tordifferenz, die ein Spiel entscheidet. Und da notierten die fleißigen Statistiker nach 67 Minuten überraschend ein 2:0 für den HSV. Bei der Suche nach Erklärungen wurde man schnell bei der Dauerantwort des HSV fündig: Terodde, wer sonst? Als dessen 13. Saisontreffer auch der Überprüfung des Videorichters standhielt, war das Spiel, das zuvor nur schwer erträglich daher kam, praktisch gelaufen.
HSV schießt sich gegen Sandhausen zur Tabellenführung
HSV spielt erst am Ende Fußball
Die gute Nachricht: Mit dem 2:0 im Rücken erinnerten sich die Hamburger dann auch daran, dass sie eben doch Fußball spielen können. So war es zunächst der eingewechselte Amadou Onana, der besonders sehenswert seine Storchenbeine einsetzte, mit gefühlt drei Schritten über den halben Platz sprintete und dann den Ball auch noch herrlich über den herauseilenden Torhüter Rick Wulle ins Tor lupfte (78.).
Ein 3:0 mit zwei Terodde-Toren – so hatte es Zweitligaexperte Peter Neururer zwei Tage zuvor im Abendblatt-Podcast vorausgesagt. Doch Neururer mag ein guter Zweitligatrainer gewesen sein, ein zweites Orakel à la Krake Paul wird er eher nicht. Für diese Erkenntnis sorgten der eingewechselte Bobby Wood und Josha Vagnoman quasi mit dem Schlusspfiff, als der Youngster die Flanke des Jokers nur noch einköpfen musste (90.+1).
Das kuriose Fazit dieses erstaunlichen Fußballabends: Die Hamburger hatten lange Zeit grausam gespielt – am Ende aber 4:0 gewonnen und sich zudem auch noch die Tabellenführung gesichert. Das schafft tatsächlich – nur der HSV.
Die Statistik
- HSV: Ulreich – Leistner, Heyer, Ambrosius – Vagnoman, Gjasula (82. Wood), Leibold – Hunt (59. Kinsombi), Dudziak (88. Jatta) – Terodde (82. Gideon Jung), Wintzheimer (59. Onana). – Trainer: Thioune
- Sandhausen: Wulle – Röseler, Paurevic, Linsmayer – Diekmeier, Taffertshofer, Nartey (83. Ouahim), Contento (83. Zenga) – Biada (83. Bouhaddouz), Behrens, Esswein (88. Scheu). – Trainer: Schiele
- Schiedsrichter: Timo Gerach (Landau-Queichheim)
- Tore: 1:0 Terodde (30.), 2:0 Terodde (67.), 3:0 Onana (78.), 4:0 Vagnoman (90.+1)
- Gelbe Karten: Heyer, Ambrosius (2), Onana (3), Gjasula (2), Terodde – Contento (3)
- Torschüsse: 10:17
- Ecken: 4:10
- Ballbesitz: 54:46 Prozent