Hamburg. Daniel Thioune und Tobias Schweinsteiger konnten sich nicht auf eine Zusammenarbeit einigen. Jetzt treffen sie aufeinander.

Ein knappes halbes Jahr ist das entscheidende Telefonat nun schon her. Daniel Thioune hatte gerade als neuer Chefcoach beim HSV unterschrieben und wollte nun sein Trainerteam zusammenstellen. Also griff er zum Telefon und wählte die Nummer von Tobias Schweinsteiger, der in der vergangenen Saison an der Seite von Dirk Bremser als Assistent von Dieter Hecking gearbeitet hatte. Die beiden tauschten sich eine ganze Weile aus, dann stand fest: eine gemeinsame Zukunft beim HSV wird es nicht geben. „Die Gespräche mit Daniel haben leider ergeben, dass ich mich in der Rolle nicht hundertprozentig wohlgefühlt hätte“, hatte Schweinsteiger schon kurz darauf dem Abendblatt verraten.

Der Knackpunkt: Statt der Rolle des klassischen Assistenten, die bereits mit Thiounes langjährigem Co-Trainer Merlin Polzin besetzt war, ging es am Telefon um die Idee, dass Schweinsteiger als sogenannter Übergangstrainer eine Schnittstelle zwischen U21 und Profis bilden sollte. Eine Rolle, die der 38-Jährige bereits in ähnlicher Form in seiner Zeit im Nachwuchs beim FC Bayern ausgefüllt hatte.

Doch Schweinsteiger wollte weiterhin klassisch als Trainer arbeiten und lehnte ab. Daraufhin übernahm der bisherige HSV-U-21-Trainer Hannes Drews die neu geschaffene Position. „Sosehr ich den HSV und Hamburg ins Herz geschlossen habe, weiß ich, dass diese Rolle für beide Seiten keinen Sinn gehabt hätte“, sagte Schweinsteiger. „Da bin ich ehrlich zu mir selbst, aber auch zum Verein.“

Schweinsteiger als "Chefchen" auf Zeit

Fast sechs Monate später werden sich Thioune und Schweinsteiger an diesem Sonnabend nun erneut austauschen. Diesmal aber nicht am Telefon, sondern auf dem Rasen des Nürnberger Max-Morlock-Stadions. Die Rollen diesmal: Chef (Thioune) trifft Chefchen (Schweinsteiger). Weil Nürnbergs Robert Klauß am vergangenen Spieltag beim 0:2 gegen Heidenheim eine Wasserflasche aufs Spielfeld getreten hatte, fehlt der eigentliche Chefcoach für das Heimspiel gegen den HSV gesperrt. Für ein Spiel übernehmen nun die Co-Trainer Frank Steinmetz – und eben Schweinsteiger, dessen Bruder Bastian einst von der „Sportbild“ als „Chefchen“ tituliert wurde.

Während Nationalspieler Bastian Schweinsteiger sich damals extrem über diese Betitelung ärgerte, ist sie im Fall von Bruder Tobias an diesem Wochenende durchaus angebracht. Lediglich für 90 Minuten müssen Steinmetz und Schweinsteiger, der aktuell auch noch seinen Fußballlehrerschein an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef absolviert, ihren Chef vertreten. Bei der Pressekonferenz vor dem Spiel als auch bei der Pressekonferenz nach dem Spiel wird weiterhin Klauß Auskunft geben.

Thioune kennt Schweinsteigers Anspruch

Thioune hat die turnusmäßige Frage-und-Antwort-Runde bereits am Donnerstag hinter sich gebracht. Der 46-Jährige wurde nach den Ambitionen des Clubs gefragt („Können jede Mannschaft schlagen“), nach der Corona-Gefahr in Nürnberg („Wir sind weiter wachsam“), den erneuten Berichten über Bakery Jatta („Es gibt keine neuen Erkenntnisse. Und auf dem Platz macht Bakery gerade einen richtig geilen Job“), Vorgänger Dieter Hecking („Dieter hat beim HSV Fußstapfen hinterlassen“) – und natürlich nach Tobi Schweinsteiger.

„Tobi durfte ich in der Phase meiner Verpflichtung kennenlernen. Wir haben uns ausgetauscht und festgestellt, dass wir unterschiedliche Auffassungen von so einem Gebilde haben, wie so ein Trainerteam auszusehen hat“, sagte Thioune. „Tobis Anspruch ist es sicherlich, Cheftrainer zu werden.“

Schweinsteiger hofft auf Praktikum in Leeds

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss Schweinsteiger zunächst seinen Fußballlehrerlehrgang im April erfolgreich beenden. Zusammen mit seinen 23 Kollegen und Kolleginnen – darunter Weltmeister Miroslav Klose – fällt in diesem Jahr der Präsenzunterricht überwiegend weg. Corona-bedingt wird fast schwerpunktmäßig im „Digitalen Campus“ gelehrt und gelernt.

Der große Nachteil: Ein Auslandspraktikum, wie es sich Schweinsteiger bei Leeds-United-Trainer Marcelo Bielsa oder Atalanta Bergamos Gian Piero Gasperini gewünscht hatte, ist durch Covid-19 natürlich deutlich schwieriger zu realisieren.