Hamburg. Der frühere Hamburger Berkay Özcan hat eine Theorie, warum der HSV schon mehrfach den Aufstieg verspielt hat.

Zwei Jahre und acht Monate liegt der Moment zurück, doch Berkay Özcan hat ihn noch ganz genau vor Augen. Es lief die 54. Minute im Achtelfinale des DFB-Pokals zwischen dem HSV und dem 1. FC Nürnberg. Douglas Santos spielt Bakery Jatta über links frei, der den Ball in die Mitte bringt. Der Schuss von Fiete Arp wird zunächst abgeblockt, doch Berkay Özcan steht zwölf Meter vor dem Tor richtig und schiebt den Ball mit links lässig in die linke untere Ecke.

In seinem ersten Spiel von Beginn an für den HSV feiert Özcan das Siegtor an der Seite von Lewis Holtby vor der Nordtribüne im mit 50.000 Zuschauern fast ausverkauften Volksparkstadion. „Ab und an schaue ich mir das Tor noch einmal an. Es war einfach ein geiles Gefühl“, sagt Özcan zweieinhalb Jahre später.

HSV: Özcan spielt jetzt beim Erdogan-Club

Der 23-Jährige sitzt zu Hause in seiner Wohnung in Istanbul und ist dem Abendblatt per Zoom zugeschaltet, um im Podcast „HSV – wir müssen reden“ über das Spiel vom 5. Februar 2019 zu sprechen. Özcan hatte erst eine Woche zuvor im Volkspark einen Vierjahresvertrag bis 2023 unterschrieben. Doch schon wenige Monate nach seinem Tor gegen Nürnberg war Özcan schon wieder weg, weil Dieter Hecking, der Nachfolger von Hannes Wolf im Sommer 2019, nicht mehr mit dem Mittelfeldspieler plante.

Heute ist Hecking Sportvorstand beim 1. FC Nürnberg und trifft mit den Franken an diesem Dienstag (20.45 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) in der zweiten Runde des DFB-Pokals zur Neuauflage auf den HSV.

Berkay Özcan wird die Partie vermutlich nur im Liveticker verfolgen. Seit zwei Jahren steht der türkische Nationalspieler beim türkischen Erstligisten Basaksehir Istanbul unter Vertrag. Zunächst für eine Saison auf Leihbasis, ein Jahr später kaufte ihn der mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verbundene Club für 2,5 Millionen Euro. Gleich in seinem ersten Jahr wurde Özcan mit Basaksehir türkischer Meister und anschließend von Erdogan zum Empfang geladen. Über die politischen Verbindungen und die aktuellen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei will Özcan aber nicht groß sprechen.

Özcan weiß, warum der HSV den Aufstieg verpasste

Stattdessen spricht der gebürtige Karlsruher offen über seine Zeit beim HSV. „Der Druck beim HSV ist groß, gerade für junge Spieler. Das war sicher ein Grund, warum wir den Aufstieg nicht geschafft haben“, sagt Özcan, der in Hamburg unter Hannes Wolf mit der jüngsten HSV-Mannschaft der vergangenen Jahrzehnte auf der Zielgeraden der Saison den sicher geglaubten Aufstieg noch verspielte.

 Vor allem nach dem souveränen Sieg im Pokal gegen den damaligen Bundesligisten Nürnberg zweifelte kaum jemand an der Rückkehr in die Erste Liga. 20:1 Torschüsse erspielte sich der HSV gegen den Club. „Es war ein super Spiel von der ganzen Mannschaft und für mich eines der schönsten und wichtigsten Spiele meiner bisherigen Karriere.“

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Woher Özcan HSV-Coach Walter kennt

Zu gerne würde Özcan auch am Dienstag wieder mit dem HSV gegen Nürnberg spielen. Zumindest hätte er gerne noch einmal mit seinem ehemaligen Jugendtrainer Tim Walter zusammengearbeitet. In der U 15 des Karlsruher SC war der aktuelle HSV-Coach der Nachwuchstrainer des damaligen Top­talents Özcan.

„Tim Walter war ein sehr wichtiger Trainer für mich. Er war ein Kumpeltyp, konnte aber auch laut werden. Aber nur, um seine Spieler besser zu machen. Er hat mich sehr gefördert. Er war natürlich sauer, dass ich zum VfB gewechselt bin“, sagt Özcan acht Jahre später. Nach ihrem gemeinsamen Jahr wechselte Özcan in das Nachwuchsinternat des VfB Stuttgart. Bei den Schwaben schaffte er später unter Hannes Wolf den Sprung zu den Profis.

An die Jugendzeit unter Walter erinnert sich Özcan noch gerne zurück. Schon damals arbeitete der Trainer mit vielen Wettkämpfen, Belohnungen und Bestrafungen. „Auch im Kraftraum mussten die Verlierer immer Kuchen mitbringen. Da ich nicht so gut war, hatte ich jeden Mittwoch Kuchen dabei.“

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Ex-HSV-Profi Özcan noch nicht geimpft

Heute hat Özcan die Kraft für den Profifußball. In der vergangenen Saison gewann er in der Champions League unter anderem gegen Manchester United. Am Sonntag schoss er beim 2:1-Sieg in Antalya den ersten Doppelpack seiner Profikarriere. „Die Torgefährlichkeit war das, was mir noch gefehlt hat“, sagt er.

Den deutschen Fußball verfolgt Özcan nur noch aus der Ferne. Die große Debatte um Joshua Kimmich und dessen fehlenden Impfschutz hat der ehemalige Hamburger aber mitbekommen. Auch Özcan hat sich noch nicht gegen das Coronavirus impfen lassen, wie er im Podcast das erste Mal erzählt. „Ich sehe es wie Kimmich. Ich habe noch meine Bedenken. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht impfen lassen werde. Ich will noch etwas abwarten“, sagt Özcan, der aber von einer hohen Impfbereitschaft unter seinen Teamkollegen spricht.

Möglicherweise wird er es im kommenden Jahr tun. Dann will er eine große Reise machen. Zur Weltmeisterschaft nach Katar. Unter dem neuen Nationaltrainer Stefan Kuntz rechnet sich Özcan Chancen aus, wieder nominiert zu werden. Sein letzter Einsatz ist ein Jahr her. Noch hat die Türkei Chancen, sich zu qualifizieren. Sein Schlusswort: „Eine WM zu spielen, ist mein großer Traum.“