Hamburg. HSV-Trainer spricht vor Kiel über den logischen Stellvertreter von Tim Leibold, die Torhüterfrage und mögliche Fehler im Winter.

Er verließ Holstein Kiel 2019 als Kapitän, und ausgerechnet gegen seinen Ex-Verein könnte David Kinsombi nun auch erstmals für den HSV mit der Spielführerbinde auflaufen. Denn am Donnerstag gab Hamburgs Trainer Daniel Thioune in der durch die Sperre des Amtsinhabers Tim Leibold sowie die Verletzungen der Stellvertreter Toni Leistner und Klaus Gjasula offen gewordenen Kapitänsfrage einen eindeutigen Wink.

"Das erklärt sich von selbst. Wir haben einen Mannschaftsrat von fünf Spielern und Kinsombi ist der einzige, der gesund ist von denen", sagte Thioune zwischen den beiden Trainingseinheiten im Volkspark. "Tom Mickel schließe ich jetzt erst einmal aus." Sollte Kinsombi im Topspiel am Montag (20.30 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) spielen, werde der 25 Jahre alte Mittelfeldmann gegen Kiel also auch die Mannschaft auf den heimischen Rasen führen.

"Und wenn nicht", so Thioune, bliebe auch Aaron Hunt ein Kandidat. Schließlich sei der Ex-Kapitän in der laufenden Saison bereits zurück in diese Rolle geschlüpft, als er bei den Siegen gegen Fürth (1:0) und Aue (3:0) für Leibold, respektive Leistner einsprang. "Wir werden definitiv einen finden", sagte Thioune zur Suche nach einem Führungsspieler, der in den kommenden beiden Partien auch offiziell auf dem Spielberichtsbogen als ein solcher ausgewiesen sein wird.

Aaron Hunt im HSV-Training am Donnerstag.
Aaron Hunt im HSV-Training am Donnerstag. "Ich glaube, das liegt schon sehr nahe, dass einer von beiden auf jeden Fall auf dem Platz steht", sagt Thioune über die Einsatzchancen der potentiellen Kapitäne Hunt und David Kinsombi. © Witters | Unbekannt

HSV-Torhüter: Auch Thioune bei Ulreich kritisch

Die eigentlichen Säulenspieler Simon Terodde und Sven Ulreich, die jeweils nicht dem Mannschaftsrat angehören, lässt Thioune in seinen Überlegungen damit außen vor. Bei Letztgenanntem ist Thioune vielmehr bemüht, Druck von den Schultern des Torhüters zu nehmen und gar nicht erst weitere Fragen nach der künftigen Nummer eins aufkommen zu lassen. "Wir stehen zu Sven und finden, dass er seinen Job gut macht. Und deshalb ist er zu Recht auch im Tor", sagte Thioune über Ulreich.

Simon Terodde am Donnerstag mit Co-Trainer Hannes Drews.
Simon Terodde am Donnerstag mit Co-Trainer Hannes Drews. © Witters | Unbekannt

Allerdings sind auch dem Trainer die Unsicherheiten des Schlussmanns nicht entgangen, weshalb Ulreich inzwischen bereits öffentlich hinterfragt wird. "Ich sehe es genauso kritisch in dem einen oder anderen Moment", so Thioune, der sogar auch von fehlender Sicherheit "bei dem einen oder anderen Ball" sprach. Trotz des "einen oder anderen Fehlers" sei er überzeugt von der Qualität des 32-Jährigen: "Er hat sie oft eingebracht und sie wird uns auch noch helfen in den nächsten Wochen, um erfolgreich zu sein."

Im Stadtderby beim FC St. Pauli (0:1) habe Thioune bei Ulreich aber "eine richtig gute Partie gesehen". Überhaupt weise der ehemalige Bayern-Keeper im Vergleich zu den Ersatzleuten Daniel Heuer Fernandes und Mickel noch immer das beste Gesamtpaket auf. "Dafür haben wir uns entschieden, das sehen wir Tag für Tag, auch wenn Daniel sich sicherlich nichts zu schulden kommen lassen hat." Außerdem sei die Torhüterposition "keine, die man Woche für Woche wechselt, die man aber wechseln könnte, wenn man nicht ganz so zufrieden ist."

Torhüter Sven Ulreich (v.l.) und Torjäger Simon Terodde werden Tim Leibold nicht als HSV-Kapitän vertreten.
Torhüter Sven Ulreich (v.l.) und Torjäger Simon Terodde werden Tim Leibold nicht als HSV-Kapitän vertreten. © Imago/Eibner | Unbekannt

HSV hofft auf Drongelen-Rückkehr noch im März

Während die Zufriedenheit bei den Leistungen des Torhüters also noch immer ausreichend ist, steigt Thiounes Unzufriedenheit beim Blick auf die Personalsituation. Vor allem die Sperre des Linksverteidigers Leibold sowie die erneute Verletzung von Rick van Drongelen wiegen schwer. "Das war schade für Rick, er hat in wenigen Minuten ja doch gezeigt, dass er uns helfen kann", sagte Thioune über den Innenverteidiger, der gegen St. Pauli kurz vor Schluss unglücklich im Rasen hängengeblieben war.

Nach der Diagnose Außenbandriss im linken Sprunggelenk rechnet der Coach mit einem mehrwöchigen Ausfall des 22 Jahre alten Niederländers. Um eine Operation komme van Drongelen aber immerhin herum, auch um die grundsätzliche Wettkampffitness des zuvor Langzeitverletzten macht sich Thioune sich keine Sorgen. Und: "Er ist recht kämpferisch wie wir alle." Bestenfalls könne er den Abwehrmann zur Länderspielpause Ende März zurück im Mannschaftskreis begrüßen. "Das wäre es natürlich super."

Im Training am Donnerstag unterhielt sich Daniel Thioune lange mit Jan Gymaerah.
Im Training am Donnerstag unterhielt sich Daniel Thioune lange mit Jan Gymaerah. "Es ist schon sehr wahrscheinlich, dass er in die erste Elf zurückkehrt", sagte der HSV-Trainer. © Witters | Unbekannt

Bei der Besetzung der defensiven Außenbahnen behält sich Thioune indes mehrere Optionen vor. Denkbar seien für ihn Jan Gyamerah und Josha Vagnoman – auf welcher Seite auch immer – oder auch die Nominierung von Moritz Heyer oder die Umstellung auf eine Dreierkette mit Stephan Ambrosius, Gideon Jung und Heyer in Verbindung mit Bakery Jatta und Manuel Wintzheimer auf den offensiven Flügeln. "Wir probieren ein bisschen was aus die nächsten Tage", sagte Thioune. "Wir müssen gucken, was passt."

HSV-Transfers: "Haben keinen Fehler gemacht"

Das musste Thioune im Verbund mit Sportdirektor Michael Mutzel und Sportvorstand Jonas Boldt auch schon im Winter, als es im vergangenen Transferfenster um eine mögliche Verstärkung der Mannschaft ging. Dass der HSV dabei letztlich untätig blieb, sieht Thioune auch in fehlenden Hellseherfähigkeiten begründet. "Dass uns die Ausfälle in der Häufigkeit und Menge treffen, war ja nicht abzusehen. Wenn ich im Winter gewusst hätte, was passiert, dann hätte ich darüber nachgedacht", sagt er: "Hätten wir einen Stürmer holen sollen, hätten wir einen Außenbahnspieler holen sollen?"

Abgesehen von dieser hypothetischen Frage habe der Markt auch keinen Spieler hergegeben, der dem Team sofort hätte weiterhelfen können. "Wir haben keinen Fehler im Winter gemacht", sagt Thioune deshalb. Außerdem sehe er im Kader trotz der aktuellen Ausfälle noch immer genügend Möglichkeiten zur taktischen Variabilität. "Wir können Dreierkette oder Viererkette spielen, wir haben noch ein paar Außenverteidiger im Kader, ich will es darauf nicht schieben."

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Bei aller eigenen Ungewissheit darf sich Thioune wenigstens beim kommenden Gegner über eine gewisse Berechenbarkeit freuen. "Es ist ja immer verlässlich, welche Elf auf dem Platz steht", sagt er über die Ausrichtung von Holstein Kiel. "Es ist immer dieses 4-1-4-1, was sie spielen." Darauf, dass der Tabellenzweite nach dem erfolgreichen Pokalviertelfinale in Essen am kommenden Montag noch müde sein könnte, will sich Thioune hingegen nicht verlassen: "Ich glaube, es wird kein Faktor sein. Sie haben jetzt auch fünf Tage Zeit, sich zu erholen."