Hamburg/Bochum. Die beiden früheren HSVer „Funny“ Heinemann und Robert Tesche erklären, wie der VfL zur Überraschungsmannschaft der Saison wurde.

Die Verabredung steht: Am kommenden Freitag sind für Frank „Funny“ Heinemann und Ralf „Katze“ Zumdick zwei Plätzchen auf dem heimischen Sofa in Heinemanns Haus in Witten reserviert. Ein paar Flaschen „Fiege“, ein beliebtes Bochumer Bier aus einer Privatbrauerei, sind bereits kalt gestellt. „Ich freue mich auf den Abend“, sagt Heinemann, der nur 15 Kilometer vom Ruhrstadion entfernt wohnt. In Bochum empfängt am Freitag ab 18.30 Uhr der VfL den HSV. Der Tabellenführer trifft auf den Dritten. Es ist das Spitzenspiel des 25. Spieltags – und das Duell von Heinemanns und Zumdicks ewiger Liebe (Bochum) gegen die flammende Affäre (HSV).

„Das wird schwierig für uns beide“, sagt Zumdick im Abendblatt-Podcast HSV – wir müssen reden: „Wir sind ja richtige VfLer, hatten aber beim HSV auch eine richtig geile Zeit.“ Zumdicks „geile Zeit“ beim HSV ist lange her. Zwischen 2003 und 2007 arbeitete der frühere Assistent von Thomas Doll im Volkspark, zog in die Champions League ein und mischte die Bundesliga auf. Heinemann kam vier Jahre später nach Hamburg – und blieb als Co-Trainer von Michael Oenning und Thorsten Fink zwei Jahre. „Hamburg wurde zu meiner zweiten Heimat“, sagt der 56-Jährige, den man gut und gerne als Ur-Bochumer bezeichnen kann.

Heinemann ist in Bochum geboren, hat als Profi ausschließlich in Bochum gespielt und 37 Jahre lang in verschiedensten Funktionen für den VfL gearbeitet: Spieler, Fanbeauftragter, Nachwuchsleiter, Co-Trainer, Interimstrainer. „Bochum ist mein Leben“, sagt Heinemann, der wohl wie kein Zweiter das Phänomen VfL erklären kann.

Warum HSV-Rivale Bochum spitze ist

„Es gibt mehrere Gründe, warum der VfL oben ist“, sagt Heinemann im Podcast. Vor allem sei der Spitzenreiter eingespielt. „Man hat auch in der Vergangenheit gesehen, dass Mannschaften, die länger zusammenspielen, gerade in der Zweiten Liga sehr erfolgreich sind“, sagt „Funny“.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor sei aber auch Trainer Thomas Reis, mit dem er selbst noch beim VfL zusammen gespielt hat. Der Coach hat den VfL 2019 als Vorletzten übernommen und zu einer echten Spitzenmannschaft der Zweiten Liga geformt. Dabei habe sich Reis auch vor unpopulären Maßnahmen nicht gedrückt und beispielsweise Top-spieler und Topdiva Robert Zulj zwischendurch auf die Tribüne geschickt. „Sollte jemand nicht mitziehen, ist er draußen“, hatte Reis seinerzeit erklärt.

Bochums Urgestein Frank Heinemann war von 2011 bis 2013 beim HSV.
Bochums Urgestein Frank Heinemann war von 2011 bis 2013 beim HSV. © WITTERS | Valeria Witters

Reis‘ Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ kommt in der Mannschaft an. „Wir haben uns während und nach der Corona-Unterbrechung als Team gefunden und sind in der Folge nicht umsonst der sogenannte Corona-Meister geworden“, sagt auch Robert Tesche dem Abendblatt.

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Genau wie Heinemann und Zumdick hat auch der Mittelfeld-Routinier des VfL eine Hamburger Vergangenheit. Von 2009 bis 2014 spielte er beim HSV – und hat ausgerechnet eine Partie gegen den HSV als Schlüsselmoment für die so erfolgreiche VfL-Saison ausgemacht. „Bis zum HSV-Spiel in der Hinrunde waren wir noch zu schwankend im Auftritt“, erinnert sich Tesche. „In Hamburg sind wir dann mutig und robust aufgetreten, haben den HSV oft früh unter Druck gesetzt. Das hat sich ausgezahlt.“

Was Bochum vom HSV unterscheidet

Tatsächlich ging es seit dem 3:1-Sieg des VfL in der Hinrunde im Volkspark kontinuierlich nach oben. „Die Mannschaft hatte auch mal zwischendurch ein schlechtes Spiel, aber nie zwei schlechte Spiele in Folge“, sagt Heinemann, der überzeugt ist, dass der VfL auch das Zeug für die Bundesliga hat.

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Anders als der HSV, der stark von seinem früheren Schützling Simon Terodde („ein fantastischer Spieler“) abhängig sei, wäre beim VfL die Verantwortung auf viele Schultern verteilt. „Der VfL hat verdammt schnelle Außen, vorne einen brandgefährlichen Zulj, ein erfahrenes Mittelfeld, blutjunge Innenverteidiger und einen hervorragend mitspielenden Torhüter“, lobt Heinemann. Sein Fazit: „Das ist schon eine richtig gute Mannschaft.“

Eine „gute Mannschaft“, die im Kalenderjahr 2020 sogar das beste Zweit­ligateam stellte. „Wir sind inzwischen als Mannschaft in der Lage, dem Spiel unseren Stempel aufzudrücken“, sagt Tesche. „Außerdem haben wir es geschafft, Rückschläge wegzustecken.“ Auf die Frage nach dem Ziel Aufstieg antwortet Tesche selbstbewusst: „Klar ist, dass wir uns den hart erkämpften ersten Platz nicht wegnehmen lassen wollen.“

Bochum vs. HSV: Zoller verpasst Topspiel

Einen Rückschlag werden Tesche und Co. wohl auch am Freitag verarbeiten müssen. Simon Zoller, hinter Terodde (20 Tore/vier Vorlagen) und Mitspieler Zulj (12/10) mit elf Treffern und neun Vorlagen drittbester Scorer der Zweiten Liga, droht mit muskulären Problemen auszufallen. „Bochum kann den Ausfall verkraften“, ist sich Heinemann sicher.

Auf den Fußballabend mit Kumpel „Katze“ freut sich „Funny“ jedenfalls schon. Sein Tipp: „1:1 – wie am Montag gegen Kiel.“ Sein größter Wunsch: „Für mich wäre es eine Riesensaison, wenn sowohl Bochum als auch der HSV in die Bundesliga zurückkehren. Die Reihenfolge wäre mir egal.“ Am Freitag werde er mit Zumdick auf beide Clubs anstoßen. „Von mir aus kann der HSV nach dem Spiel alle anderen Mannschaft wegputzen – nur nicht den VfL am Freitag.“