Hamburg. Nach dem Rücktritt des HSV-Präsidiums gibt es viele offene Fragen. Jansen will erneut kandidieren, doch wann findet die Wahl statt?

Es war erstaunlich ruhig am Mittwochvormittag am Trainingsgelände des HSV im Volkspark. Ein Polizist und fünf weitere Zuschauer beobachteten die Vorbereitung des Zweitliga-Tabellenführers auf das Auswärtsspiel am kommenden Sonntag beim Tabellenletzten Würzburger Kickers (13.30 Uhr/im Liveticker auf abendlatt.de).

Lediglich ein Fernseh-Reporter kam kurz vor Schluss der Einheit, um Stimmen einzufangen zu der Nachricht, die am Morgen die Titelseiten der Hamburger Tageszeitungen dominierte: „HSV-Präsidium tritt zurück“. Marcell Jansen und seine Vizepräsidenten Thomas Schulz und Moritz Schaefer legen ihre Ämter mit sofortiger Wirkung nieder.

Wie geht es nach dem HSV-Beben weiter?

Anders als bei den vielen Entlassungen oder Rücktritten von Trainern, Vorständen und Sportdirektoren in den vergangenen Jahren sorgte die Meldung über das Ende des Machtkampfs im HSV-Präsidiums zwar für Gesprächsstoff, doch so wirklich einordnen konnte und wollte das Ereignis zumindest bei den Trainingsgästen niemand.

Auf den Geschäftsstellen des e. V. und der AG war der Rücktritt von Jansen, Schulz und Schaefer dagegen das große Thema. Und bei allen ging es vor allem um eine Frage: Wie geht es nach dem Beben jetzt weiter?

Marcell Jansen: "Es geht um die Raute"

„Es geht um die Raute, ums Wir, nicht um Einzelpersonen. Darum halte ich den geschlossenen Rücktritt des e.V.-Präsidiums für sinnvoll und zielführend. Es ist längst überfällig, dass wieder Ruhe einkehrt“, sagt Jansen am Tag danach. Sein Gegenspieler Schulz hatte sich bereits am Abend auf seiner Facebook-Seite mit einem Livevideo und einem schriftlichen Statement zu Wort gemeldet.

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Der bisherige Vizepräsident, der mit Jansen über Kreuz gelegen hatte, bedankte sich für die Unterstützung der HSVer und vor allem seiner Familie, ehe er noch eine Botschaft loswerden wollte: „Kommt so zahlreich wie möglich zur Mitgliederversammlung. Dort habt Ihr die Möglichkeit, zu gestalten und mitzuwirken. Nutzt diese Möglichkeit zum Wohle unseres Vereines.“

Der Wahlkampf beim HSV kann beginnen

Anstatt sich auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung dem Abwahlantrag des Ehrenrats zu stellen, richtete Schulz den Fokus damit bereits unmittelbar nach seinem Rücktritt auf die wohl wichtigste HSV-Versammlung des Jahres. Auf der ordentlichen Mitgliederversammlung wird nun im Sommer ein neues Präsidium gewählt. Der Machtkampf ist beendet, der Wahlkampf kann beginnen.

Während Jansen sich nach Abendblatt-Informationen mit einem neuen Team erneut zum Präsidenten wählen lassen will, gilt es als unwahrscheinlich, dass Schulz, der vor drei Jahren an der Seite von Bernd Hoffmann in das Vereinspräsidium gewählt wurde, erneut kandidiert. Auch Schaefer will sich noch nicht dazu äußern, ob er in den Wahlkampf ziehen will.

HSV: Kein operativ tätiges Präsidium bis zur nächsten Mitgliederversammlung

Der bisherige Schatzmeister hatte zuletzt im Zuge des Richtungsstreits eine Liste von Kandidaten für die zwei offenen Positionen im Aufsichtsrat der HSV Fußball AG erstellt. Der Machtkampf zwischen Jansen, Schulz und Schaefer hatte sich insbesondere an der Besetzung des Kontrollgremiums entzündet. Die zwei Positionen waren frei geworden, nachdem Schulz und Max-Arnold Köttgen im März 2020 nach der Freistellung des Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann aus dem Aufsichtsrat zurückgetreten waren.

In den kommenden Wochen muss nun geklärt werden, wie die Nachbesetzung der Aufsichtsratspositionen verläuft. Laut Satzung der AG müsste der Rat der Kontrolleure auf der nächsten Hauptversammlung der Anteilseigner bis zum 30. Juni wieder auf sieben Positionen aufgestockt werden.

Sollte es aus dem Präsidium als Mehrheitsgesellschafter aber keine Einwände geben, kann der Aufsichtsrat zunächst auch über den 30. Juni hinaus aus fünf Mitgliedern bestehen. So dürfte es kommen, denn ein operativ tätiges Präsidium gibt es bis zur nächsten Mitgliederversammlung nicht. Der Geschäftsführer des HSV e. V., Kumar Tschana, übernimmt bis dahin gemeinsam mit Vorgänger Michael Papenfuß die Vereinsführung.

HSV-Beirat fällt eine spannende Rolle zu

Klären müssen die beiden nun auch, wer die Mitgliederversammlung überhaupt einberuft. Denn laut Vereinssatzung kann das nur das Präsidium machen. Der e. V. hofft, dass die Veranstaltung im Sommer nach dem Ende der Saison als Präsenzveranstaltung stattfinden kann. Als möglicher Ort käme dann das Volksparkstadion infrage.

Dort könnte auch der nötige Abstand gewährleistet werden, sollte sich die Corona-Pandemie nicht deutlich entspannen. Als wahrscheinlichste Lösung gilt, dass zunächst auf der Mitgliederversammlung ein neues Präsidium gewählt und dann auf der Hauptversammlung danach der Aufsichtsrat komplettiert wird.

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Eine spannende Rolle wird in diesem Prozess der Beirat spielen. Das e. V.-Gremium bestimmt nicht nur, welche Kandidaten für die Präsidiumswahl des Vereins zugelassen werden, sondern auch welche Personen für die Besetzung des Aufsichtsrats infrage kommen. Zuletzt hatte der Beirat mehrere Kandidaten aus dem Team Schaefer und Schulz abgelehnt – allerdings auch Schaefer selbst, der von Jansen vorgeschlagen wurde.

Auch HSV-Supporters führen Wahlkampf

Diese machtpolitischen Vorgänge sollen nun der Vergangenheit angehören. „Nichts ist wichtiger als der HSV“, sagte Jansen am Mittwoch. „Und es ist jetzt auch nicht die Zeit, den Wahlkampf zu eröffnen.“

Doch genau dazu wird es in den kommenden Monaten wieder kommen. Schließlich steht in dieser Phase auch noch der Wahlkampf und die Versammlung über die neue Abteilungsleitung des Supporters Clubs an.

Die Zeit der Ruhe – so viel scheint sicher – dürfte daher begrenzt sein.