Hamburg. Am 17./18. April treten Sven Freese und Martin Oetjens bei der ersten Online-Abstimmung der HSV-Geschichte an. Das sind ihre Vorhaben.

Wahrscheinlich würde man ein wenig zu dick auftragen, wenn man behauptet, dass an dem Wochenende des 17. und 18. Aprils, wenn der HSV in Sandhausen antritt, HSV-Geschichte geschrieben wird. Faktisch falsch ist die Aussage aber nicht.

Das hat aber weniger mit dem Aufeinandertreffen in Sandhausen zu tun. Denn dieses Duell hat schon in der Vorsaison mit dem 1:5 am letzten Spieltag für genügend Kapitel in der HSV-Chronik gesorgt. Viel mehr geht es um die Wahl der neuen Abteilungsleitung der Supporters, die erstmals in der HSV-Historie digital gewählt wird.

HSV: Supporters-Wahl soll 20.000 Euro kosten

Das, was das vor Wochen heillos zerstrittene Präsidium bis zu seinem Rücktritt nicht hinbekommen konnte oder wollte, holen nun die Supporters nach. Der genaue Termin steht aufgrund des noch nicht terminierten Spiels der Profis gegen Sandhausen zwar noch nicht fest, der Rest dieser Premieren-Onlinewahl ist dagegen längst organisiert.

„Durch die steigenden Inzidenzen ist leider nicht absehbar, wann eine Präsenzwahl überhaupt wieder möglich wird“, sagt Martin Oetjens (50), der als Teil der Noch-Abteilungsleitung für die Organisation mitverantwortlich ist und mit seinem Fünferteam gegen Sven Freese (43) und Co. antritt. „Zudem ist zum jetzigen Zeitpunkt eine digitale Mitgliederversammlung gegenüber einer vergleichbaren Präsenzveranstaltung nicht unbedingt teurer.“

Nach Abendblatt-Informationen soll die Wahl rund 20.000 Euro kosten. Oetjens sagt: „Im finanziellen Bereich sind wir auf der sicheren Seite.“

Auch das geht beim HSV: Entspannter Wahlkampf

Wer im inhaltlichen Bereich auf der sicheren Seite stehen wird, dürfte sich dagegen erst am Wahltag entscheiden. Von einem „Macht-Domino“, wie die Wahl vor Kurzem in einer Boulevard-Zeitung betitelt wurde, wollen allerdings beide Kandidatenteams nichts wissen.

„Wir haben keine Lust auf Machtkampf oder Personaldiskussionen“, sagt Freese, dem Oetjens nur beipflichten kann: „Die Atmosphäre im Wahlkampf empfinde ich momentan als entspannt – anders als beim Streit innerhalb des Präsidiums vor ein paar Wochen. Ein paar heiße Diskussionen wird es sicherlich geben, aber keinen Richtungsstreit. Darauf hat doch auch niemand mehr Lust.“

"Unser HSV" mahnt große Veränderungen an

Dass ein Großteil der Fans vor allem auf die grundsätzliche Entwicklung des Fußballs keine Lust mehr hat, wurde am Dienstag deutlich. Da hat ein neues Bündnis aus unterschiedlichen Anhängerinnen und Anhängern der aktiven Fanszene, das sich „Unser HSV“ nennt, einen Ankündigungstext mit der Überschrift „Zeit für Veränderungen“ veröffentlicht.

Der Fußball stehe am Scheideweg, heißt es dort, und dass sich der Profifußball gerade in der Corona-Krise immer weiter von der Basis entfernt habe. „Zudem wurden in den vergangenen Monaten auch die Schwächen des ,Systems Fußball‘ deutlich ans Tageslicht getragen, und die Rufe nach einer nachhaltigen Veränderung werden klarer, intensiver und lauter.“

Team Freese ist lauter als das Team Oetjens

Deutlich lauter als ihre Vorgänger wollen auch Freese und seine Mitstreiter werden, sollten sie als Nachfolger des scheidenden Tim-Oliver Horn gewählt werden. „Team Freese will ja gerne ein bisschen lauter werden. Wir behalten gerne unseren Kurs der letzten sechseinhalb Jahre bei, den man als hanseatischen Weg der stillen Konsequenz betiteln kann“, sagt Oetjens, der einräumt, dass seine Konkurrenten in der aktiven Fanszene bestens vernetzt seien. Sein Team, das mit Anna Stöcken „nur“ eine Mitstreiterin aus der Ultra-Szene hat, würde seiner Meinung nach eher die Gesamtheit aller Fans abbilden.

Freese und Oetjens im HSV-Podcast (Oktober 2020) – hören Sie rein:

Die wollen aber auch Freese und Co. erreichen. „Wir glauben fest daran, dass der Supporters Club wieder sichtbarer und aktiver werden muss. Er hat das Potenzial, viele tolle Projekte im Sinne der Fans umzusetzen“, sagt der Marketingleiter eines Hamburger IT-Unternehmens. „Wir wollen den Aufbruch, der im sportlichen Bereich spürbar ist, auch im Bereich Fankultur mittragen.“

Kandidaten halten sich wegen Präsidium zurück

Doch worüber müssen die mehr als 70.000 Supporters, von denen voraus-sichtlich 1000 bis 3000 an der Digitalveranstaltung teilnehmen werden, sich vor der Wahl im April überhaupt Gedanken machen? Beide Kandidatenteams betonen, dass man sie nicht automatisch einem Lager im Hinblick auf die Präsidiumswahl im Sommer zuordnen könne.

Ohnehin gibt es für die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung, auf der ein neues Vereinspräsidium gewählt werden muss, noch gar keine Kandidaten. Rund um den HSV wird aber weiter davon ausgegangen, dass sich der zurückgetretene Marcell Jansen mit einem neuen Team erneut zur Wahl stellt.

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Freese: Antrag zur Rechtsform ist ein Fehler

Auf der Mitgliederversammlung soll dann auch über Oetjens’ Antrag über die Umwandlung der Rechtsform abgestimmt werden, was Freese als Fehler empfindet: „Weder ist es die Aufgabe eines Supporters Clubs, sich in sportliche Belange einzumischen – noch im Alleingang Rechtsformänderungen vorzuschlagen.“

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Oetjens kontert, dass der Prozess natürlich vom neuen Präsidium umgesetzt werden müsse. Seine weiteren Ankerthemen: Der Soltauer will sich für ein neues Vereinsheim und für eine bessere Einbindung von Teenagern beim HSV stark machen, zudem will er dafür kämpfen, dass Fanrechte auch nach der Pandemie ihre Gültigkeit behalten.

HSV-Kooperation mit der Elbphilharmonie?

Im Team Freese, das am vergangenen Wochenende einen internen Workshop im Hinblick auf die Wahl auf die Beine gestellt hat, will man vor allem die Nöte und Sorgen der aktiven Fanszene, aus der sich nun auch das Bündnis „Unser HSV“ zusammengeschlossen hat, ernst nehmen. Freese, der früher selbst Fanbeauftragter beim HSV war, will die Schlagworte „Identität, Haltung und Kultur“ mit Leben füllen.

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Die Organisation „Supporters Club“ soll sich politisch engagieren – ohne dabei vereinspolitisch neue Gräben aufzureißen. Hier will sich vor allem auch Freeses Mitstreiter Simon Philipps, der beim Netzwerk Erinnerungsarbeit des HSV aktiv ist, engagieren. Seine Vision: Der HSV solle in Hamburg wieder sichtbarer werden. Warum solle man nicht auch mit Buchhandlungen, Konzerthäusern, Synagogen, Kirchen oder der Elbphilharmonie kooperieren, fragt er.

Eine Antwort müssen die Mitglieder geben. Nicht mit der guten, alten Stimmkarte, sondern mit einem Mausklick.