Hamburg. Der Streit um die Zukunft des Vereins wird nicht nur im Präsidium geführt. Bei der Supporters-Wahl geht es auch um die Rechtsform.

Im Volkspark ging es am Donnerstag mal wieder um die Zukunft des HSV. Nicht aber um die Frage, wie der Club in fünf Jahren aussehen könnte, sondern eher darum, was spätestens in fünf Wochen passiert. Dann könnte sich entscheiden, wie der Richtungsstreit hinter den Kulissen des Vereins endet – oder ob der Machtkampf um die Zukunft des HSV in die nächsten Runden geht. Kein anderes Thema beschäftigt den Verein aktuell so sehr wie der Konflikt zwischen Präsident Marcell Jansen und seinen Stellvertretern Thomas Schulz und Moritz Schaefer. Am Donnerstag trafen sich die drei e.V.-Vertreter, um über die außerordentliche Mitgliederversammlung zu sprechen, die in den kommenden Wochen stattfinden muss, um über den Abwahlantrag von Thomas Schulz abzustimmen.

Die Entscheidung ist dabei nur der Auftakt eines Abstimmungsprogramms, das in der ersten Jahreshälfte das Geschehen rund um den HSV bestimmen wird. Eine ganz besondere Rolle wird in diesem Rahmen Martin Oetjens spielen. Der stellvertretende Abteilungsleiter des HSV Supporters Club hatte in der vergangenen Woche mit der Ankündigung überrascht, zusammen mit seinem Team auf der kommenden ordentlichen Mitgliederversammlung den Antrag einzubringen, die Rechtsform der HSV Fußball AG in eine GmbH & Co. KGaA umzuwandeln. Mit diesem Thema zieht der 50-Jährige in den Wahlkampf um die Nachfolge des scheidenden Supporters-Chefs Timo Horn.

Seit fast zwei Jahren plant das Präsidium des Vereins die Veränderung der Struktur

Wann und wie diese eigentlich am 21. November des Vorjahres geplante Versammlung stattfinden wird, bei der die Gruppe um Oetjens gegen das Team um Sven Freese antreten wird, ist allerdings weiter offen. Klar ist derzeit nur, dass die Supporters-Wahl der ordentlichen Mitgliederversammlung vorausgeht. Und Oetjens’ Wahlversprechen ist klar definiert: Wählen ihn die Mitglieder zum neuen Abteilungsleiter, wird er den Antrag auf die Änderung der Rechtsform in der darauffolgenden Mitgliederversammlung zur Abstimmung bringen. „Den Kurs halten … um erfolgreich neue Wege zu gehen“, lautete das Motto der Gruppe. „Wir wollen unseren HSV so aufstellen, dass wir Mitglieder die volle Kontrolle behalten.“

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Was Oetjens und seine Mitstreiter in einem Facebook-Post am vergangenen Sonnabend beschrieben, ist eines der wichtigsten Themen der HSV-Zukunft. Seit fast zwei Jahren plant das Präsidium des Vereins diese Veränderung der Struktur. Bislang aber scheute sich die Vereinsführung, das Thema bei einer Mitgliederversammlung zur Diskussion zu stellen. Und angesichts des aktuellen Richtungsstreits ist auch nicht davon auszugehen, dass sie sich auf ein gemeinsames Vorgehen bei der Frage nach der zukünftigen Rechtsform einigen wird.

Auch in der Fanszene des HSV gibt es grundsätzlich verschiedene Ansichten über die Zukunfts-Gestaltung

Martin Oetjens wird daher auch bis zur Entscheidung über die Zukunft des Präsidiums warten, ehe er eine Arbeitsgruppe ins Leben rufen will. Diese soll sich aus verschiedenen Vertretern aller Vereins- und Fangremien zusammensetzen und sich im Anschluss mit den Leitlinien einer neuen HSV-Struktur beschäftigen. Oetjens’ Idee: In der neuen Geschäftsordnung soll nicht nur der Verein gestärkt, sondern auch der Einfluss der Investoren begrenzt werden. Obwohl in diesem Modell potenzielle Anteilseigner grundsätzlich mehr als die bisher in der AG zulässigen 24,9 Prozent Anteile erwerben könnten, soll die Grenze für Anteilsverkäufe auf 20 Prozent pro Gesellschafter begrenzt werden.

Veräußerungen sollen nur langjährigen, mit dem HSV verbundenen Unternehmen und Personen ermöglicht werden. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich Fans und Mitglieder mit geringen Beträgen an einer HSV GmbH und Co. KGaA beteiligen können. So stellt es sich zumindest die Oetjens-Gruppe vor, die sich dazu mit Vertretern des Präsidiums und des Beirats ausgetauscht hat.

So weit, so gut. In der Realität dürfte es dagegen extrem schwer werden, innerhalb so kurzer Zeit bis zur nächsten Mitgliederversammlung ein so wichtiges Thema umfangreich mit allen Vereinsorganen zu diskutieren. In der aktiven Fanszene besteht für eine mögliche Rechtsformänderung zwar grundsätzlich Diskussionsbereitschaft. Der Förderkreis Nordtribüne, ein Zusammenschluss der verschiedenen Ultragruppen, hatte bereits Anfang Dezember in einem Beitrag dargestellt, welche Vorteile die Umwandlung in eine KGaA für den HSV mit sich bringen würde. Doch selbst die Verantwortlichen beim HSV gehen intern davon aus, dass die Umsetzung einer Strukturänderung nicht vor dem Geschäftsjahr 2022/23 erfolgen wird. Zu gespalten erscheint aktuell nicht nur das Präsidium. Auch in der Fanszene des HSV gibt es grundsätzlich verschiedene Ansichten über die Zukunfts-Gestaltung.

Beide Clubs gelten in Extremform als Vorbild und Warnung zugleich

In der Clubführung besteht dagegen die grundsätzliche Einigkeit, dass die GmbH und Co. KGaA die „auf den Profifußball zugeschnittene Rechtsform“ sei, wie Frank Wettstein vor wenigen Wochen im Abendblatt sagte. Der Finanzvorstand der HSV Fußball AG hat auf Wunsch der Gesellschafter bereits vor einiger Zeit die mögliche Umsetzung der Rechtsformänderung vorbereitet. Der Prozess der Umwandlung sei in wenigen Wochen umsetzbar, heißt es.

Wettstein kennt das KGaA-Modell sowohl aus seiner Zeit bei Borussia Dortmund als auch beim TSV 1860 München. Beide Clubs gelten allerdings in Extremform als Vorbild und Warnung zugleich. Während sich der BVB mit einem ausgewogenen Anteilsverkauf an verschiedene strategische Partner nach anfänglichen Problemen sanierte und die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft legte, versank 1860 im Chaos, weil der jordanische Investor Hasan Ismaik nach seinem Einstieg immer wieder für Unruhe sorgte und der Club die Insolvenz zwischenzeitlich nur knapp abwenden konnte.

In der HSV-Fanszene befürchten daher nicht wenige, dass Investor Klaus- Michael Kühne trotz dessen Ankündigung, seine Anteile verkaufen zu wollen, künftig wieder die Tür geöffnet werden soll. Auf diese Frage wird auch immer wieder der aktuelle Machtkampf um die Besetzung der zwei offenen Aufsichtsratsposten heruntergebrochen. Doch das wäre in diesem Komplex zu einfach.

 Die KGaA ist nur eines der umstrittenen Themen

Klar ist, dass der Aufsichtsrat der HSV Fußball AG bei einer Umwandlung zunächst auch in das KGaA-Modell übergehen würde. Allerdings hätte dieser dann nicht mehr die Aufgabe, den Vorstand zu bestellen, sondern nur noch eine Kontrollfunktion bei wichtigen strategischen Entscheidungen. Verantwortlich für die Besetzung der Geschäftsführer wäre ein sogenannter GmbH-Beirat.

Wie die Struktur im Einzelnen aussehen soll, will die Gruppe um Martin Oetjens voraussichtlich schon in der kommenden Woche in einem Schaubild veröffentlichen. Verliert sie mit ihrem Motto „Kurs halten“ bei der Supporters-Wahl allerdings gegen das Team Freese, das sich für Veränderungen in den Themen Haltung, Identität und Kultur einsetzt, wird ihr Rechtsform-Antrag auch nicht zur Abstimmung kommen.

Sicher scheint derzeit nur so viel: Die KGaA ist nur eines der Themen, mit denen in den kommenden Wochen um die Zukunft des HSV gestritten wird.