Hamburg. Nach Wahl-Thriller kündigt Hoffmann Veränderungen an. Es geht wohl nur um den Zeitpunkt, wann die Bosse gehen müssen.
Draußen war es bereits dunkel, als im Zelt der Kuppel in Bahrenfeld die Spannung zum Zerreißen war. „Wir haben ein Ergebnis“, sagte Versammlungsleiter Kai Esselsgroth um 17.50 Uhr und ließ dieses Endergebnis an die Videowand werfen. Weiß auf Blau leuchteten da die Zahlen, mit denen zu diesem Zeitpunkt kaum noch einer gerechnet hatte: 560 HSV-Mitglieder hatten für Präsident Jens Meier gestimmt, Herausforderer Bernd Hoffmann bekam 585 Stimmen. 14 Wahlberechtigte enthielten sich, sodass das amtliche Endergebnis lautete: Mit 51,09 Prozent war Hoffmann zum neuen Präsidenten gewählt worden. Oder besser: 50+1 Prozent, wie es der frühere Vorstandsvorsitzende vor einer Woche im Abendblatt-Interview vorausgesagt hatte.
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„So sehen Sieger aus“, wurde lautstark in der einen Hälfte des Saals angestimmt, während die andere Hälfte des Saals trotzig kläffte: „Hoffmann raus!“ Nur der Protagonist des Tages war zunächst nirgends zu finden. Als Hoffmann ein paar Minuten später schließlich wieder auftauchte, musste der Sieger zunächst einmal tief Luft holen. „Ich muss gestehen, dass ich emotional noch unter dem Eindruck dieser Wahl stehe“, sagte Hoffmann, der sich nach einigen Sekunden allerdings wieder berappelt hatte.
„Ich nehme die Schwere der Aufgabe durchaus wahr“, sagte der 55-Jährige, der die in den vergangenen Tagen erneut aufgerissenen Gräben zeitnah zuschütten möchte: „Wenn wir auch weiterhin die Feinde im eigenen Verein suchen und nicht beim Gegner, dann werden wir es zu nichts bringen.“
Müssen Bruchhagen und Todt im Sommer gehen?
Wie Hoffmann als Präsident des HSV e. V. den strauchelnden Bundesligadino wieder auf Erfolgskurs bringen will, machte er schnell deutlich. Bereits an diesem Montag will er den gerade gewählten Aufsichtsratschef der HSV-AG, Michael Krall, anrufen und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. Klar ist, dass Hoffmann nach seiner gewonnenen Wahl auch den Vorsitz des Kontrollgremiums anstrebt – und als neuer Aufsichtsratschef spätestens vom Sommer an in der Führung der HSV-AG aufräumen wird.
Eine Trennung von Clubchef Heribert Bruchhagen gilt als genauso wahrscheinlich wie die von Sportchef Jens Todt. Auf der Versammlung schlug Hoffmann bereits proaktiv vor, zukünftig wieder einen Sportvorstand zu installieren. „Die Entscheidungen sollten gut sein, aber nicht schnell“, sagte Hoffmann, der nach dem Abschluss der Versammlung um kurz vor 19 Uhr mit seinen neuen Vizepräsidenten Thomas Schulz und Moritz Schaefer, seiner Lebensgefährtin Sandra sowie ein paar Freunden vor allem ein schnelles Glas Wein trinken wollte.
Dabei schienen allzu viele Hoffmann-Freunde ein paar Stunden zuvor nicht mehr in der Kuppel zu sein. Die zunächst wahrnehmbare Pro-Hoffmann-Stimmung im Saal kippte, als am Nachmittag eine große und lautstarke Gruppe der eigentlich längst aufgelösten Ultravereinigung Chosen Few die Versammlung enterte. Die schon immer Hoffmann-kritischen Fans stimmten „Hoffmann raus!“-Rufe an, die von Versammlungsleiter Esselsgroth schnell unterbrochen wurden.
Kommentar: HSV muss sich mit Hoffmann für Liga zwei aufstellen
Das Niveau der Mitgliederversammlung näherte sich trotzdem mehr und mehr dem Niveau der Bundesligamannschaft an: Hoffmann-Anhänger aus dem Lager der HSVPlus-Befürworter beschimpften per angemeldeten Wortbeiträgen Meier, Hoffmann-Gegner nahmen sich dessen Herausforderer vor. Wirklich sachlich blieb es nur selten.
Wettstein verspricht „ligaunabhängig“ die Lizenz
„Ihr habt es einfach nicht verstanden“, bellte schließlich Peter Gottschalk, der seinen AfD-Antrag am späten Abend zurückzog, als letzter eingetragener Redner ins Mikrofon, ehe Ehrenrat Esselsgroth um 17 Uhr offiziell an die Urnen bat. „Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass es sehr knapp werden würde“, sagte Hoffmann, als er 50 Minuten später zum Sieger erklärt wurde. „Die repräsentative Demokratie in diesem Club ist nun mal eine ganz besondere“, sagte der erleichterte Diplomkaufmann – und verabschiedete sich.
Doch nicht nur die Hoffmann-Wahl hatte an diesem langen Tag in Lurup für Spannung gesorgt. Lange bevor sich das Team Hoffmann zuprosten durfte, standen die Berichte von Vorstandschef Heribert Bruchhagen und Finanzvorstand Frank Wettstein auf der Tagesordnung.
Das wichtigste Versprechen stammte dabei von Wettstein: „Wir werden ligaunabhängig die Lizenz erhalten – das ist sicher“, sagte der 44 Jahre alte Mann der Zahlen, der am Ende seiner Rede trotz einiger Eingeständnisse wie beispielsweise der Richtigstellung, dass dem HSV auch in dieser Saison ein weiteres Minus droht („Wir werden einen leichten Fehlbetrag erwirtschaften“), freundlichen Applaus erhielt.
Bruchhagen räumt Fehler ein
Nicht ganz so freundlich ging das Plenum mit Wettsteins Vorstandskollegen Bruchhagen um, der sich allerdings mit einer kämpferischen Zwölf-Minuten-Rede durchaus achtbar aus der Affäre zog. Der in der Kritik stehende Clubchef räumte ein, dass die Mannschaft eine „Eigendynamik des Misserfolgs entwickelt“ habe, für die er persönlich die Verantwortung übernehme: „Ich trage die Verantwortung für diesen Misserfolg. Aber ich bin weiter fest überzeugt von der Wende“, rief Bruchhagen dem unruhigen Publikum zu.
Sein Hauptversäumnis sei es, trotz gegenteiliger Versprechungen nicht den Gehaltsetat der Mannschaft signifikant gesenkt zu haben. „Die Gehaltsstruktur der Mannschaft hat sich nicht auf dem grünen Rasen widergespiegelt. Das wollte ich ändern. Ich habe es aber nicht geschafft, diesen Punkt umzusetzen.“
Ob Bruchhagen im Sommer die Chance zur Wiedergutmachung erhält, darf nach dem Wahlsonntag nun als ziemlich fraglich bezeichnet werden.