Hamburg/München. Polizei alarmiert nach Drohplakaten am Volksparkstadion. Hollerbachs Nachfolger könnte schnell übernehmen. Holtby verletzt.

Der Abstiegskampf des HSV sorgt für einen Fan-Eklat und vermutlich für Aktionismus im Verein. Trainer Bernd Hollerbach steht möglicherweise vor der Ablösung. Nach Informationen des Hamburger Abendblatts könnte in den kommenden Stunden bereits eine Entscheidung fallen.

Entsetzen bei den "normalen" Fans des HSV nach der makabren Aktion von Unbekannten am Volksparkstadion: Die 0:6-Niederlage beim FC Bayern München war offenbar der Auslöser für das Aufstellen von Grabkreuzen und einem Drohplakat am Stadion des Hamburger SV am Sonnabend. Die Polizei Hamburg ist eingeschaltet und wollte zunächst aus "ermittlungstaktischen Gründen" nichts zu ihrem Vorgehen sagen. Der HSV hat die Ordner am Stadion verstärkt. Das Team war nach dem Spiel sicher in Hamburg gelandet.

Titz als neuer Trainer?

Die Mannschaft von Trainer Bernd Hollerbach wird den erstmaligen Abstieg aus der Bundesliga kaum noch verhindern können, da sind Experten sicher. Auch wenn es noch acht Spieltage bis Saisonende sind, ist angesichts der desolaten sportlichen und personellen Situation im Verein – Vorstandschef Heribert Bruchhagen sowie Sportchef Jens Todt wurden gerade freigestellt – keine Besserung in Sicht. Zumal Trainer Hollerbach offenkundig die Lobby fehlt.

Am Sonntag leitete Hollerbach noch das Training. Er besprach sich lange mit dem Mannschaftsrat. Intern wird beim HSV bereits darüber diskutiert, ob man jetzt schnell noch einmal den Trainer tauscht. Als Ersatz für Hollerbach und die verbleibenden Spiele stünde Christian Titz bereit, der die zweite Mannschaft coacht. Vorteil: Die schnelle Ablösung Hollerbachs würde nicht ganz so teuer.

Lewis Holtby hat sich im Training am Sonntag eine Schienbeinverletzung zugezogen. Die Diagnose wird nach Auskunft des Vereins vermutlich erst am Montag feststehen. Damit ist unklar, ob er längere Zeit fehlen wird. Holtby gehört allerdings nicht mehr zur Stamm-Elf. Seinen bislang letzten Einsatz hatte er unter dem mittlerweile freigestellten Trainer Markus Gisdol vor sieben Spieltagen bei der 0:2-Heimniederlage gegen den 1. FC Köln.

Nicht zum HSV kommen wird wohl Manager Jonas Boldt. Er will seinen bis 2019 laufenden Vertrag bei Bayer Leverkusen erfüllen. „Das ist mein Plan. Ich habe nie einen anderen gehabt“, sagte Boldt im Aktuellen Sportstudio des ZDF. Vom Interesse des HSV habe er gelesen.

Twitter-Bild zeigt Drohungen gegen den HSV

Trotzdem mischt sich in das Entsetzen vieler Fans über die Drohungen gegen die Mannschaft und den Verein auch Optimistisches. So schrieb der langjährige HSV-Anhänger Mathias Heinze dem Abendblatt, man müsse in Hamburg ein "friedliches Feuerwerk der Liebe und Entschlossenheit" für den HSV veranstalten. Die Mannschaft brauche gerade nach dem 0:6 in München Unterstützung, keinen Druck. Es seien noch 24 Punkte zu vergeben. "Lasst uns der Dino bleiben", ist Heinzes Motto.

HSV: Hier Spielbericht und Stimmen

HSV: Die Einzelkritik

Andere User bei Twitter beklagen den schlechten Stil der HSV-Kritik. Vieles davon ist vor dem Hintergrund eines aktuellen Interviews zu verstehen, das der ehemalige Nationalspieler und Weltmeister Per Mertesacker im "Spiegel" gegeben hat. Dort beklagt er den Druck, der auf den Spielern laste. Mertesacker sagte, er habe körperlich vor Spielen gelitten, habe mit Brechreiz und Durchfall zu kämpfen gehabt. Gleichzeitig wurden Anspielungen auf den 2009 verstorbenen Robert Enke gemacht, der seinem Leben selbst ein Ende setzte. Enke litt allerdings an Depressionen.

HSV-Fans bei Twitter

Einige Twitter-User und Fans beklagen auch die überharte Kritik an HSV-Jungprofi Vasilije Janjičić. Er musste sich wie die anderen Spieler vorwerfen lassen, in München sportlich versagt zu haben. Trainer Hollerbach ("Man muss ordentlich dagegenhalten") und einige Spieler hatten die mentale und körperliche Einstellung innerhalb der Mannschaft explizit gerügt. Janjičić war zuletzt dadurch aufgefallen, dass er betrunken, ohne Führerschein einen Unfall am Elbtunnel ausgelöst hatte und sich bei der Polizei für seinen Zwillingsbruder ausgegeben haben soll. Hier liegen keine Krankheit oder Pech vor, sondern mehrfacher Vorsatz.

Trainer Hollerbach muss sich erklären

Während Kyriakos Papadopoulos die schlechte Transferpolitik des HSV in der Winterpause kritisierte, sagte Sven Schipplock im NDR: "Viel schlimmer als gegnerische Fan-Gesänge ist die Einstellung bei einigen von uns. Keine Ahnung, wie so etwas möglich ist. Die sollte man mal fragen!"

Bei Hollerbach ist nicht klar, warum er erst den erfahrenen und engagierten Dennis Diekmeier wochenlang nicht von Anfang an bringt, ihn in München auflaufen lässt und nach 24 Minuten auswechselt.

HSV geht bei Bayern München unter

Warum setzt er zunächst auf Mega-Talent Fiete Arp, um ihn dann ausgerechnet nicht in München einzusetzen? Psychologisch gesehen, wäre es für Arp gut gewesen, bei Bayern zu spielen. Der in Europa Umworbene hätte sich besonders engagiert. Selbst bei einem Debakel hätte Arp die Erfahrung einmal "genossen", die so eine Profikarriere mit sich bringt. Wollte Hollerbach ihm einen Denkzettel verpassen? Oder war Arp einfach außer Form und warum? Das sind Fragen, die Hollerbach beantworten muss, wenn er in der Woche vor dem möglicherweise alles entscheidenden Spiel gegen Hertha BSC Berlin am kommenden Sonnabend (15.30 Uhr) im Volksparkstadion unter Beobachtung steht.

Frankreich: Fans stürmen Platz und verletzen Profis

Wie schlimm der Abstiegskampf in anderen Ländern ist, zeigte zuletzt der OSC Lille in Frankreich. Etwa 200 Fans sollen nach dem 1:1 von Lille gegen Montpellier am Sonnabend den Platz gestürmt und die Spieler bedroht haben. Dem Stürmer Nicolas Pepe wurde offenbar gegen das Bein getreten. Sicherheitskräfte verhinderten, dass die aufgebrachten Fans den Spielertunnel erreichten.

Lille ist bei 28 Punkten Vorletzter in einer Liga, die ähnlich wie die Bundesliga mit dem FC Bayern von einer Mannschaft dominiert wird: Paris St. Germain. Lille hat wie der HSV extreme sportliche und finanzielle Problemen. Lilles Trainer Christoph Galtier sagte: „Die Fans haben die Kontrolle verloren. Es sind aber auch Fans, die traurig und unglücklich sind.“ Ich akzeptiere aber nicht, dass meine Spieler geschlagen und in dieser Weise behandelt werden.“