Sotogrande. Faride Alidou bleibt das Dauerthema. In Spanien will der HSV nach drei Fehlversuchen den Grundstein für den Aufstieg legen.
Jonas Boldt hatte gute Laune, als er am frühen Sonntagabend den Trainingsplatz des Santa Maria Polo Clubs in Sotogrande betrat. Die Sonne in Andalusien ging gerade unter. Und der Sportvorstand des HSV genoss das Palmenpanorama.
„Es ist einfach ein anderes Erlebnis“, sagte der 39-Jährige über die Atmosphäre im gerade begonnenen Trainingslager. Trotz der Reisewarnung waren die Hamburger um 10.30 Uhr mit einer Chartermaschine in das Corona-Hochrisikogebiet Spanien geflogen. Doch die Covid-Sorgen waren wie verflogen, als die Mannschaft im Sonnenuntergang das erste Mal auf dem Platz trainierte. „Wir versuchen so abgeschottet wie möglich zu sein“, sagte Boldt, der mit der Mannschaft für sechs Tage im Fünfsternehotel SO/Sotogrande wohnt.
HSV-Profi Bakery Jatta hat Corona
Mit 26 Spielern bereitet sich der HSV an der Costa del Sol auf die Restrückrunde vor. Neben dem Langzeitverletzten Tim Leibold (Kreuzbandriss) war nur Bakery Jatta in Hamburg geblieben. Genau wie Leibold hat sich der Gambier mit Corona infiziert. Nach mehreren unklaren Testergebnissen gab ein weiterer PCR-Test am Sonntag Gewissheit. Der dreifach geimpfte Jatta hatte sich bereits in Quarantäne begeben und zuvor keinen Kontakt zur Mannschaft gehabt. Das Hygienekonzept des HSV hatte erneut gegriffen.
Und so sah sich Boldt in seiner Entscheidung bestätigt, trotz aller Warnungen nach Spanien geflogen zu sein. „Wir werden hier neue Energie tanken. Die Stimmung ist richtig gut. Es wächst etwas zusammen“, sagte Boldt.
Lernt der HSV aus Trainingslager-Erfahrung?
Wie wichtig die Stimmung im Team für den weiteren Verlauf der Rückrunde ist, zeigte sich in den vergangenen drei Jahren. 2019 verlor Trainer Hannes Wolf als Tabellenführer schon im Winterquartier im spanischen La Manga den Rückhalt wichtiger Spieler wie Lewis Holtby, Christoph Moritz und Matti Steinmann, die unter Vorgänger Christian Titz eine entscheidende Führungsrolle in der Kabine innehatten. Zudem sorgten die offenen Vertragslagen bei Holtby, Pierre-Michel Lasogga oder Fiete Arp für Unzufriedenheit. Und so verspielte der HSV seinen Vorsprung in der Rückrunde.
Anders war es im Jahr darauf unter Dieter Hecking. Die bis dahin intakte Mannschaft wurde im portugiesischen Lagos und den Wochen bis zum Transferende durch die Neuzugänge Louis Schaub, Jordan Beyer und Joel Pohjanpalo stark verändert. Im zu großen Kader kam es in der zweiten Saisonhälfte erneut zu einigen persönlich Enttäuschten. Spieler wie Lukas Hinterseer, Jairo Samperio, Khaled Narey und nach der Corona-Pause auch Schaub kamen kaum noch zum Einsatz und schoben Frust.
Im vergangenen Winter unter Daniel Thioune verlief der Januar zunächst gut. Durch die verkürzte Winterpause gab es kein Trainingslager. Aus sechs Spielen holte der HSV vier Siege und zwei Unentschieden. Doch ausgerechnet im letzten Spiel vor Ende des Transferfensters verletzte sich Abwehrchef Toni Leistner beim 4:1 gegen Paderborn so schwer am Oberschenkel, dass er fast drei Monate ausfiel. Ohne den Verteidiger holte der HSV kaum noch Punkte. Wieder kam es zu schlechter Stimmung in der Kabine, wieder sorgten ungeklärte Vertragslagen etwa bei Aaron Hunt oder Simon Terodde für atmosphärische Störungen. Wieder war der Aufstieg weg.
Faride Alidou: Boldt wägt ab
Aller guten Dinge sind nun also vier. Trainer Tim Walter muss es nicht nur in Sotogrande schaffen, die gute Stimmung in der Mannschaft aufrechtzuhalten. Aus internen, aber auch externen Kreisen ist derzeit immer wieder zu hören, dass der Zusammenhalt größer sei als in den vergangenen drei Jahren. „In den letzten Jahren lag es auch daran, dass irgendwann ein Bruch reinkam“, sagte Boldt über die drei verpassten Aufstiege der Vorjahre. Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel müssen in den kommenden Tagen und Wochen bis zum Ende der Transferperiode und auch in der Planung über die Saison hinaus viele richtige Entscheidungen treffen.
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Schon in der Hinrunde hatte der HSV im Ligavergleich den kleinsten Kader. Mit Leibold ist einer der Leistungsträger bis zum Sommer weggebrochen. Mit Tommy Doyle (20) und Faride Alidou (20) könnten zudem noch zwei weitere Spieler den Club im Januar verlassen. Eine Rückkehr von Doyle (20), der sich aktuell noch in England aufhält, ist in jedem Fall sehr unwahrscheinlich. Das Leihgeschäft mit Manchester City wird aller Voraussicht nach vorzeitig abgebrochen. „Wir haben uns das alle anders vorgestellt“, sagte Boldt.
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Dagegen deutet sich bei Alidou keine schnelle Einigung mit seinem künftigen Club Eintracht Frankfurt an. „Es ist eine Frage der Summe. Und die müsste schon richtig hoch sein“, sagte Boldt über die Verhandlungen mit der Eintracht. Dort hat Alidou bereits einen Vertrag unterschrieben. Spätestens im Sommer ist er weg. Dass die Hessen dem HSV die gewünschte Ablöse von 500.000 Euro zahlen, um ihn schon jetzt zu bekommen, ist aktuell unwahrscheinlich. Doch Boldt muss auch abwägen, ob ein Verbleib ein Störfaktor werden könnte, weil Alidou bei einigen Fans in Ungnade gefallen ist. „Kritische Situationen werden jetzt noch kritischer gesehen“, sagt Boldt.
HSV-Transfer hängt von Alidou ab
Freuen tut sich der Manager auf die Rückkehr der Langzeitverletzten Stephan Ambrosius und Josha Vagnoman. Ob Vagnomans anfällige Muskulatur hält, ist eine weitere Frage, die Boldt und Mutzel bei der Planung für die Rückrunde bedenken müssen. Die fehlenden Einnahmen durch die neuen Corona-Einschränkungen erschweren zudem die finanzielle Machbarkeit von Transfers.
Ob der HSV bis Ende Januar noch einen Spieler verpflichtet, hängt maßgeblich von der Alidou-Frage ab. Wenn der HSV noch Bedarf hätte, dann auf den offensiven Außenpositionen. „Wenn wir uns verbessern können, werden wir zuschlagen“, sagte Boldt und grinste.
Der Manager freut sich auch darüber, dass Torhüter Daniel Heuer Fernandes noch in dieser Woche seinen Vertrag verlängern wird. Boldts gute Laune lag in diesem Moment aber vor allem an der untergehenden Sonne von Sotogrande.
- Sportstaatsrat Christoph Holstein kündigte bei NDR 90,3 an, dass den Hamburger Proficlubs eine erneute Reduzierung der Zuschauerkapazität droht. Aktuell darf der HSV 4999 Fans reinlassen.