Hamburg. Die Ausgangslage und das Restprogramm des HSV erinnern an die vergangene Saison. Was der Club dieses Jahr besser machen will.

Die Crunchtime begann für den HSV mit einem Blackout. Es war der 27. Spieltag, und die Hamburger führten bei Hannover 96 nach 50 Minuten bereits mit 3:0. Aaron Hunt hatte seinen Trainer Daniel Thioune und die Fans mit seinem Dreierpack beglückt. Der dritte Sieg in Serie, und der Aufstieg des HSV im dritten Anlauf schien auf dem sicheren Weg. Doch nur 40 Minuten später schlichen Thioune, Hunt und Co. nach dem 3:3 wie ausgeknockte Boxer aus dem Ring der Arena von Hannover. Ein Tiefschlag, von dem sich Thioune und der HSV nicht mehr erholen sollten. Fast ein Jahr ist dieser Ostersonntag her.

An diesem Wochenende ist zwar noch nicht Ostern, aber wieder der 27. Spieltag der Zweiten Liga. Der Trainer des HSV heißt nicht mehr Thioune, sondern Tim Walter. Die Hamburger haben fünf Punkte weniger geholt als zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Saison. Und trotzdem ist die Stimmung im Volkspark – Stand jetzt – irgendwie besser als vor einem Jahr nach den Ostertagen.

„Ganz Fußball-Deutschland rechnet aktuell damit, dass der HSV nicht aufsteigt. Aber die Saison ist noch nicht zu Ende, jetzt beginnt die Crunchtime. Ich glaube, dass unsere Mannschaft jetzt deutlich resistenter ist“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt unter der Woche in einem Interview mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Boldt ist traurig über Thioune-Aus beim HSV

Die von Boldt zitierte Crunchtime beginnt an diesem Sonnabend mit dem Auswärtsspiel bei Fortuna Düsseldorf (13.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de). Und dort trifft der Manager auch wieder auf den Trainer, den er vor einem Jahr freigestellt hatte: Daniel Thioune. Seit fünf Wochen ist der 47-Jährige neuer Chefcoach in Düsseldorf. „Ich musste ein paar Trainerentscheidungen mehr treffen, als mir lieb war“, sagte Boldt dem „RND“, als er über seine bisherige HSV-Zeit sprach, und meinte damit vor allem auch die Trennung von Thioune im April 2021.

Dass dieser in Hamburg gehen musste, lag vor allem daran, dass er nach dem Osterblackout in Hannover auch die folgenden vier Spiele nicht mehr gewinnen konnte. Dabei war die Ausgangslage für Thioune acht Spieltage vor Schluss machbar. In den letzten acht Partien musste der HSV bis auf den Karlsruher SC nur noch gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte ran. Und verspielte den Vorsprung dennoch auf fast schon unnachahmliche Hamburger Art und Weise.

HSV-Konkurrenz nimmt sich Punkte weg

Man sollte sich beim HSV an diese Wochen erinnern, wenn man auf das Restprogramm der Zweiten Liga blickt. Acht Spieltage vor Schluss hat sich ein Siebenkampf um den Aufstieg manifestiert. Anders als in den vergangenen drei Jahren geht der HSV die Crunchtime diesmal als Verfolger an, hat aber wie schon im vergangenen Jahr das vermeintlich einfachste Restprogramm (siehe Tabelle).

Ein Spiel weniger, noch fünf Heimspiele und kein direktes Duell mehr mit einem der oberen sieben Clubs. Dagegen nehmen sich die Aufstiegskonkurrenten des HSV gegenseitig noch Punkte weg. Für den FC St. Pauli stand gegen den 1. FC Heidenheim am Freitagabend das erste von insgesamt fünf direkten Duellen unter den Topteams an. Genauso ergeht es dem 1. FC Nürnberg. Darmstadt 98 und Werder Bremen treffen sich am Sonnabend (20.30 Uhr) zum ersten von noch vier Konkurrentenspielen. Auch Schalke hat vier, Heidenheim insgesamt drei.

Durch die ungewöhnlich vielen Aufeinandertreffen der Top sieben zeichnet sich schon jetzt ab, dass in dieser Saison weniger Punkte für die ersten drei Plätze reichen dürften als vor einem Jahr. Da landete der HSV mit 58 Zählern auf Rang vier. Ein Jahr zuvor schaffte der VfB Stuttgart mit derselben Ausbeute den direkten Aufstieg. Und in diesem Jahr?

HSV: Der Unterschied zwischen Thioune und Walter

„Jeder, der die Tabelle lesen kann, weiß, wie gering die Abstände sind. So eng, wie es momentan ist, war es noch nie in der 2. Liga“, sagte HSV-Trainer Tim Walter vor dem Spiel in Düsseldorf, in dem er auf seinen Vorgänger beim HSV trifft. Der 46-Jährige setzt in Hamburg auf eine völlig andere Herangehensweise, als es Thioune getan hat. „Wir werden auch in Düsseldorf unser Spiel durchziehen“, sagte Walter.

Thioune dagegen wählte beim HSV fast wöchentlich eine andere Taktik und richtete sich mit seinem Matchplan meist nach dem Gegner. Damit hatte der Fußballlehrer im Volkspark lange Erfolg. Ausgerechnet in der Crunchtime aber nicht mehr. Dass Thioune von Walters Idee nicht restlos überzeugt ist, ließ er am Donnerstag durchblicken. „Ich wünsche dem HSV, dass er die Liga verlässt. Wenn das der Fußball ist, der dazu führt, ist das ein erfolgreicher Fußball und hat eine Daseinsberechtigung“, sagte Thioune.

Nach dem grotesken Hannover-Spiel vor einem Jahr war beim HSV innerhalb der Mannschaft die Stimmung gekippt. Eine Woche später ließ sich Thioune nach dem Darmstadt-Spiel in der Kabine zu einem Streit mit Problemstürmer Bobby Wood hinreißen. Zwei weitere Wochen später war nicht nur Wood weg, sondern auch Thioune.

HSV: Macht Kaufmann den Wood?

Walter will das in diesem Jahr besser machen. Mit Stürmer Mikkel Kaufmann strich auch er nun einen Problemfall aus dem Kader. Der Däne war zuletzt zweimal zu spät zu Terminen gekommen. „Sie denken, ich sollte eine Strafe haben, und das verstehe ich. Aber ich denke immer noch, dass es eine Überreaktion ist“, sagte Kaufmann daraufhin dem dänischen Sportmagazin „Tipsbladet“.

Kaufmann spielt in der Crunchtime nun genauso wenig eine Rolle wie Wood vor einem Jahr. Nur den Ausgang der entscheidenden Wochen erhoffen sich die Hamburger in diesem Jahr anders.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

  • Fortuna: Kastenmeier – Zimmermann, Hoffmann, Oberdorf, Gavory – Tanaka, Prib – Narey, Appelkamp – Bozenik, Iyoha.
  • HSV: Heuer Fernandes – Vagnoman, Schonlau, Vuskovic, Muheim – Heyer – Reis, Kinsombi – Jatta, Glatzel, Kittel.