Nürnberg/Hamburg. Bittere Diagnose für Vize-Kapitän des HSV – der von Nürnberger Fans zusätzlich gedemütigt wurde. Bangen auch um Heuer Fernandes.
Der Sieg des HSV gegen den 1. FC Nürnberg nach Elfmeterschießen in der zweiten Runde des DFB-Pokals wurde wie befürchtet teuer erkauft. Wie der Zweitligist am Mittwochnachmittag mitteilte, hat sich Tim Leibold am Dienstagabend einen Kreuzbandriss im vorderen rechten Knie zugezogen. Dies hätten eingehende Untersuchungen an der Universitätsklinik Eppendorf (UKE) ergeben. Der Linksverteidiger werde nach HSV-Angaben somit in dieser Saison „wahrscheinlich kein Spiel mehr bestreiten“.
Leibold hatte sich nach einem Zweikampf mit Tom Krauß an der Außenlinie unter lauten Schmerzschreien sein rechtes Knie gehalten. Und so musste Hamburgs Vize-Kapitän, der sich nach seiner rätselhaften allergischen Reaktion im Spiel gegen Paderborn gerade erst wieder fit zurückgemeldet hatte, schon nach 18 Minuten gegen Miro Muheim mit Verdacht auf eine schwerwiegende Verletzung ausgetauscht werden.
Verletzter Leibold von Nürnberg-Fans ausgepfiffen
Nach minutenlanger Behandlung wurde Leibold auf einer Trage in die Kabine gebracht. Besonders schlimm: Während aus der Hamburger Kurve aufmunternd der Name des 27 Jahre alten Linksverteidigers skandiert wurde, pfiffen Nürnberger Fans den früheren „Clubberer“ auch dann noch aus.
Eine Reaktion, die auch den Verantwortlichen der Gastgeber bitter aufstieß. Am Mittwoch verurteilte der 1. FC Nürnberg das Verhalten des eigenen Anhangs scharf. „Der 1. FC Nürnberg steht für Fairness. Wir vertreten es in keinster Weise, einen Spieler zu demütigen, vor allem dann nicht, wenn er unter Schmerzen am Boden liegt“, schrieben die Franken auf ihrer Homepage.
Nürnberg über Leibold-Pfiffe: „Tiefpunkt“
„Wir bedauern es wirklich sehr, dass es dennoch zu solch einem Verhalten gekommen ist und entschuldigen uns beim Hamburger SV und insbesondere bei Tim Leibold, dem wir eine schnelle Genesung wünschen“, schrieb der „Club“ weiter.
Leibold hatte von 2015 bis 2019 in Nürnberg gespielt, Fans nahmen ihm seinen Wechsel zum HSV später übel. Im DFB-Pokalspiel wurde er bei jeder Aktion von FCN-Anhängern ausgepfiffen – auch während seiner Behandlung. Der „Club“ kritisierte dies als „einen Tiefpunkt“ in der Partie, den man ganz klar verurteile.
HSV-Profi Jatta rassistisch beleidigt?
Auf andere Schmähungen, von denen Stadionbesucher berichteten, gingen die Nürnberger zu diesem Zeitpunkt noch nicht ein. Als Antwort auf den Entschuldigungs-Tweet zu Leibold schrieb ein User von „übelsten rassistische Parolen“ auf der Gegentribüne gegen Bakery Jatta.
„In Block 19a hat man sich mal wieder auf Jatta eingeschossen“, twitterte @lukasschndlr1. Die Fanbetreuung sei über die Vorgänge demnach bereits informiert.
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Bei einem Teil der Nürnberger Fans ist HSV-Profi Jatta seit der Debatte um seine Identität, innerhalb derer der „Club“ zwischendurch auch die Annullierung der 0:4-Heimniederlage im August 2019 angestrebt hatte, in Ungnade gefallen.
HSV-Profi Leibold „dementsprechend traurig“
In Leibolds Fall habe er seinen Mitspieler in der Halbzeitpause dann „dementsprechend traurig“ auf der Physio-Liege vorgefunden, berichtete HSV-Matchwinner Jonas David, der sich angesichts dieser Szene (Daniel Heuer Fernandes: „Das sah nicht gut aus“) auch nur eingeschränkt über das gewonnene Elfmeterschießen freuen konnte.
„Bei all der Freude über den Sieg steht die Gesundheit noch über dem Spiel“, sagte David, der damit auch noch einen weiteren Schockmoment im Spiel meinte: Den Zusammenstoß von Muheim mit Nürnbergs Krauß.
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HSV-Profi David schockiert wegen Krauß
Die beiden waren unmittelbar nach Wiederanpfiff im Luftduell mit den Köpfen aneinandergerasselt und jeweils zu Boden gegangen. Während der HSV-Profi sich berappelte, blieb Gegenspieler Krauß zunächst benommen liegen.
Er habe Blut gesehen und, dass er sich „nicht richtig im Gesicht“ bewege, sagte David über Krauß. „Das wünscht man keinem“, so Hamburgs Youngster, der sich bei der Bildung eines Sichtschutzes unweigerlich an das EM-Drama um Dänemarks Christian Eriksen erinnert fühlte. „Klar ist man dann erst einmal ein Stück weit schockiert.“
Noch am späten Dienstagabend gab zunächst Nürnbergs Trainer Robert Klauß erste Entwarnung („Er ist ansprechbar und bei Bewusstsein“), am Mittwochmorgen dann Krauß selbst. „Danke für die ganzen Genesungswünsche. Mir geht es gut“, schrieb der 20-Jährige in den Sozialen Medien.
HSV muss auch um Heuer Fernandes bangen
Zu diesem Zeitpunkt stand aber sowohl bei Krauß als auch bei Leibold eine genaue Diagnose noch aus. „Ich habe nicht gesehen, ob sich da irgendetwas verdreht hat. Ich hoffe es natürlich nicht“, sagte David. Dieser Hoffnung schloss sich Heuer Fernandes an: „Leibe ist natürlich ein Spieler, der brutal wichtig für uns ist.“
Was der Torhüter da noch nicht wusste: Auch ihn selbst hatte es in Nürnberg erwischt. Wie der HSV am Mittwochnachmittag mitteilte, zog sich der Schlussmann bei seiner vorentscheidenden Elfmeterparade gegen Asger Sörensen eine Kapselverletzung im Knie zu. Heuer Fernandes müsse daher in den kommenden Tagen kürzer treten und abwarten, ob ein Einsatz im Nordderby gegen Holstein Kiel am Sonnabend (20.30 Uhr) reichen wird.
Leibold konnte sich schon wieder freuen
Am späten Dienstagabend bezog Tim Walter zunächst Stellung zu Tim Leibold. „Mir tut halt Timmi unglaublich leid, weil er einfach ein guter Junge ist“, sagte der HSV-Trainer, der nach dem Nervenkrimi um kurz vor Mitternacht ebenfalls noch unter dem Eindruck der beiden Unglücksszenen stand.
„Das gehört zwar zum Fußball dazu, aber das trübt so ein bisschen die ganzen Launen. Das will man einfach nicht sehen“, sagte Walter. „Wenn bei mir einer verletzt ist in der Truppe, das schüttelt man nicht so einfach ab.“
Von einem kleinen Mutmacher zu Leibold konnte dann aber auch Walter noch in der Pressekonferenz berichten: „Der liegt in der Kabine und freut sich jetzt eigentlich für unsere Jungs.“ Und auch bei David lag die Freude über das Weiterkommen schließlich nicht ganz verschüttet: „Wir freuen uns riesig über den Sieg, aber fühlen auch mit Tim.“