Hamburg/Dortmund. Der gebürtige Hamburger führte das Heimatland seines Vaters zur Endrunde. Beim HSV-Spiel gegen Hannover schaut er genau hin.
Über zu wenig Abwechslung am kommenden Wochenende braucht sich Otto Addo nun wirklich keine Sorgen machen. Am Sonnabend feiert sein ältester Sohn Otis seinen 9. Geburtstag, der BVB gastiert im letzten Auswärtsspiel der Saison bei der SpVgg Greuther Fürth, und Dortmunds U 19, die er als Toptalente-Trainer ganz besonders im Fokus hat, spielt auch noch im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft.
Gegen Schalke 04! „Das wird ein volles Wochenende“, sagt Addo im Podcast „HSV – wir müssen reden“ – und vergisst auch nicht zu erwähnen, dass es da ja noch ein ganz besonderes Spiel in der Zweiten Liga gibt: Der HSV, sein HSV, empfängt Hannover 96, seinen Hannover 96. „Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, sagt der 46-Jährige.
Otto Addo fühlt sich dem HSV und Hannover verbunden
Otto Addo und sein großes Fußballherz. Der gebürtige Hamburger aus Hummelbüttel hat beim HSV gespielt und als Trainer gearbeitet, er hat aber auch seine Profikarriere in Hannover begonnen. „Ich fühle mich beiden Clubs verbunden“, sagt der dreifache Familienvater, der in seinem Herzen aber auch genügend Platz für Borussia Dortmund und natürlich die ghanaische Nationalmannschaft hat. Beim BVB spielte er sechs Jahre lang und arbeitet nun seit drei Jahren als Coach. Und mit Ghana fuhr er 2006 als Spieler zur WM und wiederholt das Kunststück nun im kommenden Winter in Katar als Trainer.
Wo will man da im Gespräch nur anfangen? Wo aufhören? Addo muss lachen. Der frühere Mittelfeldmann sitzt im BVB-Trainingsanzug in einem Aufnahmestudio in Dortmund und zuckt mit den Schultern. Er sei nun mal ein Kontakter, sagt er schließlich. Natürlich habe er viele Kontakte zu Dortmundern und nach Ghana, er pflege aber auch immer noch viele Verbindungen zum HSV und zu Hannover 96.
Diversität im Profibereich: DFB-Thema
„Ich erwarte da ein ganz, ganz enges Spiel“, sagt der Ex-HSV-Hannoveraner. „Hannover kann befreit aufspielen, das macht es schwierig für den HSV. Das erste Tor könnte entscheidend sein.“ Ein Vorteil im engen Aufstiegsrennen laut Addo für den HSV: Am Freitag müsse Hauptkonkurrent Darmstadt 98 ja noch zu Fortuna Düsseldorf. „Düsseldorf ist zurzeit richtig stark“, sagt Addo, der seit mehr als 20 Jahren gut befreundet mit Ex-HSV-Trainer Daniel Thioune ist, der mit Düsseldorf noch nicht einmal verloren hat: „Daniel hat da einiges bewegt. Ich glaube auch, dass Düsseldorf in der kommenden Saison mit ihm eine gute Rolle spielen kann. Für Darmstadt wird das richtig schwer.“
Dass Addo über den Spielfeldrand hinausschaut, wird deutlich, als die Frage aufkommt, warum er und Thioune die einzigen schwarzen Trainer im deutschen Profibereich seien. „Das ist auch ein Thema für den DFB“, sagt er. „Es ist schwierig für viele Leute aus sozialen unteren Schichten, die Trainerscheine zu machen. Da muss sich noch viel ändern und verbessern.“
Rassismus: Addo spricht über Erfahrungen
Der Deutsch-Ghanaer weiß genau, wovon er spricht. Er hat schon viel zu oft bewussten und unbewussten Rassismus in seinem Leben erfahren müssen – und spricht im Gespräch mit dem Abendblatt auch sehr offen über seine Erfahrungen. Zum Beispiel von einem Erlebnis in Cottbus, als er als Jungprofi mit Hannover 96 zur Spielbeobachtung gegen Chemnitz übelst auf der Tribüne beleidigt wurde. „Uns ist sehr viel Hass begegnet. Wir sind früher gegangen, weil Leute uns beschimpft und in unsere Richtung gespuckt haben“, erinnert er sich an jenen Abend, der glücklicherweise schon 25 Jahre her ist. Doch auch im Hier und Jetzt gebe es noch Rassismus.
So sei er erst vor Kurzem vor dem Haus seiner Mutter in Hummelsbüttel von drei Polizeiautos umzingelt worden. „Die haben mich gefragt, was ich hier mache. Meine Kinder wurden mit der Taschenlampe angeleuchtet.“ Addo wird emotional, als er über den Vorfall berichtet. „Das erleben viele Freunde von mir, die dunkelhäutig sind.“
Addo führte Ghana zur WM
Die Hautfarbe und die Herkunft seiner Eltern, die aus Ghana stammen, spielen in Ottos Leben eine große Rolle. Wahrscheinlich ist es auch deshalb so besonders, was sich am 29. März am späten Abend im nigerianischen Abuja abgespielt hat. Nach einem 0:0 im Hinspiel reichte Ghana, das von Interimstrainer Otto Addo betreut wurde, im Rückspiel ein 1:1, um sich für die Weltmeisterschaft in Katar zu qualifizieren. „Ganz Ghana war außer Rand und Band“, erinnert sich Addo an den wohl emotionalsten Abend seiner Trainerkarriere.
Und die Feierlichkeiten gingen am nächsten Tag weiter: „Plötzlich waren wir alle beim Staatspräsidenten“, sagt der Hamburger, der das Land seiner Eltern nun ganz offiziell als Cheftrainer zur WM führen soll. „Ich habe von Dortmund die Erlaubnis bekommen. Sebastian (Kehl, die Red.) will mir diese Chance nicht verbauen. Unter bestimmten Bedingungen klappt es, dass ich die Länderspielphasen im Juni, September und auch die WM machen darf.“
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Addos Tipp: HSV steigt als Zweiter auf
Addo weiß es, wie es ist, bei einer WM dabei zu sein. 2006, als sich Ghana erstmals überhaupt qualifizierte, war er als Spieler dabei. Und obwohl die Black Stars im Achtelfinale mit 0:3 gegen Brasilien verloren, gehört die Weltmeisterschaft in seinem Geburtsland zu seinen Karrierehöhepunkten. „Ich war fast ein ganzes Jahr verletzt, musste mich nach meinem dritten Kreuzbandriss wieder herankämpfen. Dann kam der Anruf, dass ich dabei bin. Diesen Moment werde ich nie vergessen.“
Im Herbst wird er nun derjenige sein, der die Spieler anrufen wird. Und obwohl er gut 200 Tage vor der WM noch keine Prognosen abgeben will, hat ein Hamburger schon jetzt eine WM-Garantie: „Ich lege mich ungern fest – aber der Junge wird definitiv dabei sein“, antwortet Addo auf die Frage, ob sich St. Paulis Daniel-Kofi Kyereh WM-Hoffnungen machen darf. Vielleicht ja sogar als Erstligaspieler des Kiezclubs. Addos Aufstiegstipp: Bremen wird Erster, Zweiter der HSV und Dritter St. Pauli. Und Tabellenführer Schalke 04? Addo zuckt wieder mit den Schultern. Was soll ein Dortmunder dazu noch sagen?