Hamburg. Nach dem 5:2-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg wird der Interimstrainer gefeiert. Doch noch sind die Hamburger in der Jägerrolle.
Am Dienstag herrschte Ruhe rund um das verregnete Volksparkstadion. HSV-Trainer Horst Hrubesch (70) gönnte seiner Mannschaft nach dem 5:2-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg einen freien Tag. Erst am Mittwochnachmittag treffen sich Spieler, Coach und Funktionsteam zum Corona-Test, ehe die Vorbereitung auf die Partie beim VfL Osnabrück am Sonntag beginnt.
Terodde, Jatta und Kittel schießen Nürnberg aus dem Stadion
Alles andere als ruhig ist derweil das Umfeld des Traditionsvereins. Bei den Fans ist praktisch über Nacht eine "Hrubesch-Mania" entstanden. Die Clubikone, die als Spieler dreimal Deutscher Meister mit den Hamburgern wurde, hat den Glauben an das Aufstiegswunder zurückgebracht. So schnell geht das eben. Bei wohl keinem Verein ist der Grat zwischen tiefgrauer Tristesse und grenzenloser Euphorie so schmal wie beim "Hrubesch Sport Verein", wie einige Fans und Boulevardmedien den HSV umtauften.
HSV erhöht Druck auf Fürth, braucht aber Schützenhilfe
An der Ausgangslage im Aufstiegskampf hat sich nur wenig geändert. Durch den verdienten Heimsieg gegen die Franken haben die Hamburger zwar den Druck auf den Drittplatzierten Greuther Fürth erhöht, doch auch Hrubesch weiß, dass man auf Schützenhilfe angewiesen ist, wenn man doch noch die Chance auf die Bundesliga erhalten will. "Es gibt keinen Masterplan. Wenn wir es aber wirklich schaffen, beide Spiele in Osnabrück und gegen Braunschweig zu gewinnen und der liebe Gott mit uns ist, dann kommen wir vielleicht noch in die Relegation", sagte Hrubesch nüchtern und sachlich.
Und genau mit dieser unaufgeregten und pragmatischen Art stand der Trainer-Veteran auch bei seiner Premiere an der Seitenlinie. Die herrlich einfachen Zwischenrufe ("Toni, nicht hinten rum") und die taktischen Vorgaben ("Spiel mit ihm. Spiel. Spiel mit Zwei Eins. Spiel!!!") genießen in den sozialen Netzwerken bereits Kultstatus.
HSV-Trainer sorgte bei Medienterminen für Lacher
Für großes Schmunzeln sorgte Hrubesch auch anschließend bei seinen Medienterminen, als er den überragenden Mittelfeldspieler Sonny Kittel konsequent "Jonny" nannte, und bei der Pressekonferenz fast schon enttäuscht wirkte, als Pressesprecher Philipp Langer erklärte, dass man so langsam Feierabend machen will. "Mir ist es egal. Ich bin ja noch da und schwitze eh noch" scherzte die HSV-Legende auf dem Podium.
Die Lockerheit ist zurück. Das merkte man auch auf dem Platz. Der HSV spielte ab der 25. Minute mit viel Energie, gewann durch gutes Mittelfeldpressing viele 50/50-Zweikämpfe, und suchte immer wieder über die Flügel zielstrebig den Weg zum Tor. Zum zweiten Mal in dieser Saison gelangen fünf Treffer in einem Spiel. Das schaffte der HSV zuletzt beim 5:0-Heimsieg gegen den kommenden Gegner Osnabrück. "Er hat sich die Jungs in der Woche gepackt, ihnen viel Selbstvertrauen gegeben. Das war extrem wichtig. Spieler wie Onana und Kinsombi, die beim alten Trainer ein bisschen hinten dran waren, wurden starkgeredet. Man hat gesehen, dass es gefruchtet hat", erklärte Innenverteidiger Toni Leistner.
Hrubesch hat die Leistungsträger in die Spur bekommen
Der taktische Schachzug, auf ein 4-4-2-System mit der Doppelspitze Simon Terodde und Robin Meißner, dem das zunächst als Eigentor gewertete Tor zum 1:0 von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) doch zugesprochen wurde, zu setzen, ging komplett auf. Auch die Sorgenkinder David Kinsombi, Sonny Kittel und Tim Leibold funktionierten in der neuen Formation und zeigten, dass sie ihre Qualität noch immer in sich haben. "Die Mannschaft hatte dieses Vertrauen in sich einfach nicht mehr gespürt. Wenn du sie im Training siehst, dann weißt du, über welche Qualität diese Mannschaft und vor allen Dingen die vielen jungen Spieler verfügen. Fußball macht nur dann Spaß, wenn du auch Spaß daran hast", brachte Hrubesch die Entwicklung seiner Mannschaft in seiner unnachahmlichen Art auf den Punkt. "Du musst auch mal lachen, und etwas probieren", ergänzte der Trainer.
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Und diese Lust auf Siege muss der HSV am Sonntag in Osnabrück und eine Woche später gegen Eintracht Braunschweig fortsetzen. Hrubesch macht kein Geheimnis daraus, dass die 5:2-Gala gegen Nürnberg schön war - mehr aber auch nicht. "Es war eine riesige Woche, sowohl für mich - es hat echt Spaß gemacht - als auch für die Mannschaft, die richtig toll mitzieht. Mal sehen, was in den verbleibenden beiden Spielen noch geht. Die beiden Spiele werden nicht leicht. Schon am kommenden Sonntag an der Bremer Brücke brauchen wir mindestens das, was wir heute abgerufen haben. Wir werden nichts geschenkt kriegen", sagte der Trainer-Routinier ohne Umschweife.
Hrubesch will in den HSV-Campus zurück
Unabhängig von den beiden ausstehenden Spielen träumen einige Anhänger davon, dass aus der Interimslösung Hrubesch ein längerfristiger Job wird. Doch daran denkt der Publikumsliebling nicht. "Ich werde zurück in den Campus gehen", stellte der Nachwuchschef unmissverständlich klar.
Am liebsten würde er diese Aufgabe als Aufstiegstrainer ausüben. Dafür wird er ab Mittwoch wieder das machen, was er bereits in der vergangenen Woche gemacht hat: Arbeiten. Denn so überzeugend die Partie auch war, fehlerfrei war der Auftritt nicht. "Meine größte Baustelle sind unsere Standardsituationen. Wenn ich überlegen, was wir für Möglichkeiten gehabt haben, die wir nicht genutzt haben. Obwohl wir die Bälle da hin gebracht haben, wo sie hingehören. Die Geschichte werden wir in den nächsten Tagen geklärt kriegen", sagte Hrubesch.
Hrubesch setzt im Qurantäne-Trainingslager auf die Playstation
Ab Donnerstag geht es für Hrubesch und den HSV erst einmal ins Quarantäne-Trainingslager. Für den Interimstrainer sind die vielen Corona-Regeln, die für Profivereine gelten, ungewohnt. "Ich musste mich daran gewöhnen, jeden Morgen zum Test zu fahren, zuhause zu bleiben, nicht mal mehr zum Tanken fahren zu dürfen", sagte Hrubesch, der keinen Lagerkoller im Trainingslager befürchtet. "Jeder weiß, worum es geht. Wir werden keine Probleme haben. Da lassen wir uns etwas einfallen. Die Playstation gibt es ja auch noch. Wir werden uns schon nicht auf den Wecker gehen", erklärte Hrubesch.