Hamburg. Der entlassene HSV-Trainer über die Gründe für sein Aus, seine Beziehung zum Team, die PK von Jonas Boldt und die Paderborn-Gerüchte.

Zwei Tage lang wolle Daniel Thioune Zeit zum Durchpusten und zum Reflektieren haben. Dann würde er für Interviews zur Verfügung stehen, hatte der Trainer nur wenige Stunden nach seiner HSV-Beurlaubung am Montag mehreren Journalisten mitgeteilt.

Da innerhalb von 48 Stunden aus „mehrere“ eher „sehr viele“ wurden, entschied sich der entlassene Coach, sämtliche Interviews lediglich schriftlich zu beantworten.

Einen einordnenden Text zu Thiounes Antworten lesen Sie am Donnerstag in der Printausgabe des Abendblatts, hier veröffentlichen wir schon einmal vorab seine schriftlichen Aussagen:

Hamburger Abendblatt: Herr Thioune, die banalste aller Fragen: Wie geht es Ihnen?

Daniel Thioune: Offen gesagt: Nicht gut. Natürlich wäre ich gerne weiter Trainer des HSV geblieben. So kurz nach der Freistellung ist die Enttäuschung noch da.

Sie haben sich am Montagmittag bei der Mannschaft ein letztes Mal verabschiedet. Wie schwer ist Ihnen dieser Schritt gefallen?

Ein persönlicher Abschied von der Mannschaft war für mich selbstverständlich, weil es meinen Wertvorstellungen entspricht und ich stets ein gutes Verhältnis zum Team hatte. Aber es war auch ein sehr schwerer Moment. Ich musste mich zum ersten Mal in meiner Karriere vor eine Mannschaft stellen, um mich zu verabschieden.

Am Sonntagabend ist die Entscheidung gefallen, dass es nicht weitergeht. Hat Sie diese Entscheidung zu diesem Zeitpunkt überrascht?

Rational betrachtet haben zuletzt einfach die Ergebnisse gefehlt. Nach einer sehr guten Hinrunde haben wir in der bisherigen Rückrunde nur drei Spiele gewonnen. Und auch aus den Spielen gegen Fürth, Kiel oder Hannover haben wir trotz guter Leistungen zu wenige Punkte mitgenommen. Dann ist es im Fußball sicherlich legitim, wenn die Vereinsführung einen anderen Impuls setzen will. Trotzdem hat es mich am Sonntag, als ich darüber informiert wurde, überrascht.

Zu diesem Zeitpunkt hat es bereits im Internet Gerüchte über einen möglichen Rücktritt von Ihnen gegeben. Dieser wurde von Jonas Boldt dementiert. Gab es denn mal derartige Gedanken von Ihnen am Wochenende?

Nein, zu keiner Zeit. Ich bin ein Kämpfer und von meiner Arbeit und von meinem Weg überzeugt.

Haben Sie die Pressekonferenz, in der Jonas Boldt die Trennung erklärte, am Montag verfolgt? Wie haben Sie die Begründung aufgenommen?

Jonas Boldt hat zu den Gründen der Trennung Stellung genommen und meine Arbeit bewertet. Ich werde das nicht kommentieren.

Konkret nachgefragt: Er hat gesagt, dass „die Beziehung zwischen Mannschaft und Trainer immer mehr gewackelt“ habe. Haben Sie das auch so empfunden?

Zunächst hat er betont, dass er mich für einen guten Trainer hält. Aber im Fußball zählen letztlich nur Ergebnisse und die haben zuletzt gefehlt. Natürlich kann man meinen Führungsstil unterschiedlich bewerten. Ich bin sicherlich jemand, der seinen eigenen Weg geht und werden diesen auch künftig nicht verlassen. Aber das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainerteam war intakt, und wenn es eine große Distanz gegeben hätte, dann wäre eine über weite Strecken gute Saison so nicht möglich gewesen. In letzten Wochen haben wir uns für einige Leistungen nicht belohnt und auch das Momentum war in einigen Spielen nicht gerade auf unserer Seite.

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Uns wurde bis zuletzt immer von einem sehr guten Geist innerhalb der Mannschaft berichtet, auch im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Umso mehr hat uns die Entwicklung der vergangenen Tage und die Begründung überrascht. Hatten Sie in den vergangenen Tagen Gespräche mit Spielern, nach denen Sie das Gefühl hatten, dass es da ein Problem geben könnte?

Wir haben über die ganze Saison, insbesondere auch in den Tagen vor dem Karlsruhe-Spiel, häufig, offen und ehrlich mit den Spielern gesprochen. Der Zusammenhalt von Mannschaft, Trainer- und Funktionsteam war bis zuletzt gut. Das Verhältnis intakt.

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Wie sehr hat Sie diese Trennung emotional getroffen?

Die Trennung hat mich persönlich, aber auch sportlich getroffen. Die Trennung fühlt sich wie eine sportliche Niederlage an. Aber ich war in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich. Und ich habe eine große Überzeugung in meine Idee von Fußball und meine Arbeit als Trainer.

Sie haben der Mannschaft am Montag noch mal alles Glück gewünscht und ihr gesagt, dass sie „eine geile Mannschaft“ sei. Werden Sie die Spiele bis zum Saisonende im Fernsehen schauen?

Natürlich wünsche ich der Mannschaft alles Gute. Wenn die Mannschaft den Aufstieg noch schafft, habe ich auch über 31 Spieltage meinen Teil dazu beigetragen. Ich werde den Weg der Mannschaft weiter verfolgen – im Fernsehen.

Wie geht es jetzt mit Ihnen weiter? Werden Sie und Ihre Familie vorerst in Hamburg wohnen bleiben?

Wir hatten eine tolle Zeit in Hamburg, die natürlich auch von Corona geprägt war. Aber wir werden zurück nach Osnabrück in unser Haus ziehen.

Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Bereits am Tag Ihrer Beurlaubung gab es Gerüchte aus Paderborn, dass Sie dort möglicherweise Nachfolger von Steffen Baumgart werden könnten. Können/wollen Sie dazu etwas sagen?

Fußball ist meine Leidenschaft, und natürlich werde ich wieder als Trainer arbeiten, um meine Idee des Spiels weiter zu verwirklichen. Wann und wo ich das tun werde, wird die Zukunft zeigen.

Grundsätzlich gefragt: Ist Ihnen wichtig, dass Sie so schnell wie möglich wieder irgendwo einsteigen? Oder würden Sie eine Pause bevorzugen?

Es ist wichtig, dass ich von einer neuen Aufgabe überzeugt bin und zu 100 Prozent hinter der Aufgabe stehe.

Eine Frage wird nach jedem HSV-Trainerwechsel der letzten Jahre immer wieder gestellt: Ist dieser HSV untrainierbar?

Ganz klar: nein. Wir haben über weite Strecken gezeigt, dass diese Mannschaft gut funktioniert. Für mich war es eine große Ehre und ein Privileg, HSV-Trainer zu sein, auch wenn das Ende unbefriedigend für mich ist. Das hat nichts damit zu tun, dass die Mannschaft untrainierbar sein soll.

Hören Sie hierzu unseren Podcast:

Im Nachhinein ist man immer schlauer: Gibt es eine Sache, die Sie im Nachhinein gerne anders gemacht hätten?

Ich habe alle meine Entscheidungen in der Überzeugung getroffen, dass sie die besten für unser Spiel sind. Wie Sie schon sagen, hinterher ist man immer klüger und würde an manchen Stellen im Nachgang vermutlich anders entscheiden. Ich bin mir allerdings sicher, dass wir vieles auch sehr gut gemacht haben.