Hamburg. Niklas Weller, Kapitän des HSV Hamburg, spricht über das Duell mit seinem Jugendclub THW Kiel und seinen beeindruckenden Karriereweg.
Es ist nicht die beste Charaktereigenschaft, die sich Niklas Weller ausgerechnet vor dem Auswärtsspiel beim THW Kiel selbst zuordnet. „Ich bin kein guter Verlierer“, gibt der Kreisläufer des HSV Hamburg (HSVH) vor dem Auftritt am Sonntag (16.05 Uhr/Sky) beim Rekordmeister der Handball-Bundesliga zu. „Ich diskutiere viel zu viel, das ist vielleicht auch durch das Studium bedingt“, sagt der examinierte Jurist und grinst, als er im Abendblatt-Handball-Podcast „Auszeit HSVH“ zu Gast ist. Dass der HSVH den großen THW wohl nicht an die Wand spielen wird, ist kein Geheimnis. Dass sich Weller am Sonntag vermutlich im Verlieren üben muss, ebenso wenig.
Da der Klassenerhalt für seine Mannschaft bereits seit mehreren Wochen feststeht, kann Weller dennoch beruhigt in das Duell mit seinem Jugendclub gehen. „Ich bin glücklich, dass wir vor einem Auswärtsspiel in Kiel keine Punkte mehr brauchen“, sagt der 29-Jährige. Mit rund zwölf Millionen Euro ist der Etat des noch amtierenden Meisters, aktuellen DHB-Pokalsiegers und Champions-League-Halbfinalisten von der Ostsee etwa dreimal so hoch wie der des HSVH.
Anfang Dezember bekam der Aufsteiger dies auch zu spüren, erhielt bei der 23:32-Hinspielpleite eine kostenlose Lehrstunde im offensiven Abwehrspiel. „Es war ein Klassenunterschied, wir haben uns in der ersten Halbzeit gegen die Kieler 3-2-1-Deckung extrem schwergetan“, erinnert sich Weller. „Es war ein Spiel, aus dem wir viel gelernt haben, sodass es für uns am Ende okay war. Aus Kieler Sicht wäre es auch schlimm, wenn es kein Klassenunterschied gewesen wäre.“
Weller war als Kind glühender Fan des THW
Dass er überhaupt einmal in einem Pflichtspiel in der Kieler Arena auflaufen würde, war für ihn lange nicht mehr als eine Illusion. Im Kieler Vorort Altenholz aufgewachsen, war die Hamburger Identifikationsfigur als Kind glühender Fan des THW, der als Anziehungspunkt für eine ganze Region fungiert. „Im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren war ich am häufigsten in der Halle. Weil ich zu der Zeit noch nicht Handball gespielt habe, hat es damals nicht mal zum Träumen gereicht, dort irgendwann selbst mal zu spielen“, sagt Weller, der zwei Jahre lang Ersatzkreisläufer in der Kieler A-Jugend war, ehe er zu Viertligist TSV Ellerbek wechselte.
2015 ging er zur zweiten Mannschaft des HSV Handball, der nach der Insolvenz ein Jahr später als Handball Sport Verein Hamburg den Neustart in der Dritten Liga wagte und fünf Jahre später in die Bundesliga zurückkehrte. Immer mit dabei: Kapitän Weller. „Durch Jurastudium und Job sind mir die Vertragsverlängerungen nicht immer leichtgefallen. Im Nachhinein habe ich aber richtig entschieden“, sagt er.
Der bullige Kreisläufer verbringt 30 Stunden pro Woche am Schreibtisch
Noch heute verbringt der bullige Kreisläufer parallel zum Profidasein im Schnitt 30 Stunden pro Woche am Schreibtisch, um für die Rechtsabteilung der Lloyd Fonds AG, einem HSVH-Sponsor, zu arbeiten oder an seiner Doktorarbeit zu schreiben. „Wenn Termine unmittelbar ans Training angrenzen, ist es sicherlich mal stressig. Grundsätzlich genieße ich die Abwechslung und habe das Gefühl, auch in der juristischen Karriere nicht auf der Stelle zu treten“, sagt Weller.
Dass er neben der beruflichen Karriere auch alle Aufstiege bis zur Bundesliga meisterte, habe ihn selbst überrascht. „Es gab Momente, in denen ich gedacht habe, dass der nächste Schritt jetzt nicht mehr funktioniert. In jeder Liga gab es einen Anpassungsprozess. Ich habe auch in diesem Jahr Momente gehabt, in denen ich gedacht habe, dass es vielleicht doch nicht reicht“, gibt Weller zu.
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Viele in Wellers Familie besitzen seit Jahren Dauerkarten
Für Freunde und Familie musste er für die Partie am Sonntag rund 15 Eintrittskarten besorgen. „Ich konnte nicht alle Wünsche erfüllen, in Kiel war es schon immer schwer, an Tickets zu kommen“, weiß der 1,89 Meter große Athlet. Wie praktisch, dass viele Familienmitglieder ohnehin seit Jahren Dauerkarten besitzen.
Ob seine Verwandtschaft, die ausschließlich in Kiel und Umgebung lebt, dem HSVH oder dem noch um Champions-League-Platz zwei spielenden THW die Daumen drückt, wisse Weller noch nicht. Einen kapitalen Familienstreit könne er aber ausschließen. „Dafür ist unsere Familie stark genug“, sagt er augenzwinkernd.