Köln/Hamburg. Torhüter wird zum “Notnagel“ und konzentriert sich auf den HSVH. Gensheimer, Weinhold und Pekeler kehren dem DHB komplett den Rücken.
Kapitän Uwe Gensheimer tritt zurück, auch Steffen Weinhold streift das DHB-Trikot ab, Abwehrchef Hendrik Pekeler legt mindestens eine „längere Pause“ ein. Und HSVH-Torhüter Johannes Bitter steht nur noch in Notfällen bereit: Die deutschen Handballer erleben nach den enttäuschenden Olympischen Spielen einen großen Umbruch. Neun Tage nach dem Viertelfinal-Aus in Tokio löst vor allem der Abschied von Spielführer Gensheimer ein mittelschweres Beben aus – dabei schmerzen die anderen Rücktritte zumindest sportlich mehr.
„Nationalspieler zu werden, war ein Kindheitstraum. Den Adler auf der Brust zu tragen und Kapitän zu sein, war für mich immer eine riesige Ehre. Ich blicke mit Stolz und Dankbarkeit auf eine lange Zeit beim Deutschen Handballbund zurück und werde die damit verbundenen Erlebnisse niemals vergessen“, sagte der 34-jährige Gensheimer, der seit fast 16 Jahren das DHB-Trikot trug. Die vergangenen sieben davon als Kapitän.
Gensheimer blieb ein großer Titel verwehrt
Gensheimer gab im November 2005 sein Debüt im DHB-Trikot, Bundestrainer damals: Heiner Brand. In 204 Länderspielen gelangen dem Rechtshänder 921 Treffer, damit ist er drittbester Werfer der deutschen Handball-Geschichte. „Ich schätze ihn und seine Qualitäten als Kapitän sehr“, sagte Bundestrainer Alfred Gislason.
Ein großer Titel mit der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) blieb Gensheimer, der abgesehen von einem dreijährigen Einsatz für Paris St. Germain seine gesamte Karriere bei den Rhein-Neckar Löwen spielt, aber verwehrt: Beim EM-Titel 2016 fehlte Gensheimer verletzt. Sein größter Erfolg im DHB-Team ist der Gewinn von Olympia-Bronze im selben Jahr, in Rio waren auch Pekeler und Weinhold dabei.
Bitter-Rücktritt wiegt sportlich schwerer
Zuletzt hatte Linksaußen Gensheimer um seinen Stammplatz in der Nationalmannschaft kämpfen müssen, in Tokio zog Gislason meist Marcel Schiller seinem Kapitän vor. Beim enttäuschenden Abschneiden bei der WM 2021 in Ägypten war zudem eine Debatte über die Führungsqualitäten Gensheimers entbrannt. Die Mannschaft stand aber stets hinter ihrem Spielführer.
Die Abschiede der anderen Leistungsträger fallen sportlich noch mehr ins Gewicht. Weinhold (35) und auch Kiel-Kollege Pekeler (30) sind die größten Stützen in Gislasons Team, Bitter überzeugte seit seiner Rückkehr ins DHB-Trikot zudem mit guten Leistungen.
Bitter bleibt DHB in anderer Funktion erhalten
Der Neu-Hamburger will bei der Nationalmannschaft künftig jedoch den jüngeren Generationen den Vortritt lassen. „Ich habe von meiner Erfahrung profitiert und werde immer bereit sein, für Deutschland zu spielen, solange ich in der Bundesliga aktiv bin“, sagt Bitter, der in diesem Sommer nach fast sechs Jahren in Stuttgart nach Hamburg zurückkehrte. „Allerdings ist jetzt für mich persönlich ein guter Zeitpunkt gekommen, um jüngeren Torhütern die Chance zu lassen, Erfahrungen zu sammeln und sich zu beweisen.“
„Jogi“ Bitter lief am 4. Januar 2002 erstmals für die deutsche Handball-Nationalmannschaft auf. Sternstunde im DHB-Dress war 2007 der Gewinn der Weltmeisterschaft. Insgesamt bestritt er 170 Länderspiele. „Ich habe Alfred und dem DHB viel zu verdanken. Wir hatten ein gutes Gespräch, bleiben in engem Kontakt und ich stehe bei Bedarf auch zur Verfügung“, sagte Bitter zum Abschied beim Deutschen Handballbund, dem er aber in jedem Fall als Mitglied des Torwart-Kompetenzteams erhalten bleibt.
Bitter steigt ins HSVH-Training ein
Parallel zur Rücktrittsverkündung stieg Bitter am Donnerstag mit der Olympia bedingten Verspätung von zwei Wochen ins Training des HSV Hamburg (HSVH) in der q.beyond Arena am Volkspark ein.
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In der Vormittagseinheit stand der 38-Jährige erstmals im HSVH-Dress im Tor und trainierte gemeinsam mit seinen neuen Teamkollegen. Beim Testspiel am Freitag gegen den TuS Vinnhorst wird Bitter wohl noch nicht zum Einsatz kommen und hat dann in der kommenden Woche Zeit, sich im Trainingslager in Wittenberge besser mit dem Team vertraut zu machen.
„Alle vier sind Gesichter unserer Sportart“
„Alle vier werden der Nationalmannschaft fehlen, aber das ist der Lauf der Dinge – auf ihren Positionen werden wir neue Spieler mit anderen Qualitäten sehen“, sagte DHB-Coach Gislason. Noch in Tokio hatten Gensheimer, Weinhold und Pekeler den Bundestrainer über ihren Entschluss unterrichtet. Bitter tat dies nach dem ersten Wochenende in der Heimat.
DHB-Präsident Andreas Michelmann würdigte alle vier Spieler als „Gesichter unserer Sportart“: „Für ihre weitere Laufbahn wünsche ich Uwe Gensheimer, Steffen Weinhold, Hendrik Pekeler und Johannes Bitter alles Gute – und ich hoffe, dass sie mit ihrer Erfahrung auch über ihre Spielerkarriere hinaus einen aktiven Platz in der Handball-Familie einnehmen.“
Pekeler entscheidet sich für die Familie
Linkshänder Weinhold gehörte seit 2008 fest zum Inventar des DHB-Teams, 137 Länderspiele (339 Tore) stehen in seiner Vita. Pekeler, der heimliche Chef des DHB-Teams, kommt seit seinem Debüt 2012 auf 119 Spiele (203 Tore).
„Für Deutschland zu spielen, war mir immer eine Ehre“, sagte Weinhold. Pekeler, bei dem keine Angaben gemacht wurden, ob und wann er nochmal für das DHB-Team spielt, sagte: „Jetzt habe ich mich für meine Familie entschieden, die mich braucht.“