Hamburg. An diesem Freitagabend dürfen beim HSVH-Heimspiel erstmals 1000 Fans in der Barclaycard Arena dabei sein.

Als die letzten Konzertgäste von Rapper „Kontra K“ am späten Abend des 8. März 2020 aus der Barclaycard Arena am Volkspark strömten, liefen bereits zunehmend bedrückende Eilmeldungen über die Nachrichtenticker. In der „Tagesschau“ vermeldete Judith Rakers an jenem Sonntagabend den ersten deutschen Corona-Toten: ein Tourist, der nach einer Infektion in Ägypten verstorben war. Italien riegelte die Lombardei ab, Gesundheitsminister Jens Spahn empfahl, Events mit mehr als 1000 Menschen abzusagen. Die Empfehlung wurde in den folgenden Tagen zur Vorschrift; was folgte, ist bekannt.

An diesem Freitagabend ist die Barclaycard Arena nach 445 Tagen erstmals wieder für Zuschauer geöffnet. Im Rahmen eines Modellprojekts dürfen knapp 1000 Zuschauer zum Heimspiel der Zweitligahandballer des HSV Hamburg (HSVH) gegen den ThSV Eisenach (20 Uhr/sportdeutschland.tv) in die Arena kommen. Grundlage der Genehmigung ist ein 100-seitiges Hygienekonzept, das die Stadt am vergangenen Freitag genehmigte.

Schaufensterpuppen messen die Aerosol-Verteilung

„Die Vorfreude ist enorm. Mal wieder ein paar bekannte Gesichter zu sehen und externe Stimmung zu haben wird eine coole Sache für uns“, sagt HSVH-Kapitän Niklas Weller. Das letzte Heimspiel mit Zuschauern bestritt der HSVH am 11. Oktober vor 650 Fans in der mittlerweile wegen Mängeln an der Dachkonstruktion gesperrten Sporthalle Hamburg. „Man macht den Sport auch, um vor den Zuschauern zu spielen. Es ist keine Frage, dass die Fans gefehlt haben“, findet auch HSVH-Cheftrainer Torsten Jansen.

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Das Projekt wird unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Schade vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut wissenschaftlich begleitet. Mithilfe von zwei Schaufensterpuppen, die im Publikum platziert werden und feinste farbige Partikel ausstoßen, soll die Aerosol-Verteilung in der Arena während des Spiels untersucht werden. Sieben bis zehn Tage nach dem Spiel müssen die Fans zudem einen Fragebogen zu ihren Erfahrungen in der Arena beantworten und einen weiteren Corona-Test vornehmen lassen.

Einige Dauerkarteninhaber gingen leer aus

Nachdem der HSVH die Genehmigung der Stadt erhielt, informierte er zunächst seine Dauerkartenbesitzer. Da wegen der Kontaktnachverfolgung nur Fans zugelassen sind, die in Hamburg gemeldet sind und für die ein Hamburger Gesundheitsamt zuständig ist, gingen einige Dauerkarteninhaber leer aus. Rund 100 Karten erhielten Sponsoren, 250 Tickets gingen am Donnerstag noch in den freien Verkauf.

Die Menschen, die eine Karte ergattert haben, müssen sich maximal sechs Stunden vor Spielbeginn an einer der 21 Hamburger „Corona Freepass“-Schnellteststationen auf das Virus testen lassen. Dies gilt auch für zweifach Geimpfte. Das Testergebnis erhalten die Fans direkt auf ihr Handy. Wegen der strengen Hygienevorschriften, die in der Arena von drei Mitarbeitern des Gesundheitsamts kontrolliert werden, konnten lediglich Einer- und Zweierplätze gebucht werden, zwischen denen stets vier freie Plätze den Abstand garantieren.

Kampfgericht sitzt auf der Tribüne

Speisen und Getränke mussten bereits bei Buchung der Tickets bestellt werden, die Auswahl beschränkt sich auf drei verschiedene Lunchpakete, die an den Essensausgaben der Arena abgeholt werden müssen. Auch auf die gewohnten Klatschpappen musste der Verein verzichten, zudem gilt während des gesamten Aufenthalts in der Arena die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Das Kampfgericht sitzt nicht wie gewohnt am Spielfeldrand, sondern ebenso wie Hallensprecher Finn-Ole Martins auf der Tribüne. Während die 200 Zuschauer in der edel-optics.de Arena die Basketballer der Hamburg Towers am vergangenen Montag wegen des Aerosol-Ausstoßes nicht lautstark anfeuern durften, gilt diese strenge Regel beim HSVH nicht. Das Hygienekonzept empfiehlt lediglich, Anfeuerungsrufe zu reduzieren.

Modellversuch als Blaupause für kommende Veranstaltungen

„Dieser Modellversuch ist die Blaupause für kommende Veranstaltungen. Davon hängt ab, ob wir in der kommenden Woche zum Final Four die Zuschauerkapazität noch einmal erweitern können“, sagt Sportstaatsrat Christoph Holstein, der live in der Arena dabei sein wird. Funktioniert der Modellversuch, könnten bereits beim traditionell in der Barclaycard Arena ausgetragenen Final Four im DHB-Pokal (3. und 4. Juni) und beim letzten HSVH-Heimspiel gegen Hamm (22. Juni) 2000 Fans erlaubt sein.

HSVH-Trainer Jansen, der kurzfristig unter anderem auf Rückraumspieler Philipp Bauer (Schulterprobleme) verzichten muss, konzentrierte sich trotz der besonderen Umstände in erster Linie auf das Sportliche. Die Aufstiegskonkurrenten TuS N-Lübbecke und VfL Gummersbach treffen zeitgleich aufeinander, der HSVH kann einen großen Schritt in Richtung Aufstieg machen. „Wir müssen sehen, dass wir unsere Spiele gewinnen. Dann können die anderen Teams spielen, wie sie wollen“, sagt Jansen.