Hamburg . Der Torhüter und der Linksaußen müssen die Zweitliga-Handballer verlassen. Der eine versteht das, der andere nicht.
So ganz genau wissen sie nicht, was da auf sie zukommt. „Es wird emotional“, sagt Justin Rundt und will vor der Familie, die auf der Tribüne sitzt, keine Tränen ausschließen. „Es wird sehr emotional“, betont Christopher Rix, der „30 bis 40 Karten“ für Freunde organisieren musste. Für den Torwart und den Linksaußen des Handball Sport Vereins Hamburg (HSVH) wird das letzte Heimspiel der Zweitligasaison gegen Absteiger TV Großwallstadt (Sa., 18 Uhr, Sporthalle Hamburg/sportdeutschland.tv) zum Abschiedsspiel. Nach elfeinhalb (Rundt) und acht Jahren im Verein ist jetzt Schluss. Von Clubseite gab es im April kein neues Vertragsangebot.
„Aus meiner Sicht gibt es Pros und Contras in der Vereinsentscheidung gegen mich“, sagt der pünktlich zum Kehraus genesene Rundt. Seit 2007 ist der Schlussmann aus Sparrieshoop da, wie Rix (2011/aus Ellerbek) seit der C-Jugend. Von „turbulenten Zeiten“ berichtet Rundt (24). Von zwei Bundesligaspielen inklusive siegbringender Parade in letzter Sekunde, von Vorbild und Ex-Teamkollege Johannes Bitter, der HSV-Pleite 2015/16 samt Teamsitzung bei Insolvenzverwalter Gideon Böhm, Zweitliga-Abstieg nach einem halben Jahr beim SV Henstedt-Ulzburg, dann 2018 Zweitliga-Aufstieg mit dem HSVH. Und: Verletzungen. Kreuzbandriss 2014, Mittelfußbruch und Meniskusriss 2017, zuletzt eine Zyste im Kniegelenk, die operativ entfernt wurde. Seit November 2018 hatte er pausieren müssen.
„Ich kann es dem Verein nicht übel nehmen. Meine Verletzungen sind ja ein wirtschaftliches Risiko“, sagt er. Die Deadline für Genesung und Vertragsgespräche lag im Februar. Der Aufbau des Knies benötigte mehr Zeit. „Ich wollte nichts überstürzen. Es ist meine letzte Chance“, sagt Rundt, der in den „quälenden Monaten der Reha auch ans Aufhören“ dachte. „An Justins sportlichen Qualitäten gibt es keine Zweifel“, heißt es von Geschäftsführer Sebastian Frecke wie von Trainer Torsten Jansen. „Toto hat mich in der Leidenszeit immer bestärkt, mir Vertrauen geschenkt. Dafür kann man nur dankbar sein“, sagt Rundt.
Bei Rix sitzt der Stachel tief
Der Verein brauchte aber Planbarkeit. Deshalb setzen die Hamburger auf den niederländischen Neuzugang Mark van den Beucken (22/HC Bevo) als Ergänzung zum derzeit verletzten Aron Edvardsson (29/Meniskusoperation) und Marcel Kokoszka (20). Auch Winterersatz Lukas Baatz (23) wird das Tor verlassen. Rix hat seine Nachfolger auf Linksaußen noch kennengelernt – Jonas Gertges (21/GWD Minden II) im Probetraining, Tobias Schimmelbauer (31/TVB Stuttgart) am Rande eines Heimspiels.
Beim Publikumsliebling sitzt der Stachel noch tief. Es falle ihm schwer, die Entscheidung nachzuvollziehen. Intern habe er seiner Enttäuschung längst Luft gemacht. Die Argumente – zu geringe Ausbeute im Angriff, fehlende Robustheit in der Abwehr – versteht der 1,75 Meter große und 73 Kilo schwere Rechtshänder nicht. „Für mich gibt es keine sportlichen Gründe“, sagt Rix, der in 27 Spielen 45 Tore warf, es auf eine Trefferquote von 74 Prozent bringt. Einsatz und Kampf seien stets da gewesen. Dazu das Pech, als sich Mannschaft und Leistungen zu Beginn der Rückrunde stabilisierten. Rix fehlte in dieser Phase verletzt (Oberschenkel/Hand), konnte wochenlang keine Eigenwerbung betreiben.
Zukunft bei HG Hamburg-Barmbek?
Viel mehr jedoch habe den 22-Jährigen als Eigengewächs des Clubs das Wie enttäuscht. „Im November wollte man reden, dann wurde im Februar erstmals gesprochen, im April die Entscheidung“, sagt der Student der Rechtswissenschaften. „Zu spät, um bei einem anderen Zweitligisten unterzukommen. Die Kader sind voll.“ Die Frage nach seiner Zukunft könne er noch nicht beantworten. „Was will ich im Berufsleben erreichen, was noch im Handballleben, was bin ich bereit, dafür auch als Mensch zu geben?“, diese Fragen seien entscheidender als die nach dem kommenden Club.
Die Spuren führen bei beiden zum Drittliga-Aufsteiger HG Hamburg-Barmbek. Bei Rundt bereits konkreter: „Für mich ist Spielpraxis jetzt das Allerwichtigste.“ Nach einem Abschluss zum Ernährungsberater und dem Leben als Vollprofi will er sich auch beruflich neu orientieren. Ihre Wohnungen in Stellingen, wo in der Kock-Siedlung ein Großteil des Teams lebt, wollen beide behalten. Das ist es, was nach acht Jahren bleibt, sagt Rix: „Die vielen Freund- und Bekanntschaften.“ Und noch eines ist beiden wichtig: So schwer ihnen der Abschied auch falle, es sei eine Gelegenheit, den Fans Danke zu sagen.