Kiel. HSV-Handballer verlieren beim THW Kiel nach starken ersten 35 Minuten mit 23:29. Abwehrchef Grabarczyk sieht Rot nach 36 Sekunden.
„Wir haben viele Sachen gut gemacht, die entscheidenden aber ganz schlecht. Wir haben einfach zu viele Einschussmöglichkeiten liegen gelassen und zu viele nicht geplante Würfe genommen. Uns fehlte wiederholt der Zug zum Tor.“ Die Stimmung von HSV-Trainer Michael Biegler schwankte am Ende irgendwo zwischen einem Hauch Zufriedenheit und herber Enttäuschung, als er die 23:29 (11:13)-Niederlage der Hamburger Handballer beim deutschen Rekordmeister THW Kiel analysierte. „Die Kieler haben sicherlich verdient gewonnen“, sagte er, „wir hatten jedoch lange Zeit die Chance, noch mehr Gegenwehr zu leisten.“
Bieglers Konzept war bereits nach 36 Sekunden geplatzt. Sein polnischer Abwehrchef Piotr Grabarczyk sah nach einem Foul an Kiels Rückraumschützen Marko Vujin zu Recht die Rote Karte. Dennoch führte der HSV nach fünf Minuten mit 3:1 und hatte das Spiel bis zur 35. Minute halbwegs unter Kontrolle – trotz zahlreicher Abspielfehler und riskant eingeleiteter Tempogegenstöße, bei denen der Ball zu oft beim Gegner landete. Die Szene fünf Minuten nach dem Seitenwechsel war typisch für den Spielverlauf bis zu diesem Zeitpunkt: Im Angriff verloren die Hamburger beim Stand von 13:14 nach einem schlampigen Pass des Esten Dener Jaanimaa den Ball, Ex-HSV-Profi Domagoj Duvnjak schnappte sich ihn, traf aus sechseinhalb Metern zum 15:13; statt des möglichen Ausgleichs erneut ein Zweitorerückstand, der im nächsten Spielzug auf drei Tore anwuchs, als dem HSV im Angriff ein ähnliches Missgeschick unterlief. Nach 52 Minuten führte der THW mit 25:18.
Landin gewinnt Torhüter-Duell gegen Bitter
„Wir haben plötzlich unseren Faden völlig verloren“, klagte der Halbrechte Adrian Pfahl. Lange Zeit habe alles gepasst, taktisch wie spielerisch, den Bruch im HSV-Spiel konnte aber auch er nicht erklären. „Wir haben eine respektable erste Halbzeit geliefert, stark verteidigt und intelligent angegriffen, in der zweiten Hälfte fehlte uns am Ende aber die Kraft“, meinte HSV-Torwart Johannes Bitter, der mit 13 Paraden zwischen der ersten und 53. Minute eine solide, aber keineswegs überragende Vorstellung bot – sein Gegenüber Niklas Landin trug dagegen mit 20 abgewehrten Bällen entscheidend zum Kieler Erfolg bei.
Zu seiner weiteren Karriereplanung sagte der Weltmeister von 2007 nach dem Spiel bei Sport1: „Ich habe noch keine endgültige Entscheidung getroffen, ob ich beim HSV die Option auf ein weiteres Jahr ziehe. Körperlich fühle ich mich derzeit in der Lage weiterzumachen.“ Ausschlaggebend für Bitters Entscheidung dürfte vor allem sein, wie sich die Mannschaft entwickelt. Mitzuspielen um Platz sechs bis acht, was wohl dem momentanen Leistungsstand entspräche, scheint ihm zu wenig zu sein. „Wir wollen irgendwann mal wieder oben angreifen.“
In diese Verfassung könnte der HSV in absehbarer Zeit kommen, sollte die Mannschaft weiter ähnliche Fortschritte machen wie in den vergangenen Wochen. Die ersten 35 Minuten in Kiel unterstrichen das Potenzial des Teams, die Konstanz auf hohem Niveau fehlt allerdings noch. Kehren die verletzten Tom Wetzel (halblinks) und der kroatische Kreisläufer Ilija Brozovic demnächst zurück, stehen Biegler wieder wichtige Alternativen zur Verfügung. „Die Hamburger haben mich heute nicht überrascht, da wächst wieder eine starke Truppe heran, das war schon in den letzten Spielen zu erkennen“, lobte Kiels Trainer Alfred Gislason den langjährigen Rivalen. Selbst in personell besseren Zeiten hatte der HSV in Kiel nur selten eine ähnlich couragierte Leistung geboten wie an diesem Sonntagnachmittag.
Die Statistik
Tore, THW Kiel: Duvnjak 7, Ekberg 7, Vujin 7 (1 Siebenmeter), Dissinger 5, Cañellas 1 (1), R. Toft Hansen 1, Weinhold 1
HSV Hamburg: Lindberg 5 (2), Mortensen 5, Damgaard 3, Flohr 2, Jaanimaa 2, Schröder 2, Brozovic 1, Hens 1, D. Nenadic 1, Pfahl 1
Zuschauer: 10.285 (ausverkauft)
Schiedsrichter: Schulze/Tönnies (Magdeburg/Dodendorf)
Zeitstrafen: 5; 3
Rote Karte: Grabarczyk (HSV) wegen groben Foulspiels (1.)
Siebenmeter: 3 (2 verwandelt/Bitter hält gegen Cañellas); 2 (2).