Hamburg. Durch Grüppchenbildung versucht der neue Trainer Michael Biegler die HSV-Handballer zu einer Mannschaft zu formen.

Das reiche Erbe lagerte direkt hinter seinem Rücken, und wahrscheinlich war es ganz gut, dass Michael Biegler die vielen glänzenden Pokale nicht im Blick hatte, als er am Donnerstagmittag vor die Medien trat. Der HSV Handball, den er übernommen hat, hat ja auch nicht mehr viel gemein mit dem aus der Vitrine. Nur fünf Spieler sind übrig geblieben von der Mannschaft, die vor zwei Jahren die Champions League und vor vier die Meisterschaft gewinnen konnte.

Aber dieser Umstand ist nichts, wovon sich der neue Trainer entmutigen ließe. Ganz im Gegenteil: „Ich bin sehr glücklich über alle 19 Spieler, die ich heute Morgen in der Kabine angetroffen habe“, sagte Biegler, „es ist ein sehr interessanter Kader.“ Es habe auch niemand nachgefragt, warum die Vorbereitung in diesem Jahr schon so früh beginne, wo doch erst Mitte August in der ersten DFB-Pokal-Runde die erste Pflichtübung ansteht. Seine Profis seien Profis genug zu wissen, dass so ein Neuanfang Zeit braucht.

Nicht nur der Trainer, auch elf Spieler sind neu in der Mannschaft. Die Schlüsselpositionen in der Rückraummitte und am Kreis sind weitgehend neu besetzt. Als vorerst letzter Neuzugang unterzeichnete Drasko Nenadic am Donnerstagnachmittag vor der ersten Trainingseinheit seinen Dreijahresvertrag. Der serbische Halblinke kommt vom Pokalsieger SG Flensburg-Handewitt. Über ihn sagt Biegler: „Ein exzellenter Deckungsspieler mit guter Blockfähigkeit.“

Überhaupt wusste Biegler für jeden seiner Spieler ein gutes Wort einzulegen. Der HSV ist eben keine Mannschaft von Superstars mehr, die sich von selbst erklärt. Das Geld, das Mäzen und Hauptsponsor Andreas Rudolph einst für Großeinkäufe zur Verfügung gestellt hat, ist schlicht nicht mehr da. „Wir haben keine spektakulären Spieler, es überwiegt der Arbeiteranteil“, sagte Biegler, „aber sie passen charakterlich zusammen.“

Biegler hält sich für den Richtigen

Diese Mannschaft mit ihren 20 Profis aus sechs Nationalitäten zuein­anderfinden zu lassen ist die große Aufgabe, der sich der neue Trainer zu stellen hat. Und er findet bei aller Bescheidenheit, dass er der richtige Mann dafür ist: „Ich bringe das Profil für einen solchen Neuaufbau mit.“ Tatsächlich hat Biegler, 54, nicht nur viel vor, sondern auch vorzuweisen. Hamburg ist seine zwölfte Trainerstation in der Bundesliga, die polnische Nationalmannschaft betreut er zusätzlich noch bis mindestens zur EM im Januar im eigenen Land. Er hält Vorträge über Parallelen in Sport und Wirtschaft und hat umfangreiches Lehrmaterial über Trainingsmethoden und Taktikfragen entwickelt. Zwei solcher „Bausteine“, wie Biegler sie nennt, will er mit dem HSV noch praktisch erarbeiten.

Handball, das hat für den neuen HSV-Trainer zunächst einmal mit Handwerk zu tun. Und mit Arbeit, Arbeit, Arbeit. „Das gehört für mich zum hanseatischen Profil, so wie ich es als Kind einmal gelernt habe“, sagt Biegler, der gebürtige Rheinländer Biegler, der inzwischen in Großwallstadt nahe Aschaffenburg zu Hause ist und auch bleiben will.

Zwei Trainingseinheiten pro Tag, dieses Pensum wird wohl nicht auf das Trainingslager in Sölden beschränkt bleiben, zu dem der HSV am Wochenende aufbricht. Anstatt einmal am Tag gemeinsam zu trainieren wie bisher, soll die Mannschaft immer wieder neu aufgeteilt werden und gesondert üben.

Schlagworte Interaktion und Kommunikation

Mit der Grüppchenbildung will Biegler nicht nur seine Spieler individuell fördern, sondern letztlich auch den Zusammenhalt insgesamt. „Interaktion“ sei ihm wichtig. Und Kommunikation. Deshalb hat er jedem neuen Spieler einen etablierten als Paten zur Seite gestellt, der in praktischen Fragen des Alltags helfen soll. Und deshalb will Biegler selbst mit jedem Einzelnen das Gespräch suchen, noch bevor man am Sonnabend gemeinsam das Flugzeug nach Österreich besteige. Dafür habe er eigens einen Fragebogen entwickelt.

„So akribisch wie noch nie“ habe sich Biegler auf diese Aufgabe vorbereitet. Trotzdem habe er sich von HSV-Geschäftsführer Christian Fitzek, der am Donnerstag als Beisitzer 2. Liga erneut ins Präsidium der Handball-Bundesliga gewählt wurde, „externe Hilfe“ zusichern lassen. Für das Athletikprogramm ist künftig der renommierte Kölner Trainingswissenschaftler Klaus Baum verantwortlich. Voraussichtlich wird auch noch ein Assistenzcoach eingestellt, wenngleich Biegler das noch nicht bestätigen will. Er habe mit dem bisherigen Amtsinhaber Jens Häusler, der die Profimannschaft seit Dezember auch hauptamtlich betreut hatte, für 5. August ein Gespräch vereinbart. „Aber bis dahin ist es gut, wenn sich Jens auf unsere U23-Mannschaft fokussiert.“ Die Nachwuchsteams will Biegler auch selbst regelmäßig in Augenschein nehmen. Er verstehe das als „Signal, dass sich jeder anbieten kann“.

Ein Saisonziel hat Biegler aber nicht ausgegeben. Nur so viel: Man wolle „den Leuten etwas bieten“ und in der „schönsten Halle“, die jetzt offiziell Barclaycard-Arena heißt, „Handballfeste feiern“. Ansonsten leite sich der Anspruch aus der Tradition des Clubs her. Die Pokale können es bezeugen.