Hamburg. Nachwuchs-Trainer in Hamburg oder Spieler beim THW Kiel – für Torsten Jansen könnte die EHF-Pokal-Endrunde zur Karriereentscheidung werden.

Der Lehrgang ist schon gebucht: „B-/C-Trainer-Kurzausbildung für National- und Bundesligaspieler“. Eine Woche Sportschule Hennef Ende Juni, eine Woche Lindner-Hotel Leipzig Anfang Juli, anschließend die Prüfung: 30 Minuten Lehrprobe, 30 Minuten mündlich sowie eine zweistündige Klausur. Abgefragt werden Inhalte zu Technik und Taktik, zu Trainingslehre, Mannschaftsführung, Leistungsdiagnostik und Methodik.

Wenn er besteht, darf sich Torsten Jansen Lizenz-Handballtrainer nennen. 3200 Euro kostet der Lehrgang. Es ist eine Investition in seine Zukunft. Nur wann die beginnt, da ist sich Jansen, 38, nicht so sicher. Wenn es nach dem HSV geht, dann ist das Final Four um den europäischen EHF-Pokal an diesem Wochenende in Berlin der letzte große Auftritt für ihn als Linksaußen. Für die kommende Saison haben die Hamburger den Weltmeister von 2007 als Trainer ihrer A-Jugend-Bundesliga-Mannschaft eingeplant.

Jansen würde dieses Angebot prinzipiell gern annehmen: „Es wäre ein guter Einstieg in die Trainertätigkeit.“ Er fragt sich nur, ob es der richtige Zeitpunkt ist. Weil er ihn sich nicht ausgesucht hat. Und weil nicht nur er findet, dass Körper und Geist bereit sind für eine weitere Profispielzeit auf Spitzenniveau.

In Kiel soll Jansen seinen verletzten Freund Dominik Klein vertreten

Der THW Kiel hat Jansen angeboten, in der nächsten Saison seinen schwer am Knie verletzten Freund Dominik Klein, 31, zu vertreten, auch wenn das noch niemand bestätigen will. Es ist das zweite Mal, dass der deutsche Rekordmeister an ihn herantritt. Das erste Mal war vor zehn Jahren, Jansen spielte seine zweite Saison in Hamburg. Der HSV war damals noch ein „Projekt“, von dem man nicht wusste, ob die Saison es finanziell durchstehen, geschweige denn sich jemals eta­blieren würde. Jansen schlug trotzdem aus: „Es war eine Grundsatzentscheidung, in Hamburg zu bleiben. Ich wollte lieber etwas mit aufbauen, die Halle vollmachen, Begeisterung bei den Zuschauern wecken.“

Zehn Jahre später hat er mit dem Verein alle bedeutenden Trophäen gewonnen, bis auf ebenden EHF-Pokal. Der ist noch einmal ein großes Ziel, „so einen Titel zu gewinnen ist etwas Tolles, das will man erreichen“. Aber er ist vielleicht doch nicht sein letztes. In Kiel könnte er noch einmal um die deutsche Meisterschaft spielen, noch einmal in der Champions League, beides noch ein zweites Mal gewinnen. Immer vor 10.000 Zuschauern. Der THW ist das Bayern München des Handballs, die Mannschaft die vielleicht beste der Welt. Da kann man schon mal ins Grübeln kommen.

Dabei wüsste Jansen eine Lösung: ein letztes Abenteuer als Spieler erleben und anschließend als Trainer zum HSV zurückkehren. „Die Lust zu spielen ist schon noch da. Das Karriereende zu verschieben wäre mir das Allerliebste.“ Zumal es ja nicht seine Idee gewesen war aufzuhören. Und auch wenn es Jansen nicht sagt: Nach 15 Jahren Bundesliga und fast 500 Spielen, nach dem Gewinn von Welt- und Europameisterschaft, Champions League und deutscher Meisterschaft, nach 178 Länderspielen und 503 Toren für die Nationalmannschaft würde man schon gern selbst darüber entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.

Andererseits: Könnte es einen besseren Abgang geben als womöglich der Gewinn des einzigen Europapokals, der dem Verein noch fehlt? Das ist die Frage, die Torsten Jansen selbst so schnell wie möglich beantwortet haben will. Und der HSV auch. Die Trainerstelle können und wollen sie ihm kein ganzes Jahr frei halten. Nicht, dass sie Jansen keine weitere Profisaison zutrauen würden. Für Trainer Jens Häusler ist er „nach wie vor ein wichtiger Spieler, der die Abwehr zusammenhält“. Nur dank Jansens Fähigkeit, auf der Halbposition zu decken, konnte Pascal Hens über Jahre seine Angriffsstärke ausspielen, ohne ständig ein- und ausgewechselt werden zu müssen.

Beide waren 2003 vom damaligen Trainer Bob Hanning nach Hamburg geholt worden, Hens von Wallau-Massenheim, Jansen aus Nordhorn. Jetzt wird dieses ungleiche Erfolgsduo gesprengt. Hens, 35, der Kapitän und schillernde Star, den auch Handballunkundige wiedererkennen, erhielt noch einmal einen Einjahresvertrag. Jansen, der sich immer damit zufriedengab, auf dem Platz aufzufallen, der nie eine Homepage hatte und auch nie einen Berater, nicht. Ein Profi zu sein und ein Familienvater mit vier Kindern, das hat ihm ausgereicht. Das Fernstudium, Politik und Geschichte, hat er abgebrochen, weil ihm die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2008 in Peking zu wenig Zeit dafür gelassen hatte. „Aber das war sowieso immer nur ein Hobby.“ Von der Trainerausbildung erhofft er sich eine berufliche Perspektive. Jansen kennt die Mannschaft, die nach dem Willen des HSV seine werden soll: „Es sind ein paar gute Jungs dabei. Ob es für eine Profikarriere reicht, ist schwer zu sagen, aber in den vergangenen Jahren hat sich bei uns im Nachwuchs doch einiges getan.“

Seinen Nachfolger als Linksaußen beim HSV kennt Jansen bereits

Felix Mehrkens zum Beispiel ist laut Jansen „einer, der fest auf dem Boden steht“. Der 20 Jahre alte Linksaußen soll bei den Profis zu Bundesliganiveau reifen. Müsste er sich die Position auch mit Jansen teilen und nicht nur mit dem früheren Nationalspieler Kevin Schmidt, 27, wäre das wohl ein aussichtsloses Unterfangen.

Allzu viele Nachwuchshoffnungen haben sich beim HSV schon erfolglos an den Spitzenspielern abgearbeitet und waren irgendwann weg. Die Verjüngung der Mannschaft ist ein sportliches Anliegen von Geschäftsführer Christian Fitzek und seinem künftigen Trainer Michael Biegler, und sie hilft bei der Sanierung des Vereins.

Torsten Jansen steht diesem Ziel im Weg. Über seine Verabschiedung als HSV-Profi, am 5. Juni beim Heimspiel gegen Gummersbach, hat er sich noch keine Gedanken gemacht. Aber wenn er sich etwas wünschen dürfte, „dann bitte nicht so viel Brimborium“. Und vor allem keine große Rückschau auf die Karriere. Die geht ja vielleicht weiter, wer weiß? Jansen hat jedenfalls noch nicht damit angefangen, in Erinnerungen zu schwelgen: „Das wird in den nächsten Jahren alles noch kommen.“