Der Verein ging von einer positiven Entscheidung aus, doch auch im zweiten Anlauf wird die Lizenz verweigert. Maßgeblicher Grund ist der fehlende Nachweis einer Finanzierung. Folgt erneuter Einspruch?
Hamburg. Der HSV Hamburg steht vor einer ungewissen Zukunft: Der finanziell schwer angeschlagene Spitzenclub hat auch im zweiten Anlauf keine Lizenz für die kommende Saison 2014/15 erhalten. Dies teilte das Präsidium der Handball-Bundesliga (HBL) nach einer Sondersitzung am Dienstag in Hamburg mit. Maßgeblicher Grund für die Entscheidung sei der weiterhin fehlende Nachweis einer gesicherten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
„Der Beschluss des achtköpfigen HBL-Präsidiums ist einstimmig“, sagte HBL-Geschäftsführer Holger Kaiser: „Der HSV hat auch in den fristgerecht nachgereichten Unterlagen seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ende dieser Saison und auch für die kommende Saison nicht belegen können“. Die Hamburger können innerhalb einer Woche vor dem unabhängigen HBL-Schiedsgericht Einspruch einlegen.
Der Verein, der bis zuletzt an eine Lizenz ohne Auflagen glaubte, kann die Entscheidung der HBL nicht nachvollziehen. "Das ist ein Schock für uns. Aus unserer Sicht sind die Zahlen unanfechtbar. Dieses Konzept abzulehnen ist mutig. Ich habe da keine Angriffsfläche erkennen können. Ob wir das Schiedsgericht anrufen werden, kann ich noch nicht sagen", sagte Interimspräsident Frank Spillner dem Abendblatt. HSV-Geschäftsführer Holger Liekefett ergänzte: „Wir haben die Entscheidung der HBL zur Kenntnis genommen. Wir werden uns nun intern abstimmen und dann darauf reagieren.“
Damit steht der Champions-League-Sieger von 2013 als Zwangsabsteiger aus der Bundesliga fest. Stattdessen bleibt der Tabellen-16. der abgelaufenen Saison, die HBW Balingen-Weilstetten, in der Eliteklasse. Die MT Melsungen, die auf der Abschlusstabelle auf Rang sechs rangiert, nimmt wenn endgültig feststeht, dass der HSV Handball keine Lizenz erhält, am EHF Cup teil, für den sich eigentlich die Hamburger qualifizierten.
„Das ist für uns alle erst einmal schwer zu verdauen. Wir sind auch darüber erstaunt, dass die Medien über die Entscheidung berichtet haben, bevor der HSV Handball die Entscheidung der HBL erhalten hat. Es tut uns, die alles für diesen Verein getan haben, unfassbar Leid für unsere vielen Fans und Partner. Worte können unsere Gefühle nicht beschreiben“, so die HSV-Leitung Matthias Rudolph, Frank Spillner und Holger Liekefett.
HSV müsste in der dritten Liga neu anfangen
Der HSV hat zudem nicht die Möglichkeit, eine Lizenz für die 2. Handball-Bundesliga zu erhalten, da kein vorsorglicher Lizenzantrag für die 2. Handball-Bundesliga gestellt wurde. Der HSV Handball hat die Möglichkeit in der 3. Liga anzutreten.
„Es gibt eine Möglichkeit des Gnadengesuchs“, sagte Ex-Präsident und Aufsichtsratsmitglied Matthias Rudolph. „Wir müssen jetzt alle Chancen prüfen und schauen, ob wir Grand ouvert oder Null ouvert spielen.“ Sollten alle Versuche scheitern, schließt Rudolph den Spielbetrieb in der 3. Liga nicht aus: „Wir können uns ja wieder hocharbeiten.“
Die Konkurrenz hatte das Hamburger Modell mit dem Mäzenatentum eines Allein-Investors ohnehin argwöhnisch beäugt und kräftig kritisiert. „Das Ende des HSV in der ersten Bundesliga ist eine Katastrophe für den deutschen Handball. Der Handball muss in die Großstädte, und dies ist in Hamburg durch unseriöse Refinanzierung leider einmal mehr gescheitert“, sagte Präsident Frank Steffel von den Füchsen Berlin und appellierte zugleich an die gesamte Liga: „Alle Vereine müssen endlich begreifen, dass die Abhängigkeit von Mäzenatentum und Erfolg durch überhöhte Spielergehälter der falsche Weg sind!“.
„Aus des HSV beeinträchtigt die Liga nachhaltig“
In den Strudel geraten waren die Norddeutschen, nachdem Präsident und Mäzen Andreas Rudolph am 8. Mai überraschend als HSV-Präsident zurückgetreten war, den Geldhahn zugedreht und den Verein damit in eine existenzielle Krise gestürzt hatte. Allein im Etat der gerade abgelaufenen Spielzeit fehlten rund 2,7 Millionen Euro. HBL-Funktionäre und selbst eine nach Mallorca beorderte Spieler-Delegation hatten seitdem vergeblich versucht, Rudolph umzustimmen.
Der 8,5-Millionen-Euro-Etat der abgelaufenen Saison sollte auf rund fünf Millionen Euro reduziert werden. Die Spieler wollten auf ein Monatsgehalt verzichten, Gläubiger Aufschub bei ihren Forderungen gewähren. Die HBL traf die Entscheidung schweren Herzens. Sie hatte stets ihr großes Interesse am HSV beteuert. „Das ist einer unserer wichtigsten Standorte mit Strahlkraft in Deutschland und Europa. Ein Aus des HSV würde die Liga nachhaltig beeinträchtigen“, sagte HBL-Geschäftsführer Holger Kaiser noch vor wenigen Wochen.
Die Strukturen beim HSV ließen eine Abnabelung von Rudolph seit dessen Inthronisation 2005 erst gar nicht zu. Der Vorstand um Interimspräsident Frank Spillner und Geschäftsführer Holger Liekefett wollte, dass die Brüder Andreas und Matthias Rudolph ihre Anteile am HSV freigeben, damit Investoren gewonnen werden können.
Umbruch des Vereins hat bereits begonnen
Der Umbau des zuletzt mit 19 Weltklasse-Profis aufgeblasenen Kaders hatte bereits begonnen. Torhüter Marcus Cleverly (zu KIF Kolding Kopenhagen), die Rückraumspieler Domagoj Duvnjak (THW Kiel), Blazenko Lackovic (Vardar Skopje) und Zarko Markovic (offen) verlassen den Verein. Der Wechsel des spanischen Weltmeisters Joan Canellas zu Rekordmeister Kiel ist abgemachte Sache. Zudem wird der schwedische Kreisläufer Andreas Nilsson vom ungarischen Meister Veszprem umworben. Weitere Profis (Torsten Jansen, Matthias Flohr, Stefan Schröder, Davor Dominikovic) haben auslaufende Kontrakte.
Auch die Fans kämpfen um ihren Verein. Via Internet sammelten sie Geld. Die Initiative „Wir sind Handball Hamburg“ will einen Betrag von mindestens 50.000 Euro zusammenbekommen. Das Geld sollte im Falle einer Lizenzerteilung für den Erwerb von Anteilen an der Spielbetriebs GmbH eingesetzt werden.
Den Hamburgern war die Spielerlaubnis für die kommende Saison bereits in erster Instanz am 15. Mai verweigert worden. Daraufhin legte der Club Einspruch ein und legte neue Unterlagen vor. In Vereinskreisen ging man fest von einer positiven Entscheidung aus. Doch der Gutachterausschuss und die Lizenzierungskommission hatten die nachgereichten Unterlagen geprüft und die Lizenz nun erneut verweigert.