Deutscher Handball-Rekordmeister will dem angeschlagenen Nordrivalen helfen. HSV-Fans bringen 20.000 Euro auf. Hoffen auf weitere Rudolph-Unterstützung.
Hamburg/Lemgo. Die HSV-Handballer haben der Bundesliga zumindest ein sportliches Lebenszeichen gesendet. Der überzeugende 35:27 (16:14)-Sieg beim TBV Lemgo sichert den Hamburgern als Tabellenvierter einen Startplatz im europäischen EHF-Pokal – falls sie die Lizenz für die nächste Saison noch erhalten sollten. Die war ihnen am Donnerstag von der Lizenzierungskommission der Handball-Bundesliga (HBL) im ersten Durchgang verweigert worden.
Der Verein kämpft weiter an allen Fronten, um die drohende Insolvenz seiner Spielbetriebsgesellschaft zu verhindern und um der HBL den Nachweis seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für die nächste Spielzeit zu erbringen. Entscheidend bleibt, ob der zurückgetretene Präsident Andreas Rudolph dem Club ein letztes Mal mit einem Millionenbetrag aus der Bredouille hilft. Dazu scheint der schwerreiche Medizintechnikunternehmer wieder bereit, obwohl er das Vertrauen in die administrative und sportliche Führung des Vereins, in Geschäftsführer Holger Liekefett, Interimspräsident Frank Spillner und Trainer Martin Schwalb offenbar verloren hat und sie für ungeeignet hält, den Verein ohne seine Unterstützung in eine gesicherte Zukunft zu führen. Eine Entscheidung wird Mitte dieser Woche erwartet. Bis zum Freitag hat der HSV Zeit, seinen Widerspruch gegen den Lizenzentzug mit einem reduzierten Etatansatz, geplant sind fünf Millionen Euro, zu begründen.
Inzwischen machen auch die Fans mächtig mobil. Am Sonnabend begleiteten 130 Anhänger den HSV nach Lemgo, sprachen der Mannschaft am Mittag bei der Abfahrt von der Volksbank-Arena Mut zu, wiederholten ihre Appelle am Nachmittag beim Raststätten-Zwischenstopp und feuerten am Abend das Team in der Lipperlandhalle leidenschaftlich an, was Aufsichtsrat und Mehrheitsgesellschafter Matthias Rudolph, der einzige Vertreter der HSV-Gremien in Lemgo, stark beeindruckte.
Am Sonntagvormittag folgten 80 Fans dem Aufruf des ehemaligen HSV-Fanbeauftragten Torsten Lucht in die „Raute“ in der Imtech-Arena. Sie kündigten an, in den nächsten Tagen insgesamt 20.000 Euro spenden zu wollen, unterzeichneten entsprechende Erklärungen. Am Montagabend wollen die vier Fanclubs weitere Aktionen bis zum letzten Saisonspiel am nächsten Sonnabend (16 Uhr, O2 World) gegen Absteiger TV Emsdetten beraten. „Es ist überwältigend, wie sehr den Fans der HSV Handball am Herzen liegt. Sie sind bereit, sehr viel, wenn nicht alles für die Rettung zu tun“, sagte Lucht.
Kiel bietet Benefizspiel an
Und selbst die Konkurrenz scheint gesteigertes Interesse am Fortbestand des Hamburger Bundesligisten zu haben. So ist auch Rekordmeister THW Kiel offenbar bereit, den Nordrivalen und noch amtierenden Champions-League-Sieger bei dessen Kampf ums Überleben zu unterstützen.
„Natürlich helfen wir gerne, wenn wir helfen können. Zum Beispiel mit einem Benefizspiel“, sagte Kiels Manager Klaus Elwardt auf Anfrage von Sport Bild Plus: „Hier geht es nicht um die Rivalität zwischen zwei Klubs, hier geht es um das Wohl des gesamten deutschen Handballs.“
Kiel soll bereit sein, gegen den HSV zu einem Benefizspiel anzutreten und die dabei erzielten Einnahmen dem HSV zu seiner Rettung zur Verfügung zu stellen.
Das ist allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Von entscheidender Bedeutung scheint jedoch weiterhin die Frage, ob Andreas Rudolph ein weiteres Mal Geld aus seinem Privatvermögen zur Verfügung stellt, um das Loch von 2,7 Millionen Euro zu stopfen.
„Er versucht, alles zu erledigen. Aber die Familie Rudolph kann nicht die Lösung auf Dauer sein. Da ist weder die physische Kraft noch die psychische Kraft für vorhanden“, sagte dessen Bruder und Aufsichtsratsmitglied Matthias Rudolph der Bild-Zeitung: „Wenn einer kommt und sagt, ’ich will helfen’, dann schmeißen wir den Rettungsanker doch nicht weg! Nur die Schlange der Interessenten habe ich noch nicht gesehen. Ebenso keinen, der als Hauptsponsor eine siebenstellige Summe zahlen möchte.“
Tore, TBV Lemgo: Haenen 7 (3 Siebenmeter), Zieker 4, Lönn 3, Pekeler 3, Lemke 3, Kehrmann 2, Schneider 2, Possehl 1, Hermann 1, Herth 1; HSV Hamburg: Cañellas 10 (5), Schröder 6, Pfahl 6, Mahé 5, Nilsson 3, Jansen 2, Hens 2, Lackovic 1. Schiedsrichter: Blümel/Loppaschewski (Berlin). Zuschauer: 4585. Zeitstrafen: 4; 1 (3x Schneider, Lönn – Cañellas).