Das Bundesligaspiel gegen Hannover findet am Sonnabend um 19 Uhr in der O2 World wie geplant statt. Wie es mit dem Verein weitergeht, ist völlig offen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Krise des HSV.

Hamburg. Der Schock nach dem plötzlichen Rücktritt ihres Präsidenten Andreas Rudolph, 59, wirkte bei den HSV-Handballern am Freitag nach. Auf der Geschäftsstelle in der Volksbank-Arena suchten Geschäftsführer Holger Liekefett und seine Mitarbeiter bis in die Nacht Lösungen, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten und die drohende Insolvenz abzuwenden. Sicher ist bisher nur: Das Bundesligaspiel des HSV am Sonnabend (19 Uhr, O2 World) gegen Hannover-Burgdorf findet statt. 8600 Eintrittskarten sind verkauft. Trainer Martin Schwalb schwor seine Mannschaft auf die drittletzte Saisonbegegnung ein: „Wir müssen uns auf unsere sportlichen Aufgaben konzentrieren und Werbung für den HSV Handball machen.“ Am Abend tagte erneut der Vorstand. Interimspräsident Frank Spillner hatte während des Tages wiederholt mit Rudolph telefoniert, der am Freitag auf seine Finca nach Mallorca geflogen war. In der Sache selbst, was vor allem zugesagte und dringend benötigte Zahlungen Rudolphs an den Club betraf, gab es keine Fortschritte.

Auf dem Flug nach Mallorca saß Frank Bohmann zwei Stunden lang neben Rudolph. Der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL) war zu Gesprächen mit dem HSV über die Lizenzvergabe für 2014/15 nach Hamburg gekommen, jetzt musste er umdisponieren. „Der HSV und Andreas Rudolph sind für den Handball und die Bundesliga wichtig. Sein Herz hängt weiter am HSV. Ich hoffe, wir finden gemeinsam einen Weg aus der Krise“, sagte Bohmann nach dem „konstruktiven Gespräch”. Das Problem sei nur, der Weg sei lang, „und uns läuft die Zeit davon“.

Ein Szenario, wie es weitergehen könnte, existiert bislang nicht. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Situation des Vereins.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

„Wenn Andreas Rudolph seine finanziellen Zusagen einhält, die er in der Öffentlichkeit und gegenüber dem Verein gemacht hat, dass diese Saison gesichert und die Lizenz für die nächste Saison nicht gefährdet seien, würde sich die Lage wesentlich entspannen. Dann sind die Chancen sehr groß, dass der HSV Hamburg weiter existieren kann“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Fauter. Wolle Rudolph den Weg für einen Neuanfang frei machen, wie er es in seiner Rücktrittserklärung geschrieben hatte, müssten Taten folgen, meint Fauter. Dazu gehöre nach Meinung des Vorstands, dass Rudolph auf alle Forderung aus seinen dem Verein gewährten Darlehen verzichte und sein Bruder Matthias seine Anteile an der Spielbetriebs GmbH & Co. KG verkaufe. Neue Geldgeber oder Investoren stiegen erst ein, wenn sie keine finanzielle Löcher aus der Vergangenheit stopfen müssten.

Wie viel Geld fehlt im Moment?

Zwischen drei und vier Millionen Euro. Bis zum Saisonende am 30. Juni müssen noch für drei Monate Gehälter für Trainer, Spieler und Geschäftsstellenmitarbeiter (rund 1,7 Millionen Euro) bezahlt werden. Hinzu kommen Forderungen des Hallenbetreibers O2 World (etwa 300.000 Euro), des Ordnungsdienstes Pütz Security, des Caterers Eurest und zahlreicher weiterer Dienstleister. Am 15. Mai sind die Beiträge für die Berufsgenossenschaft fällig, ebenfalls ein sechsstelliger Betrag. Geschäftsführer Liekefett führt mit allen Gläubigern Gespräche. Am Sonnabend ist ein Treffen mit Uwe Frommhold angesetzt. Der Geschäftsführer der O2 World hat signalisiert, helfen zu wollen, nur nicht mit Geld. Für das Spiel am Sonnabend gegen Hannover und das letzte Saisonspiel am 24. Mai gegen Emsdetten will er die Halle auf jeden Fall aufschließen.

Wie steht es um die Lizenz?

Meldet der HSV Hamburg Insolvenz an, steht er als Zwangsabsteiger aus der Bundesliga fest. Tritt er am Sonnabend nicht an, was nicht passieren wird, würden alle bisherigen Resultate gestrichen; was die Rhein-Neckar Löwen wohl zum Meister machte, weil die Mannheimer ein Spiel gegen den HSV verloren haben, während Konkurrent Kiel beide Begegnungen gegen die Hamburger gewonnen hat. Die Lizenz für die nächste Saison, geplanter Etat 8,1 Millionen Euro, erhält der HSV, wenn er bis zum Donnerstag entsprechende Einnahmen, Darlehen, Bürgschaften oder Patronatserklärungen vorlegen kann. Das erscheint unrealistisch. Nach der erwarteten Lizenzverweigerung hat der Verein zwei Wochen Zeit, Widerspruch einzulegen. Theoretisch hätte der HSV bis zum 18. Juni die Chance, die von der Bundesliga geforderten Garantien nachzureichen.

Kann die Insolvenz vermieden werden?

Fehlende Liquidität oder Überschuldung sind Insolvenzgründe. Die April-Gehälter waren am 5. Mai fällig. Wenn sich Geschäftsführer Liekefett nicht der Insolvenzverschleppung schuldig machen will, muss er in den nächsten drei Wochen zahlen oder zum Amtsgericht gehen. Das hatte er am Mittwoch Rudolph abermals erklärt. Rudolph soll darauf höchst ungehalten reagiert haben. 22 Stunden später trat er zurück. Bereits am 10. April hatte Liekefett vor dem Amtsgericht am Sievekingplatz gestanden. Damals beorderte ihn Rudolph im letzten Moment zurück und gewährte dem Club ein weiteres Darlehen. Allerdings kann auch jeder Gläubiger einen Antrag auf Fremdinsolvenz gegen den HSV Handball stellen.

Welche Chancen gibt es noch?

Rudolph zahlt und steht wie in der Vergangenheit zu allen Verpflichtungen. Das erwartet im Verein im Moment niemand. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Gehaltsverzicht von Spielern und Trainern als Signal an künftige Investoren. Für die nächste Saison könnte der Etat von acht auf sechs Millionen Euro reduziert werden, wenn der HSV von der O2 World in die weit günstigere Sporthalle Hamburg umzieht, sich von teuren Leistungsträgern trennt, preiswertere Profis holt. Der Handballmarkt gäbe sie her. Spanische Weltmeister sind bereit, für weniger als 5000 Euro netto im Monat in der Bundesliga zu spielen. So wenig verdient beim HSV kein Stammspieler.