Die HSV-Handballer haben ihre erste deutsche Meisterschaft trotz eines 35:25-Sieges am letzten Spieltag in Balingen knapp verpasst.

Balingen. So wie in der Balinger Sparkassen-Arena am Sonnabendnachmittag sehen Sieger normalerweise nicht aus. Die HSV-Handballer hatten ihr Spiel in der Bundesliga gegen den ansässigen HBW Balingen-Weilstetten mit 35:25 (18:13) gewonnen und dabei durchaus zu gefallen gewusst. Aber nach dem letzten Schlusspfiff der Saison klatschten sie sich nur müde ab und winkten den 200 mitgereisten Hamburger Fans zu, während die Gastgeber sich von den übrigen 2100 Zuschauern dafür feiern ließen, dass sie wieder einmal nicht abgestiegen waren. Der HSV aber wusste zu diesem Zeitpunkt längst, dass er sein großes Ziel verpassen würde. „Wir konnten uns im Prinzip zwei Wochen darauf einstellen, deshalb war die Hoffnung nicht groß“, sagte Linksaußen Matthias Flohr. „Aber nun, da es Fakt ist, tut es schon weh.“

Das Objekt der Begierde war zum Greifen nah. Frank Bohmann, der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, hatte die Meisterschale vor sich auf den Tisch in der zweiten Reihe der Sparkassen-Arena gelegt, eingewickelt in abgewetztes blaues Geschenkpapier. Ei-ne Nachbildung zwar nur, deren letzte Gravur aus dem Jahr 2004 datiert: „SG Flensburg-Handewitt“. Aber die Hamburger hätten auch sie liebend gern in Empfang genommen.

Eine Viertelstunde lang durften sie sich tatsächlich wie der neue Titelträger fühlen. Ihre eigene Partie hatten sie zu diesem Zeitpunkt längst unter Kontrolle. Und 190 Luftlinienkilometer weiter in ziemlich genau nördlicher Richtung führte der TV Großwallstadt gegen den THW Kiel überraschend mit 8:7. Nur eine Niederlage des Titelverteidigers und Champions-League-Siegers hätte dem HSV noch die erste Meisterschaft gebracht. Die Hamburger Spieler versuchten nicht daran zu denken, sie konzentrierten sich auf ihr letztes Saisonspiel, was ihnen ziemlich gut gelang. Aber es half alles nichts: Kiel gewann mit 27:24 (14:9), und die Meisterzeremonie fand in Aschaffenburg statt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer überreichte die Originaltrophäe an THW-Kapitän Marcus Ahlm. Es ist die sechste Kieler Meisterschaft in Folge und die 16. insgesamt. Nur den Pokalsieg haben sie ihrem größten Rivalen überlassen.

Schon auf dem Weg dorthin hatten sich die Hamburger in Balingen durchgesetzt, nachdem sie in der Vorsaison dort noch sensationell verloren hatten. Dieses Trauma darf spätestens seit Sonnabendnachmittag als überwunden angesehen werden. Nur bis zum 5:5 (9. Minute) ließ der HSV den HBW mit-spielen. Dann setzte er sich (Gegen-)Zug um Zug ab. Vor allem Blazenko Lackovic konnte sich dabei hervortun, dem Kroaten gelangen allein in der ersten Halbzeit sieben Treffer, die allesamt das Prädikat „Sehenswert“ verdienten. Und natürlich war auch Torhüter Johannes Bitter der erwartet schwere Gegner des Balinger Angriffsspiels. Bis er nach 37 Minuten seinen Arbeitsplatz für Per Sandström räumte, hatte er ihn zwölfmal erfolgreich verteidigt und nur 13-mal nicht – eine Erfolgsquote von 48 Prozent.

Ausnahmeleistungen wie diese sind in der laufenden Saison fast zur Regel geworden. Umso mehr muss es schmerzen, am Ende trotz nur sieben Minuspunkten mal wieder als Zweiter einzulaufen. Entsprechend gereizt war die Stimmung der Spieler und von Trainer Martin Schwalb, je näher das Ende des Spiels und damit das aller Träume rückte: Der Frust entlud sich an den Gegenspielern und am Zeitnehmertisch. „Deutscher Meister wird nur der THW“, höhnten die schwäbischen Zuschauer elf Minuten vor dem Ende und pfiffen Domagoj Duvnjak wegen eines verweigerten Handschlags so lange aus, bis ihn Schwalb durch seine Auswechslung erlöste.

Einzig Hans Lindberg beendet die Spielzeit auf dem ersten Tabellenplatz: in der Liste der besten Torjäger. Der Däne traf 257-mal, 135-mal per Siebenmeter. Als Andenken bekommt er von der Bundesliga eine Skulptur als Trophäe. Eine Schale hätte ihm sicher besser gefallen.

Tore, Balingen-Weilstetten: Herth 6 (4 Siebenmeter), Bürkle 4, Müller 3, Lobedank 3, Temelkov 2, Strobel 2, Feliho 2, Wagesreiter 2, Ilitsch 1; Hamburg: Lackovic 7, M. Lijewski 6, Lind-berg 6 (3), Jansen 5, Hens 4, Duvnjak 2, Flohr 2, Vori 2, G. Gille 1. Schiedsrichter: Damian/Wenz (Bingen/Mainz). Zuschauer: 2300 (ausverkauft). Zeitstrafen: 5; 6.