Hamburg. Sportchef Marvin Willoughby über eine neue Spielstätte, Verkauf der Namensrechte, das Scouting und die Zukunft von Trainer Calles.
Die Hamburg Towers haben mit dem 105:78 (24:16, 27:15, 25:28, 29:19) gegen den MBC Weißenfels, ihrem bisher höchsten Saisonsieg, ihre Serie von fünf Niederlagen in sechs Bundesligaspielen gestoppt und Play-off-Platz sieben gefestigt. Terry Allen (24 Punkte), Mike Kotsar (21) und Kameron Taylor waren die erfolgreichsten Werfer.
Nach dem Spiel sprach das Abendblatt mit Towers-Geschäftsführer und Sportchef Marvin Willoughby (43) über die Perspektiven des Vereins. „Mittelfrist brauchen, wenn Zuschauer wieder zugelassen werden eine größere Halle.“ Als Zwischenlösung kann er sich den Umzug für einzelne Spiele in die Barclaycard Arena oder in die Messehallen vorstellen.
Hamburger Abendblatt: Herr Willoughby, elf Siege, neun Niederlagen, wie fällt Ihr Fazit nach 20 Spieltagen aus?
Marvin Willoughby: Wir sind in der Bundesliga konstant auf einem Play-off-Platz, deshalb sind wir erst einmal super glücklich, wie wir uns mit der neuen Mannschaft und dem neuen Trainerteam steigern konnten im Vergleich zur vergangenen Saison, als wir zu diesem Zeitpunkt auf dem letzten Platz lagen.
Das Saisonziel war der Klassenerhalt. Sind Sie jetzt bereit, erste Korrekturen in der Ausrichtung vorzunehmen?
Willoughby: Es hat sich nichts geändert. Wir wollen uns in der Bundesliga etablieren. Das schaffen wir nicht in einer guten Saison, wir wollen dauerhaft nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben. Erst dann können wir über die Play-off-Plätze reden. Wir haben noch nicht die erhoffte Konstanz, das hat uns gerade die jüngste Niederlagenserie gezeigt.
Die Leistungen waren zuletzt oft schwankend, wiederholt kamen Vorwürfe auch aus der Mannschaft auf, die Einstellung stimme nicht.
Willoughby: Auch ich habe schon mal gesagt, die Mannschaft sei das eine oder andere Mal nicht hungrig genug. Das Team hat in einigen Spielen, etwa gegen Tabellenführer Ludwigsburg oder in Oldenburg trotz der Niederlagen die Messlatte sehr hoch gelegt hat. Wir haben in beiden Begegnungen hervorragenden Basketball gespielt. Und wenn wir in anderen Spielen nicht an dieses Niveau herankommen, kritisieren wir das. Wir wollen diesen Standard halten. Etablieren heißt, dass wir durchgängig auf diesem Level spielen. Das ist Schwerstarbeit. Das Spiel gegen Weißenfels hat genau dieses Problem erneut aufgezeigt. Wenn du 100 Sekunden lang nicht aufpasst, werden im Schlussviertel aus 17 Punkten Vorsprung plötzlich sieben, und wenn sie dann den nächsten Wurf auch noch treffen, kann das Match komplett kippen. Wir treten gegen Mannschaften an, die seit Jahren auf diesem Niveau spielen, da müssen wir uns erst noch beweisen. Der Tag, an dem wir sagen, alles ist gut, ist der erste Tag, an dem alles wieder runter geht.
Kann eine ambitioniertere Zielsetzung nicht auch Kräfte freisetzen?
Willoughby: Das können andere gerne machen. Wir machen das nicht. Mittwoch ist das nächste Spiel gegen Braunschweig. Das wollen wir gewinnen. Das wollen wir irgendwann auch mal sagen können, wenn in der Woche darauf der deutsche Meister Alba Berlin und dessen Vorgänger Bayern München zu uns kommen. Wir wollen auch in solchen Spielen die Chance haben zu gewinnen, aber so weit sind wir noch nicht. Das wird noch ein paar Jahre dauern.
Gegenüber der vergangenen Saison spielt die Mannschaft fast eine Klasse besser. Mit Center Maik Kotsar und Spielmacher T.J. Shorts haben Sie Spieler entdeckt, die inzwischen das Interesse anderer Clubs geweckt haben. Haben Sie diesmal besser gescoutet als vor zwei Jahren?
Willoughby: Wir haben immer noch dieselben Scouts. Was anders ist: Das Team passt sehr gut zu unserem Trainer Pedro Calles und zu seiner Philosophie. Wir haben die richtigen Charaktere zum Charakter des Trainers gefunden. Da war auch ein bisschen Glück dabei, du weißt vorher nicht zu hundert Prozent, ob das alles miteinander harmoniert. Ich will nicht vermessen klingen, aber wären wir auf der Centerposition nicht von Verletzungen gebeutelt gewesen, hätten wir hier mehr Tiefe im Kader, wären sogar ein paar Siege mehr möglich gewesen – dann könnten wir über die Play-offs reden. Wir hatten auch in der vergangenen Saison keine schlechten Spieler, aber die teilweise unglücklichen Niederlagen haben dazu geführt, dass diese dann auch individuell schwächer wurden.
Werden Sie im März noch einen neuen Center holen?
Willoughby: Das ist wirtschaftlich und auf dem Markt schwierig. Wir verpflichten niemanden, um jemand zu verpflichten. Derjenige muss unser Problem lösen können. Wir hoffen jetzt, dass Johannes Richter nach seiner Knieverletzung bald in den Kader zurückkehrt. Das sieht derzeit ganz gut aus. Ich würde gern mit dieser Mannschaft die Saison zu Ende spielen, sie hat genügend Qualität, um noch ein paar Spiele zu gewinnen.
Wie weit sind Sie mit den Planungen für die nächste Saison. Steht das Gerüst?
Willoughby: Da gibt es nichts zu vermelden.
Bisher gab es bei den Towers nach jeder Saison einen personellen Umbruch. Setzten Sie diesmal auf Kontinuität?
Willoughby: Das würden wir gern. Aber: Wenn eine Mannschaft erfolgreich ist, wecken deine Spieler Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen. Ich glaube jedoch, unsere Leute wissen, was sie bei uns haben, sie sehen, wie sich unter diesem Trainer entwickeln. Der Trainer ist ein ganz wichtiger Faktor für sie, neben den finanziellen Aspekten. Ich bin mir sicher, wir haben gute Argumente, sollte es aber nur darum gehen, Scheine rauszuschmeißen, sind wir noch nicht die Organisation, die sagen kann: Du bleibst jetzt hier.
Wie sicher sind Sie denn, dass Calles seinen Zweijahresvertrag erfüllen wird? Hat er eine Ausstiegsklausel zur nächsten Saison?
Willoughby: Über Vertragsinhalte reden wir nicht. Aber Pedro Calles scheint mir jemand zu sein, der zu seinem Wort steht. Ich bin mir sehr sicher, dass er auch in der nächsten Saison unser Trainer ist.
Wie langfristig planen Sie mit Calles?
Willoughby: Viele waren überrascht, dass wir einen Spitzentrainer wie ihn verpflichten konnten. Er war von unserem Konzept überzeugt. Er hat geliefert, und wir haben geliefert, indem wir das Team nach seinen Wünschen zusammengestellt haben. Im Moment ist aber das Problem, dass Corona über uns, über der gesamten Bundesliga wie ein Fallbeil schwebt. Noch eine Saison ohne Zuschauer würde für alle sehr schwierig werden. Es wird bei den Towers weitergehen, wie es weitergeht, hängt jedoch in großem Maße davon ab, ob Zuschauer wieder in die Hallen dürfen. Unsere Sponsoren und Partner unterstützen uns großartig, doch deren Geduld ist sicherlich nicht unendlich. Meine Hoffnung bleibt, dass mit Impfungen und neuen Medikamenten das Risiko sinkt, an Corona zu sterben, die Krankheit damit einen Großteil ihres Schreckens verliert. Ist das der Fall, können wir auch wieder über Events reden.
Wie weit ist die Entwicklung der Towers auch von der Spielstätte abhängig. In der edel-optics.de Arena mit maximal 3400 Zuschauern bleibt der Verein in seinen finanziellen Möglichkeiten limitiert.
Willoughby: Wir brauchen mittelfristig eine größere Arena, um dauerhaft in die Play-offs einziehen und auch international spielen zu können. Entsprechende Pläne hat unser Hauptgesellschafter Tomislav Karajica vorlegt, wir warten jetzt auf eine Entscheidung. Ein Nein wäre auch eine, dann wüssten wir, woran wir sind. Es ist sehr ärgerlich, dass sich die Politik so lange Zeit lässt.
Karajicas Arena-Pläne stießen erst an den Elbbrücken und jetzt auf der Veddel auf Widerstand. Jetzt präferiert er wieder den Standort Elbbrücken. Sollte eine neue Halle jemals kommen, dauerte es ohnehin vier bis fünf Jahre, bis sie bezugsfertig wäre. Haben Sie für diese Zeitspanne Zwischenlösungen in Vorbereitung?
Willoughby: Wir sind mit der Barclaycard Arena am Volkspark im Gespräch, auch mit der Messe am Fernsehturm. Beide Spielorte sind auch eine Frage der Finanzen. Die Miete in der Barclaycard Arena ist hoch, in den Messehallen fehlt die Infrastruktur. Tribünen aufzubauen kostet eine Stange Geld. Dennoch können wir uns beide Orte als Ausweichquartiere vorstellen. Für uns ist das Thema Halle und die Mehreinnahmen, die wir dadurch generieren könnten, ein entscheidendes für unsere Entwicklung. Natürlich kann man auch in einer kleineren Halle Topleistungen bringen, auf Dauer ist es jedoch eine kaum zu lösende Herausforderung, eine erfolgreiche Mannschaft unter diesen Bedingungen zusammenzuhalten. Das wird wahrscheinlich nicht jedes Jahr gelingen.
Fürchten Sie nicht, dass die Towers ihre Identität verlieren, wenn sie aus Wilhelmsburg wegziehen?
Willoughby: Natürlich wünsche ich mir, wenn wir eine neue Halle bauen dürften, dass diese auf unserer Elbinsel entsteht. Aber andererseits glaube ich nicht, dass ein Umzug in die Barclaycard Arena oder die Messehalle zu einem Problem wird. Im vergangenen Jahr haben wir mehr als 12.000 Tickets für das später wegen Corona abgesagte Spiel gegen Bayern München in der Barclaycard verkauft. Da hat auch kein Fan gesagt, da gehen wir nicht hin, weil die Towers nicht in Wilhelmsburg spielen. Die haben uns gefeiert, weil wir das hinbekommen haben. Wilhelmsburg wird immer unsere Basis bleiben, hier machen wir unsere Jugend- und Sozialarbeit. Klar ist, es verändert sich was, aber Entwicklung bedeutet eben auch Veränderungen. Das wollen auch unsere Fans. Die Identität der Hamburg Towers wird sich dagegen nicht verändern, egal wo wir spielen.
Eine Möglichkeit, neue Einnahmen zu erzielen, ist der Verkauf des Namenrechtes. Ist das ein Tabu für Sie?
Willoughby: Kein Tabu, aber eine große Hürde. Das würden wir nur machen, wenn der Partner unser Konzept voll mitträgt und die Vereinbarung nachhaltig ist, also auf einen sehr langen Zeitraum angelegt wäre.
Gibt es Gespräche in diese Richtung?
Willoughby: Es gibt immer Gespräche in alle Richtungen. Sponsoren zu finden war immer schon schwierig, in diesen Zeiten ist es aber besonders schwer.
Müssen dadurch auch strukturelle Entscheidungen verschoben werden, etwa die Schaffung des Postens eines Sportdirektors?
Willoughby: Für unsere nächsten Schritte brauchen wir einen Sportdirektor, das habe ich immer gesagt, und ich habe auch kein Problem damit, Aufgaben abzugeben. Auch unser medizinisches Team muss aufgerüstet werden, uns fehlen Trainer im Nachwuchsbereich, zudem weitere Mitarbeiter für die Organisation. Dafür, dass wir erst im siebten Jahr auf dem Markt sind, haben wir aber schon eine ganze Menge geschafft.