Manila/Hamburg. Die Mannschaft von Bundestrainer Gordon Herbert besiegt Topfavorit USA mit 113:111 und trifft im Endspiel am Sonntag auf Serbien.

Moritz Wagner musste seine hemmungslosen Tränen noch kurz zurückhalten. Als wollte der Bundestrainer den historischen Erfolg extra lang genießen, gönnte sich Gordon Herbert 0,5 Sekunden vor Ende eine Auszeit, um den anschließenden Einwurf weit in der gegnerischen Hälfte aufzumalen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass die deutsche Basketball-Nationalmannschaft Geschichte schreiben und erstmalig in ein WM-Finale einziehen wird.

Die halbe Spielsekunde später, in der nicht mal ein Basketballwunder den hohen Favoriten USA hätte retten können, durften sich die Deutschen dann endlich in den Armen liegen, Forward Wagner flennen. Peinlich berührt und ziemlich verdattert dreinschauend, schlichen währenddessen die im Halbfinale besiegten NBA-Stars aus dem Mutterland des Basketballs vom Parkett der Mall of Asia Arena in Manila.

Deutschland im Finale der Basketball-WM gegen Serbien

Das 113:111 (33:31, 26:29, 35:24, 19:27) war der erste deutsche Sieg jemals gegen die USA. Es hätte keinen besseren Zeitpunkt für dieses kleine Wunder geben können. Bei der WM vor vier Jahren scheiterte Deutschland noch in der Vorrunde an der Dominikanischen Republik.

Nun spielt es am Sonntag (14.40 Uhr) gegen Serbien um den WM-Titel. Das Finale wird nun sogar vom ZDF gezeigt. Der Streamingdienst MagentaSport überträgt weiterhin kostenlos übertragen.

Deutschland besiegt USA verdient

Es war kein dreckiges Spiel, das Deutschland auf den Philippinen irgendwie zu einem Sieg zusammenwürgte. Es war ein Offensivfeuerwerk, in dem der amtierende EM-Dritte besser zündete als die US-amerikanischen Stars, das hoch verdient gewonnen wurde auf Basis einer extrem starken Mannschaftsleistung gewonnen.

Jegliche Superlative und Überhöhungen sind an dieser Stelle tatsächlich gerechtfertigt. Deutschland war das klar bessere Team, und die individuell herausragenden US-Amerikaner besaßen an dieser Nacht in Manila nicht einmal den besten Einzelkönner.

Obst Held des Abends

Das war zweifellos ein Held aus Halle (Saale). Andreas Obst, komplett bodenständiger Leistungsträger und Scharfschütze des FC Bayern München, dem bitte niemals jemand eine Waffenlizenz anvertrauen darf, wurde mit „MVP“-Sprechchören gefeiert, die normalerweise nur den Superstars, für die die Auszeichnung des Most Valuable Players (wertvollster Spieler) angedacht ist, vorbehalten wird.

24 Punkte erzielte der gefährlichste Dreierschütze des WM-Turniers, darunter den entscheidenden Distanztreffer zum 111:107, der dem Favoriten 74 Sekunden vor Ende den Stecker zog. Einst ein reiner Wurfexperte ist Obst längst ein kompletter europäischer Topspieler.

Mannschaftsleistung extrem stark

Dass der 27-Jährige anschließend nichts davon wissen wollte, dass dies sein bestes Spiel, charakterisiert ihn perfekt. „Es war vielleicht das Wichtigste“, sagte er, verwies stattdessen grinsend auf den kollektiven Einsatz. „Was willste hören? Mit solch einer Truppe kann einfach nichts schief gehen“, sagte Obst auf die Erfolgsformel angesprochen.

Und tatsächlich scheint diese in sieben WM-Spielen als einzige noch unbesiegte Mannschaft vor allen Fallstricken gesichert zu sein. Franz Wagner, der künftige deutsche Spitzenspieler, dominierte seine NBA-Kollegen phasenweise mit seiner Qualität. Daniel Theis verteidigte den Korb mit Vehemenz. Johannes Thiemann war für den Kampf um zweite Chancen aufs Feld gekommen und gewann diesen durch K.-o. Um nur beispielhaft ein Trio zu nennen. Und einen gibt es ja noch.

Schröder effizienter Anführer

Fast 100 Zeilen, und bis hierhin wurde kein Wort über Dennis Schröder verloren. Den Kapitän, den Anführer, den Topstar. Das spricht ein weiteres Mal für die grandiose Mannschaftsleistung, vor allem aber nicht gegen den 29-Jährigen, sondern in diesem Fall extrem für ihn.

Nach seiner gruseligen Leistung im Viertelfinale gegen Lettland (81:79), in dem Schröder nur vier seiner 26 Würfe traf und es mit Einzelaktionen maßlos übertrieb, hielt sich der Chef gegen die US-Boys, von denen er alle aus seinen bislang zehn Saisons aus der NBA persönlich kennt, zurück, solange seine Kollegen alles unter Kontrolle hatten. Als sie ihn jedoch suchten, ihm die Entscheidung über Finale oder Flaute überließen, war der Braunschweiger zur Stelle, lieferte zudem starke neun Korbvorlagen.

Nur Pesic steht dem Titel noch im Weg

Überhaupt: dieses Zusammenspiel. Von 41 Körben aus dem Spiel heraus wurden 30 vorbereitet. Ein lächerlich hoher Wert. „Mein Team ist einfach extrem geil. Es ist das beste, in dem ich jemals gespielt habe“, sagte Schröder.

Das Endspiel führt zu einem Duell mit der Vergangenheit. Nur der Mann, der dem deutschen Basketball seinen bislang größten Erfolg beschert hat, steht jetzt noch im Weg zum allergrößten: Svetislav Pesic. Die 74 Jahre alte Coachlegende führte Deutschland 1993 bei der EM in München als Bundestrainer zum Titel. Nun greift der Serbe mit seinem Heimatland gegen sein Wahlheimatland nach der WM-Krone.

Goldmedaille ist das Ziel

Und jeder kann sicher sein, dass sich keine der beiden Nationen auch nur annähernd mit Kinkerlitzchen wie geschaffter Olympia-Qualifikation und bereits gewonnener Medaille zufrieden geben wird. „Das wird ein Kampf“, sagt Schröder, dessen Team leicht favorisiert ist. „Das sind die letzten 40 Minuten, die uns vom Ziel trennen.“ Der Job ist noch nicht erledigt.

Deutschland: Obst (24 Punkte), F. Wagner (22), Theis (21), Schröder (17), Thiemann (10), M. Wagner (10), Voigtmann (6), Bonga (3), Lo, Giffey. Halbfinale: Serbien – Kanada 95:86, Deutschland – USA 113:111.