Beim Bundesligadebüt mit dem neuen Cheftrainer Benka Barloschky unterliegen die Wilhelmsburger Basketballer Göttingen.

Die wichtigste Eigenschaft trägt der Neuzugang der Veolia Towers Hamburg schon im Namen. „Charakterlich einwandfrei“ stand ganz oben auf der Prioritätenliste potenzieller Neuzugänge des Basketball-Bundesligisten. Mit Anthony Polite nun einen Akteur verpflichtet zu haben, dessen Nachname auf Englisch „höflich“ bedeutet, scheint kein schlechter Start zu sein.

Der aktive Auftakt des 25-Jährigen hingegen muss noch warten, bei der 82:91 (18:19, 19:16, 19:25, 26:31)-Niederlage am Sonntagnachmittag gegen die BG Göttingen vor 3400 Zuschauern in der ausverkauften edel-optics.de-Arena war der Schweizer mit US-amerikanischen Wurzeln, der erst am Sonntagmittag aus Frankreich von seinem vorherigen Club, dem EuroLeague-Teilnehmer Asvel Lyon-Villeurbanne in Hamburg eintraf, noch nicht dabei.

Auftakt für den neuen Cheftrainer der Veolia Towers: Benka Barloschky

So stand Benka Barloschky im Mittelpunkt. Ein weiteres Mal. Nach einer ganzen Reihe von Premieren als Interimstrainerdebütant in der Bundesliga, seinem Debütsieg in leitender Position und Cheftrainerdebüt im EuroCup, debütierte der 35-Jährige nun als offizieller Headcoach der Wilhelmsburger im deutschen Oberhaus.

Es hätte einfachere Einführungen geben können als gegen die Überraschungsmannschaft der Bundesliga, die mit dem Belgier Roel Moors einer der Besten seines Faches anleitet. Was schnell ersichtlich wurde. Eine vermeintlich sichere 16:10-Anfangsführung egalisierten die Südniedersachsen binnen kürzester Zeit (18:25). Göttingen spielte einen ansehnlichen Basketball, der davon lebt, dass jeder im Team seine exakte Rolle kennt.

Die Towers-Spieler kämpften

Die hierarchisch kaum konkret organisierten Towers mussten dagegen um jeden freien Abschluss und Defensivstopp kämpfen. Aber: Sie kämpften, was durchaus als Qualitätsmerkmal im Vergleich zu den Vorwochen durchgeht.

Was allein dies bei einem Kader, der vom Talentlevel knapp über Ligadurchschnitt rangiert, ausmacht, zeigte sich von Mitte des zweiten Viertels an. Hamburg zwang die Gäste zu schwierigen Abschlüssen, provozierte zahlreiche vergebene Korbleger und konnte so phasenweise trotz einer abermals miserablen Freiwurfquote (17/28; 60,7 Prozent) sowie schwachen Leistungen der Guards James Woodard und Ziga Samar überleben.

Die Stars der Göttinger hatten einen schweren Start

Doch die Göttinger, deren Stars Mark Smith (10 Punkte; 3/14 Feldwürfe) und Harald Frey (12; 3/8) einen schwierigen Stand hatten, waren mit fortschreitendem Spielverlauf in der Lage, taktische Antworten auf die physische Towers-Defensive zu finden.

Noch etwas war auffällig: Die Gastgeber fokussieren sich im Bemühen um Stabilität angesichts ihrer momentan labilen Beschaffenheit zunächst darauf, die offensichtlichen Entscheidungen zu treffen – entscheidend ist, dass der freie Wurf genommen wird. Die „Veilchen“ achteten hingegen darauf, die cleveren Entscheidungen zu treffen – der richtige Mann soll den Wurf nehmen.

Kendale McCullum kritisiert Ideenlosigkeit des Teams zum Ende

Unter anderem dieser Ansatz sorgte dafür, dass Göttingen in der Schlussphase die notwendigen Kleinigkeiten voraus war, um den Sieg sicherzustellen. Die großen Würfe nahm, Quote hin oder her, Frey. Auf der Gegenseite wirkten die Entscheidungsträger um den offensiv wie defensiv statisch wieder dominanten Kendale McCullum mitunter ratlos, wie sie sich entscheiden sollten. „Der Gegner ist hervorragend gecoacht und sehr diszipliniert, wir haben dagegen am Ende, als wir müde geworden sind, keine guten Ideen mehr gehabt“, kritisierte McCullum.

So muss Barloschky eine aus der Makroperspektive betrachtet solide Bundesligamannschaft nun dringend mit Detailversessenheit auf die nächste Stufe führen, eine deutlichere Hierarchie aufbauen und Neuzugang Polite integrieren. Es könnte einfachere Aufgaben für Cheftrainernovizen geben.

Cheftrainer lobt Neuzugang Polite: „Wir sehen in ihm viel Potenzial“

Zu Cheftraineraufgaben – zumindest von der einfachen Sorte – gehört es auch dazu, im öffentlichen Kommuniqué des Clubs zu Neuzugängen zitiert zu werden. Bei seinem Spielereinschätzungsdebüt sagte Barloschky: „Anthony ist ein junger, talentierter Spieler, der bisher auf allerhöchstem europäischem Niveau noch nicht Fuß fassen konnte.

Er hat als Rookie direkt die Chance bekommen, bei einem EuroLeague-Team zu unterschreiben. Der Schritt war für ihn zu diesem Zeitpunkt aber noch zu groß. Wir wollen ihm jetzt helfen, in Europa anzukommen und sich hier bis auf das höchste Level zu spielen. Er ist vielseitig einsetzbar, spielt sehr physisch. Wir sehen in ihm viel Potenzial, dass wir hier bei uns entfalten wollen.“

Polite spielte zuletzt in Lyon

Dass die Towers tatsächlich restlos überzeugt vom 1,98 Meter großen Flügelspieler sind, ist allerdings in Zweifel zu ziehen. Dafür spricht die kurze Vertragslaufzeit bis lediglich zum Saisonende, aber auch, dass Insidern zufolge der Markt nicht mehr hergab, Polite, der in Lyon über eine Mikrorolle nicht hinauskam, der beste verfügbare Akteur war. Allerdings bringt der Absolvent der Florida State University eine Athletik sowie Fähigkeiten im Scoring mit, die auf diese Art zuvor nicht im Kader der Hamburger zu finden.

Was sicher sein dürfte: Polite wird sich unterordnen, keine Ansprüche stellen. „Unser Team ist vom Leadership her gut aufgestellt. Wir haben mit Lukas Meisner und Seth Hinrichs zwei Kapitäne mit unterschiedlichem Führungsstil, mit Jonas Wohlfarth-Bottermann einen erfahrenen Mann, dazu McCullum und Woodard, die Verantwortung übernehmen“, sagte Barloschky. Einer verunsicherten Truppe Halt verschaffen, das kann er.

Was Barloschky als neuer Cheftrainer ebenso bereits hervorragend beherrscht, sind die branchenüblichen Phrasen. „Ich gratuliere Göttingen zum Sieg“, sagte er bei der Pressekonferenz. Ganz höflich.

Towers: McCullum (25 Punkte), Meisner (15), Woodard (9), Hinrichs (8), Childs (8), Samar (6), Wohlfarth-Bottermann (6), Philipps (5), Schoormann.