Hamburg. Der Cheftrainer der Veolia Towers Hamburg spricht vor dem Saisonstart über den Kader, seine Ziele und positive Entwicklungen.
Raoul Korner (48) ist im Stress. Zwischen der Saisoneröffnungspressekonferenz in Wilhelmsburg und der nächsten Trainingseinheit in Wandsbek hat der Cheftrainer der Veolia Towers Hamburg, die am Mittwoch (19 Uhr/MagentaSport) beim deutschen Meister Alba Berlin in ihre vierte Bundesligasaison starten, nur Zeit für ein kurzes Gespräch mit dem Abendblatt. Dennoch wirkt der Österreicher einerseits tiefenentspannt und andererseits geradezu enthusiastisch angesichts des anstehenden Starts.
Hamburger Abendblatt: Herr Korner, die Zuschauer scheinen nicht so begeisterungsfähig wie Sie zu sein, was sich an den gesunkenen Dauerkartenverkäufen ablesen lässt. Wie wollen Sie es schaffen, dass sich das Hamburger Publikum wieder mehr mit den Towers identifiziert?
Raoul Korner: Mit begeisterndem Basketball. Wir stehen in der Bringschuld, sportlich zu zeigen, dass wir konkurrenzfähig sind, und das Herz aufs Parkett schmeißen. Wenn wir dieses Feuer entfachen, werden auch die Hamburger Fans aufspringen.
Welche Charakteristika zeichnen Ihre Mannschaft aus?
Korner: Wir sind ein Team, das sehr temporeich spielt und vom Kollektiv lebt, da wir ohne designierte Superstars in diese Saison gehen. Die Zahl unserer Ballverluste war in der Vorbereitung noch zu hoch, was dem hohen Tempo geschuldet ist. Da möchte ich aber keine Abstriche machen, also müssen wir uns daran gewöhnen. Ansonsten bin ich erfahren genug, um vorsichtig mit großspurigen Ankündigungen umzugehen.
Ihr Kapitän Seth Hinrichs hat die im Vergleich zur Vorsaison sehr gute Teamchemie gelobt. Hat sich da etwas entwickelt?
Korner: Wir haben keine Ausnahmespieler mehr wie Maik Kotsar oder Caleb Homesley. Dafür sind wir mit Kendale McCullum und Ziga Samar breiter aufgestellt auf der Spielmacherposition, auf der es im Vorjahr nur Justus Hollatz gab. Auch die Centerreserve war problematisch, jetzt haben wir mit Jonas Wohlfarth-Bottermann einen sehr erfahrenen Mann dort, sind dazu mit Len Schoormann und Christoph Philipps auf den deutschen Positionen jünger geworden. Die Konstellation ist aus meiner Sicht sinnvoll und schlüssig.
Der Kader gilt als nicht sonderlich tief angesichts der Doppelbelastung aus Bundesliga und EuroCup. Wollten Sie das Geld lieber für wenige gute als für viele mittelmäßige Spieler ausgeben?
Korner: Wir haben eine Balance aus guten Charakteren und sportlicher Qualität gefunden. Das Geheimnis erfolgreichen Basketballs ist es, dass einmal fünf mehr als fünf mal eins ist. Daran müssen wir in den nächsten Wochen weiter gemeinsam arbeiten.
Welcher Ihrer Spieler kann in dieser Saison überraschen?
Korner: Fast jeder hat das Zeug, die Erwartungen zu übertreffen. Exemplarisch würde ich Ziga Samar herausheben, der jedem zeigen kann, dass er eines der größten Talente in Europa auf seiner Position ist.
Ist es eine Auszeichnung für Sie und den Verein, dass Alba Berlin Samar an die Towers verliehen hat?
Korner: Berlin hat Großes mit ihm vor und ihm nicht umsonst einen Vierjahresvertrag gegeben. Wenn man ihn bei uns parkt, zeigt es, dass das Vertrauen in unsere Arbeit groß ist.
Wird es eine unterschiedliche Rotation in Bundesliga und EuroCup geben?
Korner: Nein, wir wollen immer mit mindestens zehn Mann spielen. Das ist uns dank der ProB-Spieler von unserem Kooperationspartner Rist Wedel sogar in der Vorbereitung gelungen, obwohl uns mit Samar und Jonas Wohlfarth-Bottermann zwei EM-Fahrer für lange Zeit gefehlt haben.
Nach unseren Informationen gab es bereits Überlegungen, Flügelspieler Marvin Clark (27) auszutauschen. Ein Ersatzkandidat sei der Serbe Dragan Milosavljevic (33) gewesen, der mit Gehaltsforderungen im hohen fünfstelligen Bereich noch zu teuer war. Wie wollen Sie weiter mit Clark verfahren?
Korner: Wir arbeiten mit Marvin und versuchen, seine Qualitäten voll aufs Spielfeld zu bekommen. Sicherlich hat er bislang die meisten Schwierigkeiten von allen, sich an dieses Niveau anzupassen. Aber das ist nun mal unsere Aufgabe, ihn an dieses heranzuführen.
Von Marvin zu Marvin. Wie arbeiten Sie mit Sportdirektor Marvin Willoughby zusammen?
Korner: Bislang sehr gut. Er hatte den Sommer über alle Hände voll zu tun mit dem Rebranding der Towers zu den Veolia Towers und war froh, mit mir jemanden zu haben, der es gewohnt ist, eigenständig zu arbeiten. Wir haben uns gut eingespielt, was die Rekrutierung und das Sportliche betrifft.
Für die Towers ist es bedeutend, das Umfeld weiterzuentwickeln. Inwiefern sehen Sie beispielsweise bei der Reiselogistik und dem Bau des Trainingszentrums Fortschritte?
Korner: Wir werden, wenn möglich, die meisten Auswärtsreisen mit Bus oder Bahn antreten. Gewisse Destinationen lassen sich nur anfliegen. Das ist für mich alles in Ordnung. Das entstehende Trainingszentrum in Harburg wird auch dazu beitragen, das Arbeitsumfeld zu verbessern. Wir kommen in Minischritten voran. Es geht nicht darum, von heute auf morgen perfekt zu sein, sondern uns stetig zu entwickeln.
Waren Ihre Vorschläge beim Bau des Trainingszentrums in Harburg auch gefragt?
Korner: Nein, die Pläne waren so weit fortgeschritten, dass nicht mehr allzu viel möglich war. Aber es wurde auch so genug Knowhow eingebracht. Wir hoffen, dass wir das Zentrum in diesem Jahr noch beziehen können, aber in Zeiten wie diesen sind Verzögerungen nichts Außergewöhnliches. Ich bin jedoch guter Dinge, dass wir das alles noch erleben werden.
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In Bayreuth, bei Ihrem vorigen Verein, sprachen Sie davon, Sie hätten sich fast eine Gehirnerschütterung zugezogen, weil Sie mit dem Kopf ständig an die Decke gestoßen seien, weil alle potenziellen Möglichkeiten der strukturellen Weiterentwicklung ausgeschöpft waren. Wie viel Luft nach oben gibt es in Hamburg noch?
Korner: Zum Glück noch jede Menge. Die Towers sind ein junges Programm, das in den vergangenen beiden Jahren sportlich überperformt hat. Nun gilt es, diese Leistung zu stabilisieren, sodass sie keine Überperformance mehr ist.
Inwieweit wäre dann auch eine Saison ohne Play-off-Einzug ein Erfolg?
Korner: Das hängt davon ab, ob wir das Maximum aus unseren Möglichkeiten herausholen. Es gibt 14 Teams, die berechtigte Hoffnungen auf die Play-offs haben. Wir sind eines davon, allerdings angesichts unseres Kaders kein zwingender Play-off-Teilnehmer.
Welche Entdeckungen haben Sie seit Ihrer Ankunft in Hamburg gemacht?
Korner: Der HSV ist besser geworden, das muss der Trainereffekt sein (lacht). Ansonsten finde ich die Kombination aus Wasser, Grünflächen und Großstadt extrem spannend. Planten un Blomen ist ein wunderschöner Park mitten in der Stadt. Ich freue mich auf weitere Überraschungen.