Hamburg. Der neue Mann der Hamburger hat eine beeindruckende Quote vorzuweisen. Zum Bundesliga-Basketballer wurde er über Nacht.
Marvin Clark hatte verschlafen. Die Höhenluft von Denver macht müde. Und fit. Denn eigentlich wollte der 27-Jährige am vergangenen Wochenende in der Hauptstadt des US-Bundesstaats Colorado einige Einheiten Höhentraining einlegen und Freunde besuchen. Stattdessen hatte er sich nach dem Erwachen um zwei verpasste Anrufe zu kümmern. Einer war von seinem Agenten Charles Misuraca, der andere von Raoul Korner, Cheftrainer der Veolia Towers Hamburg.
Die Botschaft war indes jeweils die gleiche: Pack die Koffer, du hast einen Job! Anstatt also am Montagvormittag zurück in die Heimat nach Kansas City zu fliegen, fand sich Clark einen Überseeflug später 1606 Höhenmeter niedriger in Hamburg wieder, von wo aus es direkt ins Trainingslager der Wilhelmsburger Basketballer nach Breslau (Polen) weiterging.
Towers-Neuzugang Marvin Clark wollte Lebron James nacheifern
Zu spät dran zu sein, hat ein gewisses Muster beim US-Amerikaner. Seine erste Liebe galt dem American Football, das Logo der Kansas City Chiefs hat er auf dem Unterarm tätowiert. Mit Basketball begann der Linkshänder dagegen erst mit 14 Jahren. „Da ich physisch gesegnet bin, konnte ich direkt Dinge tun, die andere nicht konnten. Ich wollte meinem Idol LeBron James fortan nacheifern, es war um mich geschehen“, sagt der Mann, der mit 2,01 Meter und 104 Kilogramm eindrucksvolle Maße vorweisen kann, wenngleich nicht in Dimensionen von Superstar James (2,06 Meter, 113 Kilogramm).
Seinen Körper muss Clark, der die Universitäten von Michigan State und St. John’s besuchte, fortan in der Bundesliga und im EuroCup für die Towers einsetzen – zu denen er natürlich zu spät, eine halbe Woche nach Trainingsbeginn, gestoßen ist. Beim Frühstück in Breslau habe ihm Korner seine Rolle erläutert: „Mein Hauptjob ist es, die gegnerische Verteidigung mit meinem Distanzwurf auseinanderzuziehen.“
Bei seiner vorigen Station gelang dies ziemlich gut. Clark verwandelte knapp 43 Prozent seiner Dreier und wurde mit Champions-League-Achtelfinalist Falco Szombathely – für den im Übrigen nun sein bester Freund, Vorjahres-Tower Zach Brown, spielt – ungarischer Meister. In der Sommerpause lief der Flügelspieler für einige Begegnungen für den mexikanischen Club Abejas de Leon auf, „um in Form zu bleiben, und weil es gutes Geld zu verdienen gab“.
Clark ist der erste College-Absolvent seiner großen Familie
Clark ist jedoch weit davon entfernt, ein notorischer Zuspätkommer zu sein. Im Gegenteil. Als erstgeborener Sohn einer alleinerziehenden, sechsfachen Mutter musste er schon früh erwachsen werden. „Ich bin der Kopf der Schlange bei meiner Familie“, sagt der Kunst- und Musikliebhaber, der selbst noch nicht liiert ist. Da seine Mutter ihn bereits mit 19 Jahren bekam, musste sie ihre Leichtathletikkarriere opfern.
„Ihren Traum vom Profisport möchte ich nun leben. Mein größter Wunsch ist es, dass sie und meine Geschwister mich in Europa besuchen“, so Clark, der als Erster in seiner Familie einen Universitätsabschluss sein Eigen nennen kann. „Es ist schon verrückt. Ich mochte Basketball früher überhaupt nicht, habe eher noch Baseball und Fußball gespielt. Nun hat er mir den Abschluss und eine wahnsinnig spannende Reise durch Europa ermöglicht.“ Aktuell mit Zwischenstopp in Polen.
Sein erster Eindruck von den Trainingsbedingungen in Breslau sei äußerst positiv gewesen: „Ich war noch nie in einem Hotel, in dem es eine riesige Basketballhalle mit mehreren Körben und Möglichkeiten zum Krafttraining gibt. Bislang macht es viel Spaß.“ Einziger Nachteil: Das Training beginnt schon am frühen Morgen. Nichts für Langschläfer.