Hamburg. Das Eigengewächs schaffte mit 18 Punkten einen neuen persönlichen Bestwert. Ex-Profi Shorts überragte für die Merlins.
Die enttäuschten Gesichter der Profis der Hamburg Towers sprachen am späten Sonnabend Bände. Nach zuvor fünf Siegen in Folge unterlag die Mannschaft von Trainer Pedro Calles wegen einer vor allem in der ersten Hälfte schwachen Leistung in der Basketball-Bundesliga (BBL) mit 73:90 (18:17, 12:34, 21:17, 22:22) bei den Crailsheim Merlins. Vor allem die Art und Weise wie die höchste der drei Saisoniederlagen zustande kam, dürfte die Verantwortlichen ärgern.
Crailsheim war den Hamburgern in allen Belangen überlegen. Bester Werfer der Hamburger war Eigengewächs Justus Hollatz (20), dessen 18 Punkte eine persönliche Bestleistung bedeuteten. Es sollte ein schwacher Trost sein. "Es lag an der Einstellung. Wir haben nicht gefightet, keine Energie gebracht, und die Köpfe hängenlassen. Wir waren nicht bereit. Das geht nicht", sagte Hollatz selbskritisch. Die Towers sind in der Tabelle von Platz eins auf fünf zurückgefallen.
Towers mit Verletzungssorgen auf der Center-Position
Eine schlechte Nachricht gab es bereits vor der Partie. Die Towers mussten auf der ohnehin schon dezimierten Center-Position neben Maik Kotsar (24, Schulter) kurzfristig auch auf dessen Ersatzmann Eddy Edigin (26) verzichten. Der „Big Man“ hatte sich vor der Abreise am Freitag im Abschlusstraining einen Nasenbeinbruch zugezogen.
Somit war Nachwuchs-Talent Hendrik Drescher (21), der überwiegend beim Kooperationspartner Rist Wedel in der 2. Bundesliga ProB zum Einsatz kommt, der einzig gelernte Center im Kader. Das gesamte Spiel verfolgte er aber von der Ersatzbank. „Wir müssen die Next-Man-Up-Mentalität an den Tag legen. Jeder muss extra Leistung bringen, das wird entscheidend sein, um das zu kompensieren“, erklärte Nationalspieler Hollatz vor der Partie. Die insgesamt schwache Leistung auf das Fehlen von Kotsar und Edigin zu schieben, wäre zu einfach.
Crailsheims Spielmacher T.J. Shorts brillierte gegen Ex-Club
Zu Beginn spielte das „Missmatch“ auf der Center-Position eher ein untergeordnete Rolle. Für das erste Highlight sorgte eben jener Hollatz, als er in der fünften Minuten erst die Towers mit einem Dreipunktewurf mit 7:6 in Führung brachte und im Gegenzug Ex-Mitspieler T.J. Shorts (24) mit einem Monster-Block abräumte. Doch das schien den US-Amerikaner nur angestachelt zu haben.
Shorts, dessen Vertrag die Towers nicht verlängern wollten oder konnten, war der überragende Mann auf dem Court. Den 1,74-Meter-Wirbelwind, der am Ende starke 23 Punkte und acht Assists schaffte, bekamen die Hamburger nicht in den Griff. Ein Import-Spielmacher der Kategorie Shorts fehlte den Towers über die gesamte Saison.
Topscorer Caleb Homesley, der einen rabenschwarzen Tag erwischte, hilft häufig aus, ist aber kein gelernter Point Guard, Nachverpflichtung Ray McCullum (30) hat noch nicht nachgewiesen, dass er eine Verstärkung ist ,und der im Sommer verpflichtete Jabril Durham wurde bereits wieder weggeschickt. So ist es in erster Linie Eigengewächs Hollatz, das für kreative Momente zuständig ist.
Nach ordentlichem Beginn entglitt den Hamburgern die Partie
Und doch fand das Team von Trainer Pedro Calles zunächst einen Weg, das offensivstärkste Team der BBL halbwegs unter Kontrolle zu halten. Das erste Viertel konnten die Hamburger nach einem Wurf von McCullum mit einer 18:17-Führung beenden. Beide Mannschaften hatten große Probleme in Sachen Treffsicherheit.
In der Folge blieb es ein umkämpftes und auf beiden Seiten fehlerbehaftetes Spiel, in dem die Gastgeber Mitte des zweiten Viertels so ein wenig davonzogen. Die Towers leisteten sich zu viele Ballverluste und die Crailsheimer fanden ihr heißes Händchen von der Dreipunktelinie. Ende des zweiten Viertels zogen die Schwaben, die zunehmend gieriger auf den Sieg wirkten auf 40:28 davon. Trainer Calles war sichtlich angefressen über die Darbietung seiner Spieler.
Towers-Coach Calles stinksauer über die Darbietung seiner Spieler
Die Laune des Spaniers sollte nicht besser werden. Das zweite Viertel wurde aus Towers-Sicht von Minute zu Minute schlechter. Offensiv ohne Struktur, viele erzwungene Würfe, Leistungsträger wie der praktisch unsichtbare Jaylon Brown (27) ohne Einfluss auf die Partie und zum Teil desolates Defensivverhalten. Die Folge: Ein hochverdienter 30:51-Rückstand Die Halbzeitpause kam für die Wilhelmsburger genau zur richtigen Zeit.
Nach der Pause kamen die Towers etwas besser ins Spiel. Drei schnelle Dreipunktewürfe der Hamburger sorgten dafür, dass sie Mitte des dritten Viertels auf 44:59 verkürzen konnten. Allen voran Justus Hollatz stemmte sich gegen die Niederlage. Auch wenn die Towers den dritten Spielabschnitt mit 21:17 für sich entscheiden konnten, war es letztlich nicht mehr Ergebniskosmetik.
Kabinettstückchen zum Schluss
Den Schlussabschnitt nutzten die Gastgeber, um den eigenen Fans das eine oder andere Kabinettstückchen zu zeigen.Bezeichnend für die Hamburger "Offensivleistung" Eigengewächs Osaro Jürgen Rich (23) erzielte in 5:46 Minuten mit vier Punkten ebensoviele Zähler wie die vermeintlichen Leistungsträger Seth Hinrichs und Zach Brown.
Gegenwehr gab es von den Hamburgern, die in ihre Einzelteile zusammenfielen, nicht mehr, sodass die Crailsheimer Anhänger nach dem Spiel sich selbst, ihr Team und vor allem ihren überragenden Spielmacher T.J. Shorts frenetisch feierten. Immer wieder skandierten die Anhänger den aus der NBA bekannten Schlachtruf für den wertvollsten Spieler "MVP". "Es war eine tolle Team-Leistung. Es war vor der Länderspielpause ein wichtiges Spiel für uns. Wir waren vom ersten Sprungball da. Es macht immer Spaß, gegen seinen alten Club zu spielen. Ich liebe Hamburg, aber ich bin jetzt in Crailsheim, und freue mich über die Liebe der Fans", erklärte Shorts.
In den kommenden beiden Wochen können die Towers nach der Doppelbelastung mit EuroCup und BBL dank der anstehenden Länderspielpause ein wenig durchpusten. Am 5. Dezember (15 Uhr) steht für das Calles-Team das nächste Bundesliga-Spiel gegen die Braunschweiger Löwen auf dem Plan. Genügend Anschauungsunterricht, was besser werden muss, haben die Hamburger ja nun.