Hamburg. Trainer Taylor zieht die Zügel beim bisher enttäuschenden Aufsteiger an. Carrera kommt aus Bamberg. Müssen Spieler gehen?

Die neue Woche hat für Mike Taylor begonnen, wie die alte aufgehört hatte. Nach dem 69:102 bei Ratiopharm Ulm am Sonntag musste der Trainer der Hamburg Towers am Montagmorgen auf den Zahnarztstuhl. „Ein Zahn hat mir schon länger Probleme bereitet. Deshalb musste er raus“, sagte der 47-Jährige, der sich wünschen würde, dass sich die sportliche Krise ähnlich kurz, wenn auch schmerzvoll, entfernen ließe wie sein Zahn.

Viel mehr als die geschwollene Wange nervt den US-Amerikaner die Art und Weise, wie seine Mannschaft in den ersten acht Saisonspielen in der Bundesliga auftrat. Außer beim Sieg in Gießen und den unnötigen Niederlagen in Frankfurt sowie über weite Strecken in Ludwigsburg waren die Wilhelmsburger mehr Opfer als Gegner. Deshalb müssen sich die Towers eingestehen, dass sie derzeit nicht bundesligatauglich und Abstiegskandidat Nummer eins sind.

Ton bei den Towers wird rauer

Spätestens seit dem neuerlichen Debakel in Ulm wird alles auf den Prüfstand gestellt. „So kann es nicht weitergehen. Wir müssen genau schauen, auf wen wir uns in dieser Situation verlassen können, wer unseren Weg mitgehen will und wer nicht“, sagt Taylor, dessen Geduld mit seinen Spielern so langsam, aber sicher zu Ende geht.

Der interne Ton wird rauer, zu offensichtlich ist es, dass es der Mannschaft nicht nur an Qualität mangelt, sondern auch an Teamspirit. Vor jedem Spiel strecken die Profis zur Motivation die Fäuste zusammen, und Kapitän Beau Beech (25) ruft die Worte: „One, two, three: Team! Together!“

Das Problem: Die Botschaft wird von den Profis zwar gerufen, aber nicht gelebt. Von dem überragenden Zusammenhalt, der die „Türme“ in der Vorsaison zum Aufstieg getrieben hat, ist in dieser Spielzeit gar nichts mehr zu sehen. Auch außerhalb der Halle finden immer weniger gemeinsame Unternehmungen statt. Gerade deshalb merkt man das Fehlen von Ex-Kapitän Achmadschah Zazai (32), der ein feines Gespür für die Strömungen innerhalb der Mannschaft, aber aufgrund sportlicher Leistungen keinen Vertrag mehr erhalten hatte.

Towers wollen Charakterspieler verpflichten

Während die alteingesessenen Aufstiegshelden wie René Kindzeka und Jannik Freese die Towers-DNA verinnerlicht haben, sportlich aber keine Rolle spielen, wirkt ein Großteil der sieben Neuzugänge noch immer wie Fremdkörper.

Bestes Beispiel: Marshawn Powell. Der 29-Jährige wurde im Sommer als Leistungsträger und Führungsfigur verpflichtet, mutiert aber zunehmend zum Problemfall. In der Mannschaft ist der häufig lustlos wirkende Topverdiener nach Abendblatt-Informationen ein Dauerthema. Allerdings fehlt es den Towers in der Kabine an Führungsspielern, die mannschaftsintern solche Konflikte eigenständig lösen können.

Taylor nimmt Führungsspieler in die Pflicht

Publikumsliebling Beech ist zwar in seiner Rolle als Kapitän bemüht, allerdings fehlt es dem US-Amerikaner, der sein zweites Profijahr spielt, an sportlicher Vita, um als Leader vorneweg zu marschieren. Der als Anführer verpflichtete ehemalige Nationalspieler Heiko Schaffartzik (35) konnte sportlich bisher nicht überzeugen und gilt als Eigenbrötler, der in Hamburg sein Ding macht, aber zum Karriereende hin nicht für die Aufgabe Towers brennt.

Towers-Trainer Mike Taylor fordert von seinen Führungsspielern mehr Engagement.
Towers-Trainer Mike Taylor fordert von seinen Führungsspielern mehr Engagement. © dpa | Daniel Bockwoldt

„Wir brauchen mehr von unseren Führungsspielern. Sie müssen unsere jungen Spieler entlasten, den Druck von ihnen nehmen“, hatte Taylor in der Vorwoche gefordert. Wer nicht bereit ist, diese Rolle anzunehmen, dem droht das gleiche Schicksal wie Transferflop Kahlil Dukes (24), dessen Vertrag im Oktober aufgelöst wurde.

Carrera kommt aus Bamberg zu den Towers

Personell nachgerüstet haben die Towers bereits. In den Internetforen wurde zwar der ehemalige Bamberger Trevor Bakwe (30) mit den Hamburgern in Verbindung gebracht. Doch wie das Abendblatt bereits berichtete, kommt vielmehr Michael Carrera (26) von dem Traditionsclub zu den Towers. In der vergangenen Woche wurde der Venezolaner, der als Mentalitätsspieler gilt, beim Ligakonkurrenten freigestellt.

Kurios: Beim 89:59-Sieg von Brose Bamberg am 26. Oktober absolvierte der Forward in der Edel-optics.de Arena sein bestes Saisonspiel, als er 13 Punkte und sieben Assists verbuchen konnte. „Carrera ist ein toller Typ, aber er wurde ein Strukturopfer. Er ist ein Power Forward, der auch auf der Position drei spielen kann. Es hat sich aber herausgestellt, dass wir einen Vierer brauchen, der werfen und auch auf der Center-Position aushelfen kann“, sagte Bambergs Geschäftsführer Arne Dirks.

Davon könnten nun die Towers profitieren. Taylor war Carrera schon bei der WM im September in China aufgefallen. Dort traf der Trainer mit der polnischen Nationalmannschaft, die er neben den Towers betreut, auf Venezuela. "Es ist mir sofort ins Auge gefallen, mit welcher Energie Michael spielt. Sein Motor läuft immer auf Hochtouren, er gibt alles", sagte der US-Coach. "Als er nun verfügbar geworden ist, war es eine einfache Entscheidung, alles daranzusetzen, ihn zu verpflichten.“

Jeder neue Impuls ist nötig, sonst droht die Premierensaison in der Bundesliga schmerzhafter zu werden als ein Besuch beim Zahnarzt.

Info zum Towers-Vorverkauf

An diesem Dienstag (14 Uhr) startet die zweite Verkaufsphase für alle Heimspiele bis zum Saisonende. Darunter auch das Eventspiel in der Barclaycard Arena am 26. April 2020 gegen den FC Bayern München.