Hamburg. Die Mannschaft von Mike Taylor ist im Kampf um den Bundesliga-Aufstieg gegen Chemnitz Außenseiter – und genießt die neue Rolle.
Als Marvin Willoughby am späten Montagabend auch den letzten Menschen umarmt hatte, der ein Logo der Hamburg Towers trug, hielt er am Mittelkreis der Rostocker Stadthalle einen Moment inne und schüttelte fast schon ungläubig lächelnd den Kopf. Der gebürtige Hamburger brauchte nach dem 91:85-Sieg bei den Rostock Seawolves einen Moment, um zu realisieren, dass die Wilhelmsburger Zweitliga-Basketballer ein neues Kapitel ihrer Geschichte geschrieben haben. „Ich bin überwältigt und einfach nur superglücklich“, sagte der Geschäftsführer nach dem erstmaligen Erreichen des Play-off-Halbfinals mit Tränen in den Augen.
So emotional Willoughby war, so kontrolliert feierten die Protagonisten, die den Halbfinaleinzug möglich gemacht hatten. Eine kurze Party mit den 80 mitgereisten Fans, ein „Ufftatätärä“, ein letztes Mal winken, und dann lag der Fokus bereits auf dem, was von Ostersonnabend an wartet: das Semifinale gegen Hauptrundenmeister Chemnitz 99ers. Deshalb verzichtete Trainer Mike Taylor am Dienstag auch auf einen freien Tag. Um 16 Uhr bat der US-Amerikaner sein Team zu einer leichten Einheit.
Glaube an den Aufstieg
Wer rastet, der rostet eben: „Ich bin glücklich, aber nicht zufrieden“, sagte Guard Carlton „Scootie“ Guyton stellvertretend für sein Team. „Es ist cool. Wir haben in Rostock einen weiteren Schritt Richtung Aufstieg geschafft, sind aber noch nicht fertig“, ergänzte der US-Amerikaner, der mit 29 Punkten maßgeblichen Anteil am Sieg in Rostock hatte. Der Glaube an den Aufstieg, der mit dem Finaleinzug perfekt wäre, so groß wie am Montagabend war er wohl noch nie.
Auf dem Papier gehen die Towers gegen den bisher so souveränen Hauptrundenmeister, der seine erste Play-offRunde mit 3:0 Siegen gegen die Karlsruhe Lions gewinnen konnte, als Außenseiter in die Best-of-five-Serie. Beide Hauptrundenduelle gingen an die Ostdeutschen, die bisher noch ohne Krise durch die Saison gekommen sind. Und genau darauf setzen die Hamburger. Keiner in Chemnitz weiß, wie das Topteam reagiert, wenn man früh in der Serie einen Rückschlag erleidet und der Druck dadurch steigt.
Probleme mit der Favoritenrolle
Daher freuen sich die Towers, der Underdog zu sein. „Das finde ich geil“, sagte Willoughby: „Die Saison hat gezeigt, dass wir mit der Favoritenrolle das eine oder andere Mal Probleme hatten. Auch gegen Rostock. Der Druck ist bei Chemnitz, aber wir wissen auch, dass wir dort bestehen können.“ Daran hat auch das Team keinen Zweifel. „Wir sind auf dem Papier vielleicht der Außenseiter, in meinem Herzen aber nicht. Es ist immer noch Basketball, und wir werden bereit sein für Chemnitz“, sagte Guyton.
Das gilt dann hoffentlich auch für die beiden tragenden Offensivsäulen der Towers. In Rostock gab die erneut überschaubare Vorstellung der Topscorer Andrew Barham (drei Punkte) und Beau Beech (acht) Rätsel auf. Immerhin konnte das Kollektiv über die Serie hinweg die fehlende Produktivität der beiden US-Amerikaner kompensieren. Egal ob in Spiel drei, als Malik Müller und Achmadschah Zazai in die Bresche sprangen, oder Spielmacher Guyton, der das Team am Montagabend zum Sieg führte: Immer wieder drängte ein anderer Towers-Spieler in den Vordergrund, wenn es darauf ankam.
Towers verzichten auf Topzuschlag bei Tickets
So wie auch Shootingstar Justus Hollatz (17), der in der „Crunchtime“ in Rostock keinerlei Nerven zeigte und immer wieder starke Spielzüge initiierte. „Justus war unglaublich abgeklärt, wie er die Last einer ganzen Organisation auf seinen Schultern getragen hat“, schwärmte Willoughby, der eigentlich niemanden hervorheben wollte: „Hollatz hat aber etwas für ganz viele Jugendliche getan, die in den kommenden Jahren bei uns spielen werden. Er hat gezeigt, dass die Trainer den Jungs vertrauen. Es lohnt sich, in junge Spieler zu investieren, denn sie geben auch eine ganze Menge zurück.“
Das gilt auch für die Fans der Wilhelmsburger Basketballer. Innerhalb weniger Stunden war das erste Heimspiel der Halbfinalserie am kommenden Dienstag (19.30 Uhr) nahezu komplett ausverkauft. In Zeiten, in denen Clubs sportartenübergreifend die Ticketpreise für besondere Spiele in zum Teil astronomischen Höhen ansetzen, verzichten die Towers hingegen auf einen Topzuschlag für die Runde der letzten vier. Sie wollen den Erfolg dieser Saison nicht finanziell ausschlachten. „Es ist ein Dankeschön an unsere Anhänger. Sie waren ein wesentlicher Faktor, dass wir die gesamte Saison über so heimstark waren. Außerdem sind wir ein sozialer Verein. Deshalb haben wir die Eintrittspreise beibehalten“, sagt Gesellschafter Jan Fischer.
Halbfinaltermine: Spiel eins: Sa, 19.30 Uhr (A), Spiel zwei: Di, 23. April, 19.30 Uhr (H), Spiel drei: Fr, 26. April, 19.30 Uhr (A), Spiel vier: So, 28. April, 17 Uhr (H), Spiel fünf: Di, 30. April, 19.30 Uhr (A).