Hamburg. Centerspieler Enosch Wolf von den Hamburg Towers blickt mit nur 26 Jahren bereits auf eine bewegte Basketballkarriere zurück.
Enosch Wolf (26) hat eine große Gemeinsamkeit mit Angelique Kerber. Wie die Weltranglistenerste im Tennis übt er seinen Sport mit der linken Hand aus, obwohl er eigentlich Rechtshänder ist. Weshalb das so ist, weiß der Center der Hamburg Towers selbst nicht. „Witzigerweise“, sagt er, sei sein kleiner Bruder Julius (23) eigentlich Linkshänder, beim Basketball aber werfe er mit rechts. Julius Wolf spielt bei Science City Jena in der Basketball-Bundesliga (BBL).
Enosch Wolf, der an diesem Sonnabend (19.30 Uhr) in Liga zwei mit den Towers bei den ETB Wohnbau Baskets Essen antritt, stammt aus einer schrecklich verrückten Basketballfamilie. Schon Vater Horst, ein 2,10-Meter-Mann, war dreimal Nationalspieler und mit der BG Ludwigsburg 1992 deutscher Pokalsieger. In Ludwigsburg erblickte Enosch das Licht der Basketballwelt. Mutter Inken (1,83 Meter) war lange Bundesligaspielerin für die BG Göttingen. Das war auch die letzte Vereinsstation des Vaters. „Mein Laufstall stand immer in der Basketballhalle“, erinnert sich Enosch (2,15). Er ist das älteste der drei Kinder und der Größte der Familie. Seine 18-jährige Schwester Ronja war U13-Niedersachsenmeisterin und dribbelt noch hobbymäßig.
Schon Klein-Enosch versenkte die Bälle
Es gibt einen Retro-Fernsehbeitrag des SWR3 von 1991, den Enosch Wolf auf Facebook geteilt hat: Darin wird sein Vater interviewt – er sieht aus wie Enosch heute, nur mit Schnurrbart und Pony –, der eineinhalbjährige Blondschopf Enosch im Ballonseide-Minitrainingsanzug patscht auf einen Basketball und versenkt ihn in einem auf Bodenhöhe angebrachten Korb. Dazu ertönt „We are the Champions“, Klein-Enosch klatscht über sich selbst. Und die öffentlich-rechtliche Ansagerin mit gewollt seitlich aufgesetztem Cap flötet in der Abmoderation: „Früh übt sich, wer ein Meister werden will.“
Für Enosch Wolf ist sein Vater sein größtes Vorbild, neben den üblichen Verdächtigen wie Kobe Bryant. Er hat sich sogar den Schriftzug „Like father like son“ tätowieren lassen: wie der Vater so der Sohn. Und auf seinen linken Oberarm ließ er sich Horst Wolf in Aktion stechen – beim „Hook shot“, dem Hakenwurf. Das war der „Signature Move“ des Vaters, also der Paradewurf. Und es ist heutzutage Enoschs eigener Lieblingsmove. Der Sohn ist auch wie der Vater sowohl Center als auch Po-wer Forward, also großer Flügelspieler.
Die Tattoos erzählen einiges über Enosch Wolf: Der Löwe aus dem historischen Wappen Göttingens auf der Innenseite des linken Oberarms (s. Foto) zeigt seine Heimatverbundenheit. Er trägt auch einen nachdenklichen Spruch unter der Haut: „No matter how dark the night, dawn will break.“ Egal wie schwarz die Nacht, die Sonne wird wieder aufgehen. Wolf ist aus seiner Collegezeit in den USA ziemlich amerikanisiert. Er erlebte dort „den völligen Wahnsinn“, als er 2011 unter dem legendären Coach Jim Calhoun mit der University of Connecticut vor 75.000 Zuschauern US-Meister wurde.
In den USA erlebte seine Vita einen Knacks
Wolf erlebte dort im Februar 2013 auch den Knacks seiner vielversprechenden Vita, als er nach einem lautstarken Streit mit seiner damaligen Freundin eine Anzeige der Campuspolizei erhielt. Obwohl die Frau aussagte, dass er nicht handgreiflich geworden sei, er rehabilitiert wurde, verlor er sein Stipendium fürs letzte Jahr, sein „Senior Year“. „Die Geschichte gehört zu mir, ich habe nichts zu verbergen“, sagt Wolf. Die Huskies wurden 2014 erneut NCAA-Meister, Wolf wäre der Center der Startfünf gewesen. „Als Starting-Center beim Champion kommt man normalerweise nicht mehr zurück nach Deutschland.“ Er wäre wohl in die NBA gedraftet worden.
So heuerte Wolf seit 2013 an bei – Achtung, Luft holen – den Telekom Baskets Bonn in der BBL, bei den Zweitligisten Nürnberg und Kirchheim, mit einem Zweimonatsvertrag bei medi Bayreuth erneut in Liga eins, dann für vier Monate beim spanischen Drittligisten Ametx Zornotza und zuletzt bei den Luxemburg Musel Pikes. „Vielleicht habe ich auch ein-, zweimal zu viel gepokert“, sagt Wolf. „Aber es hat mir alles Lebenserfahrung gebracht.“
Bei den Towers erhält er Rückendeckung
Jetzt bei den Towers fühlt er sich angekommen. „Ich habe noch an keinem Standort so eine Rückendeckung gespürt.“ Und: Die Infrastruktur sei vergleichbar mit der „oberen Hälfte der BBL-Clubs“. Zum Beispiel, dass die Spieler mit ihren eigenen Schlüsseln jederzeit in die Inselparkhalle können. 24 Stunden am Tag könne man arbeiten.
Diese Einstellung schätzt Headcoach Hamed Attarbashi an Wolf: „Er will sich jeden Tag verbessern. Damit reißt er auch die jungen Spieler mit.“ Vom Spielertyp sei der flexibel einsetzbare Wolf (im Schnitt zehn Punkte und 7,3 Rebounds) ein „Mischmasch, er kann alles, aber noch nichts richtig“, sagt Attarbashi fordernd und fördernd. Der höchste „Turm“ ist für seine Größe und seine 112 Kilo enorm beweglich, gerade im Vergleich zu seinem behäbigen Center-Vorgänger Michael Wenzl. Und nicht nur unter den Brettern ist Wolfs Revier, er nimmt auch Dreier.
Ein XXL-Bett hat der Single und Serienjunkie nicht. „Ich mag es, wenn die Füße rausbaumeln und entspannen können.“ Er freut sich auf die Rückkehr seines 2,07-Center-Kollegen Stefan Schmidt (erst Kreuzband-, dann Meniskusriss) im Februar. Dann, so sagt er, „haben wir das beste Center-Duo der Liga“. Und irgendwann will Wolf zurück in die Bundesliga. Diesmal mit den Towers. „Das wäre der Traum.“