Hamburg. Nach Protest gegen Sponsor wird ein Brandmelder ausgelöst. Basketballer verlieren gegen Chemnitz 63:79.

2653 Zuschauer standen in der Halbzeit eine Viertelstunde lang draußen vor der Halle, auf der anderen Seite der Arena froren beide Teams in kurzen Sporthosen bei einem Grad Celsius. Einige Meter entfernt von den Basketballprofis der Hamburg Towers und der Chemnitz Niners wartete der angerückte Löschzug vergeblich auf seinen Einsatz. Feueralarm in der Wilhelmsburger Inselparkhalle. Die Entwarnung folgte nach etwa 20 Minuten. Es war mutmaßlich ein Sabotageakt.

„Als würden die Jungs plötzlich in eine Kältekammer kommen“, beschrieb Towers-Trainer Hamed Attarbashi später die Situation. „Einige Zuschauer haben neben uns geraucht, mir auf die Schulter geklopft und gesagt: „,Hey Hamed, alles klar?‘ Es war gar nicht so, dass wir Angst hatten, dass es wirklich brennt, es war einfach alles nur verwirrend.“ Und gefrustet schob er hinterher: „Derjenige, der den Feueralarm ausgelöst hat, hat uns definitiv nicht geholfen.“ Nach starken zwei Vierteln mit einer zwischenzeitlichen 14-Punkte-Führung waren die „Türme“ mit 33:29 zur Pause in die Kabine gegangen und verloren nach dem Wiederbeginn, als sie aus der Kälte kamen, „völlig den Faden“ (Sportchef Marvin Willoughby) – und auch das Spiel klar mit 63:79.

Zusammenhang mit Protest gegen Sponsor?

Der Sport, die dritte Niederlage der Towers nacheinander, rückte an dem Abend in den Hintergrund. Willoughby zeigte sich fassungslos über den Unbekannten, der „mutwillig“ einen Brandmelder im Umlauf der Arena eingeschlagen hatte. So haben es die Verantwort­lichen rekonstruiert. „Ich hoffe, wir finden ihn, wir haben ja ein paar Videokameras hier. Es waren 1500 Kinder und Jugendliche in der Halle. Man stelle sich nur mal vor, ein Mensch gerät in Panik und dreht durch. Ich kann nur ein großes Lob an die Hamburger aussprechen, dass alle so ruhig die Halle verlassen haben“, sagte der 38-Jährige. Die Räumung über die Notausgänge verlief in weniger als drei Minuten vorbildlich.

Ein Verdacht steht aber im Raum. Es kann nach den bisherigen Ermittlungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Fehlalarm im Zusammenhang mit einem Protest von Umweltaktivisten in der Zwei-Minuten-Pause zwischen erstem und zweitem Viertel stand. Die Polizei geht jedenfalls davon aus. Während das Towers Dance Team tanzte, waren acht Zuschauer auf das Hallenparkett gerannt und hatten ein Banner mit der Aufschrift „Klimakiller-Sponsor kündigen“ hochgehalten. Die Parole richtete sich gegen den Energiekonzern Vattenfall, den Exklusivpartner der Towers, mit dem der Club kürzlich den Vertrag um zwei Jahre verlängert hatte.

Den Schriftzug des Sponsors auf dem Boden hatten die Demonstranten zu „Vattenscheiß“ überklebt. Nach Angaben von Towerssprecher und -Mitgesellschafter Jan Fischer handelte es sich um eine Gruppe Aktivisten, die regulär mit Tickets in die Halle gekommen waren. Sie erhielten Hausverbot. Über weitere Konsequenzen des Vorfalls, den es in dieser Form bei einer deutschen Sportveranstaltung noch nicht gab, wollen die Towers am heutigen Montag beraten. Anzeigen gegen die Täter, zivilrechtliche Schritte oder Schadensersatzklagen sollen diskutiert werden.

Für die Protestaktion konnte Willoughby „noch ein gewisses Verständnis aufbringen. Jeder kann seine Meinung kundtun.“ Wie Fischer hielt er es „für gut möglich“, dass die Taten zusammenhängen: „Ich weiß nicht, ob das eine mit dem anderen zu tun hat, aber zumindest wissen wir, dass der Alarm mutwillig ausgelöst wurde.“ Anthony Canty, wieder mal Topscorer der
Towers mit 26 Punkten und ihr gefühlter Kapitän, brachte für die Verunglimpfung des Sponsors kein Verständnis auf: „Das macht mich sprachlos. Ich weiß nicht, was der Beweggrund ist für eine solche Aktion – das gehört sich nicht. Das ist ein Sponsor, der uns sehr weiterhilft – und uns auch bei unseren sozialen und Schulprojekten unterstützt.“

Towers mit eklatanten Problemen in der Defensive

So etwas wie diesen Feueralarm hatte der Spielmacher noch nie erlebt. „Das ist aber keine Entschuldigung. Die Chemnitzer litten unter denselben Umständen“, sagte der 25-Jährige, der einzige „Turm“ in Normalform. Der erst am Freitag nachverpflichtete US-Guard Roderick Rodney „Rod Rod“ Camphor zeigte zumindest einige Ansätze. In Spielhälfte zwei aber unterliefen den Wilhelmsburgern erneut eklatante Abstimmungsprobleme in der Defensive.

Für Riesenaufregung sorgte beim Chemnitzer Coach Rodrigo Pastore, dass die Spieler nach den 15 Minuten in Eiseskälte nur weitere 15 Minuten Zeit bis zum Wieder-Tip-off erhielten. „Die Gesundheit unserer Profis wurde aufs Spiel gesetzt. Das war peinlich und ein Mangel an Respekt“, schimpfte er über die telefonische Entscheidung der Liga. Kollege Attarbashi stimmte ihm schulterzuckend zu, haderte aber viel mehr mit dem Schicksal: „Ich weiß nicht, was uns noch alles passieren soll. Wir sind an einem Punkt, an dem es definitiv nicht mehr lustig ist.“ Zu allem Überfluss wurde seine Verletztenliste wieder länger. Center Justin Raffington hatte einen Schlag auf den linken Fuß bekommen. „Er hat eine große Schwellung unter dem Fuß, das sieht nicht gut aus. Bei unserem Glück ist das die nächste schwere Verletzung“, sagte Willoughby galgenhumorig.