Gotha. Die Hamburg Towers verlieren in Gotha fünftes Play-off-Viertelfinale mit 64:81 und die Serie nach einer 2:0-Führung mit 2:3.

Die „Blaue Hölle“ liegt mitten im Industriegebiet Gotha-Ost. Mit blauen Buchstaben klebt dieser offizielle Hallenname an einem weißen Zelt mit dreieckigem Dach, in dem die Zweitliga-Basketballer der Rockets Gotha ihre Heimspiele bestreiten. Das alles klingt nicht besonders gastfreundlich – und so waren die Gäste aus Hamburg am Sonntag auch so schnell vom Spielfeld verschwunden wie noch nie. Wegen der feiernden Gegner, zum einen. Wegen der großen Enttäuschung nach dem dritten vergebenen Matchball zum Halbfinaleinzug in der ProA, zum anderen. Die Towers kassierten in Thüringen eine klare 64:81 (33:47)-Niederlage im entscheidenden fünften Play-off-Spiel und verloren die Viertelfinalserie damit mit 2:3 – und das, nachdem sie schon 2:0 geführt hatten.

Am Sonntagabend erlebten die Towers ihre persönliche „blaue Hölle“ in der engen, ausverkauften Arena, in der die 1862 Zuschauer 40 Minuten lang standen und krakeelten und am Ende den Einzug ins Halbfinale gegen Liga-Primus Rasta Vechta feierten. Die Gothaer Spieler genossen, den Jubel, zelebrierten die „Humba“ mit ihren Fans, waren völlig losgelöst. Von den „Türmen“ war da längst keiner mehr zu sehen. Selbst auf das obligatorische Strechen verzichteten sie. Weg, nur weg! Coach Hamed Attarbashi hielt sich beim Rausgehen sein Ohren zu, die sich wie taub anfühlen mussten.

„Vielleicht müssen die Jungs etwas mehr Arschlöcher sein“

„Es ist bitter, weil wir jetzt ein Jahr warten müssen, bis wir wieder in die Nähe so einer Chance kommen“, sagte Sportchef Marvin Willoughby. „Vielleicht müssen die Jungs etwas mehr Arschlöcher sein und Tret-Drauf-Mentalität entwickeln, um den Sack zuzumachen. Ich bin aber froh, dass sie diese Erfahrung gemacht haben und diesen Schmerz gespürt haben, um daran zu wachsen.“ Er gab aber zu, dass man sich vor dieser Serie ohne die Topcenter Stefan Schmidt und Michael Wenzl (beide Kreuzbandriss) „nur insgeheim erhofft hatten, dass wir unseren Zuschauern irgendwie ein zweites Heimspiel bescheren“.

Coach Attarbashi wirkte diesmal nicht so tief enttäuscht wie nach der Heimniederlage am Freitag (66:70). Gefasst analysierte er: „Wir haben heute fair und verdient verloren. Damit kann ich leben. Die Spiele drei und vier waren schwieriger zu verdauen.“

Diese Partien hatten die Towers jeweils dominiert und weit bis in die zweite Halbzeit zweistellig geführt, nun in diesem „Endspiel“ war Gotha in allen Belangen das bessere Team – abgesehen von einem 12:5-Blitzstart der Towers. Am Ende war es eine Energiefrage bei den verbliebenen zehn „Türmen“. Attarbashi: „Meine Spieler waren körperlich nicht mehr in der Lage, dieses Tempo zu gehen.“ Das Trainer-Mastermind ärgerte sich aber über eine Phase von sechs Minuten Ende des ersten Viertels/Anfang des zweiten Viertels, „als Gotha uns schwindelig gespielt hat und wir grauenhaft verteidigt haben“.

Exakt zehn Towers-Fans hatte ihr Team immerhin wieder begleitet und dafür fünf Autostunden auf sich genommen. Sie sahen, dass sich Spielmacher Anthony Canty von seiner fiebrigen Erkältung wieder gut erholt hatte und mit 16 Punkten Top-Scorer der Türme wurde. Und sie sahen den wohl letzten Auftritt des hochtalentierten Point Guards Bazoumana Koné im Towers-Trikot. Dem 22-Jährigen liegen bereits Angebote zahlreicher Erstligaclubs vor. Er trug zum Abschied noch einmal zehn Punkte bei.

Power Forward Völler gelang ein „Double Double“

Gothas Trainer Chris Ensminger kam nach der Partie mit einem Bier in seinen riesigen Händen in den Presseraum geschlendert. Die BBL-Legende, die die Brose Baskets Bamberg als Kapitän zu zwei deutschen Meisterschaften geführt hat, zollte den Towers großen Respekt: „Wir standen in der ganzen Serie mit dem Rücken zur Wand.“ Aus seiner Sicht war gewonnene Spiel drei in Gotha der „Knackpunkt“.

Der 42-Jährige ist nicht der einzig bekannte Name bei den Gothaern. Zwei Söhne berühmter Väter gehören zu den Leistungsträgern: Zum einen der deutsch-amerikanische Shooting Guard Maximilian DiLeo, dessen Vater Tony DiLeo einst Trainer des NBA-Clubs Philadelphia 76ers war. Und zum anderen der Kapitän Marco Völler, dessen Vater Rudi Völler bei Heimspielen öfter mal auf dem VIP-Balkon auf einem blauen Container steht. Diesmal hatten sie auch mit dem Fußball-Weltmeister gerechnet (weil Bayer Leverkusen ja schon am Sonnabend gespielt hat), aber er war nicht zu sehen.

Power Forward Völler (1, 98 Meter/111 Kilo) gelang ein „Double Double“ (elf Punkte/zwölf Rebounds). Als Topscorer glänzte US-Guard Jordan Riewer (18 Punkte). Die „Big Blues“ von Ex-Starverteidiger Ensminger gewannen das in dieser Serie so wichtige Reboundduell mit 35:29, sie waren zusammenspielstärker mit 22 Assists (Towers: neun) und hatten wieder eine sehr gute Drei-Punkte-Quote (47 Prozent – Towers: 33). Nach der Schlusssirene war dann die „Blaue Hölle“ los.